Hier müssen ein paar Begriffe klargerückt werden.
Mit dem deutschen Ausdruck Vulgärlatein (von vulgus = dem Volke zugehörig) ist eigentlich das Volkslatein gemeint: das gesprochene Latein. In anderen Sprachen wird vulgar in diesem Zusammenhang dem Volke zugeordnet und nicht als "vulgär" (einfältig, ordinär) interpretiert.
Ob nun die iberische Halbinsel i-spn-ya (phönizisch), Hispania (römisch), Spania (westgotisch) oder España (spanisch) heißt, ist auch nicht der Punkt, denn es ist grob das gleiche Land, es ist die gleiche Bevölkerung, sehen wir von Portugal ab, das sich ja später abspaltete.
Insgesamt war Latein über einen Zeitraum von etwa 1500 Jahren Amtssprache: Gesprochen wurde dort bzw. überall im römischen Reich das Volkslatein. Aus diesem wurde das klassische Latein abgeleitet. Das Volkslatein (gesprochenes Latein) wurde nicht niedergeschrieben. Man kann es über viele Jahrhunderte nur sehr vereinzelt, z. B. auf Grabinschriften, finden. Dennoch sprachen alle dieses Volkslatein, auch Dichter und Beamte.
411 fielen die Westgoten in Spanien (Hispania, Spania) ein, was mit Plünderungen einherging. Es ging kulturell und militärisch bergab. Unter den Römern war Hispanien ein Verbund, praktisch ein eigener Staat, auch wenn von Rom abhängig, aber weitgehend autonom geleitet. Unter den Westgoten zerfiel HIspania in unzählige kleine Fürstentümer und Königreiche, die miteinander verstritten waren.
Klassisches Latein wurde zwar allgemeinsprachlich weiterhin gelehrt, aber in der Primarstufe nun ohne jegliche Grammatik. So wurde die Entwicklung beschleunigt und das Volkslatein wich immer stärker vom klassischen Latein ab. Als es dann auch in der Verwaltung oder Klöstern niedergeschrieben wurde, benötigte man für dieses Latein einen eigenen Namen, da es vom klassischen abwich: Romanisch.
711 fielen die Muslime in Spanien ein. Bei einer der unzähligen Streitereien zwischen den nun herrschenden, germanischstämmigen Westgoten, nutzten sie die Gunst der Stunde, als König Roderich seine Truppen im Norden versammelte, um die aufsässigen Basken zu bekämpfen.
Fast ganz Spanien wurde von den Muslimen vom Süden her überrannt und besetzt. Nur im äußersten Norden (kantabrisches Gebirge) und Nordosten (Pyrenäen) konnten die Spanier sich halten und von dort fingen sie die Rückeroberung an, gewannen die ersten Schlachten der Reconquista. Alles südlich davon, fast die ganze iberische Halbinsel, wurde Al-Andalus genannt, der christliche Teil dagegen weiterhin Spanien.
Eine Region war besonders wichtig: die Verbindung zwischen dem Norden und dem Nordosten), die zunächst voneinander abgeschnitten waren. Diese Verbindung wurde mit Burgen und Festungen gesichert und von nun an Kastilien (von castillo, Burg) genannt. Dort mischten sich verschiedene romanische Dialekte und von dort aus gelangen auch die ersten großen Fortschritte in der Reconquista. Es entstand der kastilische Dialekt des Romanischen, der zur Behelfssprache Spaniens wurde und später Kastilisch und viel später noch Spanisch genannt wurde.
Mitte des 11. Jahrhunderts galt Kastilisch dann bereits als Sprache, es wurde Mitte des 13. Jahrhunderts reformiert und wurde als Amtssprache eingeführt. Es dauerte aber bis Ende des 15. Jahrhunderts, bis Spanien vollständig zurückerobert wurde. Das fiel auf das Jahr, in dem Amerika entdeckt wurde und von da an nannte sich Kastilisch auch Spanisch.