Moin,
das kann man nicht pauschal beantworten. Eine Amputation ist per se die letzte Option, wenn alle anderen Möglichkeiten versagen. Vorher gibt es aber eine Reihe von Versorgungsmöglichkeiten, um extremitätenerhaltend zu rekonstruieren.
Im "einfacheren" Fall ist der Knochen in mehreren Fragmenten gebrochen, die Weichteile drum herum allerdings intakt. In dem Fall kann man den Bruch, je nachdem, wo die Fraktur gelegen ist, z.B. mit einer oder mehreren Platten verschrauben. Man kann auch einen Fixateur externe anlegen, insbesondere als ersten Notfalleingriff, um die OP-Zeit unmittelbar nach dem Unfall so kurz wie möglich zu halten. Üblicherweise wird der Fixateur nach einigen Tagen bis Wochen in einer zweiten OP demontiert und eine interne Versorgung, z.B. die o.g. Platten, durchgeführt, man kann den Fixateur aber auch als definitive Therapie bis zur knöchernen Ausheilung belassen.
Bei ausgedehnten Frakturen sind die Weichteile meist mitbetroffen und geschädigt. In diesem Fall müssen die Weichteile unbedingt mitversorgt werden, weil das unmittelbaren Einfluss auf die Frakturheilung hat.
Wenn Fraktur so ausgeprägt ist, dass die ursprüngliche Knochenlänge nicht wieder erreicht werden kann, bieten sich wieder mehrere Optionen. Man kann z.B. eine Verkürzung in Kauf nehmen. Man kann nach Ausheilung eine Korrektur-OP im Sinne einer Verlängerungsosteotomie vornehmen, um die ursprüngliche Länge wiederherzustellen. Man kann Fremdmaterial wie Bioglas oder Knochenzement als Füllmaterial verwenden oder das Masquelet-Verfahren anwenden.
Bei Versagen dieser Therapie bleibt noch der endoprothetische Knochenersatz. Hierbei werden vor allem Tumorprothesen wie die MUTARS-Prothese verwendet. Hiermit können ganze Knochen inkl. der angrenzenden Gelenke ersetzt werden.
Wie du siehst, hat man als Unfallchirurg einige Möglichkeiten im Köcher. Welche der Möglichkeiten gewählt wird, hängt vom Patienten ab. Ein älterer Mensch, der weniger Funktionsanspruch hat, wird eher endoprothetisch versorgt als ein jüngerer Mensch. Hier würde man einen rekonstruktiven Ansatz wählen. Der Patient muss die Operation aber auch gut überstehen und eine entsprechend gute Prognose haben, sonst können solche ausgedehnten Eingriffe auch zu gefährlich sein.
Am Ende kann natürlich auch eine Amputation stehen. Das ist vor allem dann der Fall, wenn die Prognose zu ungewiss, der Patient zu instabil und die rekonstruktive Versorgung aussichtslos ist. Am häufigsten wird allerdings aufgrund von Weichteilschäden amputiert. Eine schwere Fraktur führt allein schon aufgrund des Traumamechanismus unweigerlich zu schweren Gewebsverletzungen. Es können Blutgefäße verletzt sein und die Extremität in der Folge mangelhaft durchblutet sein, es kann zum Kompartmentsyndrom kommen, es kann bei ausgedehnten offenen Frakturen zu Weichteilinfektionen kommen und so weiter. Wenn bspw. Infektionen nicht mehr in den Griff zu bekommen sind oder der Gefäßchirurg die Blutversorgung nicht wiederherstellen kann, bleibt u.U. nur noch die Amputation, um das Leben zu retten. Das ist nicht schön, aber manchmal unumgänglich.
Es gibt also keine klare Ja-oder-Nein-Antwort. Am Ende muss man jeden Fall einzeln betrachten und bewerten.
Hast du sonst noch Fragen dazu oder ist damit alles geklärt?
Lieben Gruß