Wer hat Schuld (Unfall)?

6 Antworten

Ein klassisches "Überholen bei unklarer Verkehrslage". 01 ist der die verkehrsbedingt langsam fahrenden oder wartenden Fahrzeuge überholende Pkw. 02 hat als Linksabbieger zwar auch Wartepflichten (ggü. dem Gegenverkehr), darf jedoch darauf vertrauen, dass sich der nachfolgende Verkehr rechtskonform verhält. Ohne dieses Vertrauen in die Rechtskonformität der anderen Verkehrsteilnehmer wäre kein ordentlicher Straßenverkehr möglich. Als Beispiel: Wenn Niemand drauf vertrauen dürfte, dass die Anderen bei roter LSA halten, wäre eine Verkehrslenkung mittets LSA kaum denkbar.

Das soll aber NICHT heißen, dass Jeder sich die Vorfahrt erzwingen darf oder sich nicht gem. §1 StVO (ndige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht) zu verhalten hat.


Crack  30.04.2022, 09:14

Ein weiterer wichtiger Punkt ist allerdings im §9 StVO geregelt.
Demnach muss sich ein Linksabbieger vor dem Abbiegen versichern, dass er nicht überholt wird.

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Familie2007  30.04.2022, 09:22
@Crack

Das ist richtig.

...vor dem Abbiegen ist es dann nicht nötig, wenn eine Gefährdung nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist.

In §9 (1) StVO ist gemeint, dass der Linksabbieger in solchen Situationen den Abbiegevorgang nicht einleiten darf, wenn er bereits überholt wird oder die Verkehrssituation unklar ist, aber da er darauf vertrauen darf, dass der wartepflichtige Verkehr, welcher ihm lediglich folgt, ihm das Abbiegen ermöglicht, kann er zu diesem Zeitpunkt davon ausgehen, dass eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist.

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Familie2007  30.04.2022, 09:33
@Familie2007

Ergänzung

Damit es nicht falsch interpretiert wird: Natürlich muss der Linksabbieger auch vorher in den Rückspiegel schauen, aber das hießt nicht, dass er diesen ständig beobachten muss.Wenn er geschaut hat und alles frei war, kann er auch darauf vertrauen, dass dies im nächsten Moment auch noch so ist. Also er muss nicht damit rechnen, dass Jemand von hinten an allen vorbei "brettert".

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Einmal der Überholende, weil der nicht überholen darf, wenn er den Vorgang nicht gefahrlos durchführen kann.

Zum anderen der Abbiegende, weil er im Moment des Abbiegens in den Rückspiegel schauen muss, ob nicht irgend ein Unverbesserlicher von hinten angebrettert kommt. Leider.

Es hängt auch davon ab, ob und wie lange der Linksabbieger den Blinker gesetzt hat. In diesem Fall darf der Hintermann nicht mehr überholen.

Von Experte tinalisatina bestätigt

Diese Unfälle sind gar nicht mal so selten und da gibt es auch eine ganze Reihe von Urteilen dazu. Die gehen alle in die Richtung, dass der Linksabbieger die Hauptschuld trägt, denn er hat eine besondere Sorgfaltspflicht und sich durch einen Blick in den Rückspiegel davon zu überzeugen, dass ein gefahrloses Abbiegen möglich ist. Je nach näheren Umständen kann die Teilschuld des Überholers jedoch sehr unterschiedlich ausfallen.

Beispiele zu Urteilen:

KG Berlin v. 15.08.2005:

Kommt es in einem unmittelbaren örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Linksabbiegen zu einer Kollision mit einem links überholenden Fahrzeug, spricht der Beweis des ersten Anscheins für eine Sorgfaltspflichtverletzung des Linksabbiegers. Wegen der besonderen Sorgfaltspflichten des Linksabbiegers haftet dieser im Falle einer Kollision mit einem ordnungsgemäß überholenden Kfz grundsätzlich allein, wobei die Betriebsgefahr des Überholers zurücktritt.

OLG Hamm v. 23.02.2006:

Der Grundsatz, dass gegen den Linksabbieger der Anscheinsbeweis spricht, kann jedenfalls dann nicht in dieser Allgemeinheit gelten, wenn zuvor der Überholer dem Linksabbieger nicht unmittelbar gefolgt war, sondern eine kleine Kolonne überholt und dann mit dem abbiegenden Spitzenfahrzeug zusammenstößt.