Die Frage trieft ja förmlich vor Empathie … nicht.
Man kann sich über vieles Gedanken machen, aber wer hinter dem Sammeln von Pfandflaschen gleich eine Persönlichkeitsstörung vermutet oder das als Rentnerbeschäftigung abtut, verkennt wohl die Realität, die viele Menschen in diesem Land täglich erleben – besonders am unteren Rand der Einkommensskala.
Pfandsammeln ist in den meisten Fällen keine “Leidenschaft”, sondern Ausdruck von Armut. Punkt. Das betrifft Menschen mit Grundsicherung, Mini-Renten, Obdachlosigkeit oder einfach solche, die mit Bürgergeld nicht über die Runden kommen – trotz Tafeln, Suppenküchen und Rabattaktionen.
Wer sich auf dem Bahnsteig mit fünf anderen um eine Dose streitet, macht das nicht aus Jux. Und dass einige regelmäßig Routen ablaufen und “mehrmals kontrollieren”, liegt nicht an übersteigerter Kontrollsucht, sondern daran, dass ein paar Cent Unterschied am Ende des Tages die warme Mahlzeit bedeuten können – oder eben nicht.
Zur psychischen Gesundheit: Dass Armut krank macht, ist kein Geheimnis. Dass soziale Ausgrenzung, Scham, Hoffnungslosigkeit und ständige Existenzängste auf die Psyche schlagen, auch nicht. Aber “Flaschensammeln als Versuch, sich unentbehrlich zu machen”? Das klingt eher nach einer Projektion derer, die sich selbst gern in ihrer sozialen Überlegenheit sonnen.
Und was sagt das Koalitionspapier dazu? Gar nichts. Nicht zu Flaschensammlern. Nicht zu deren psychischer Belastung. Weil Armut in Deutschland lieber verwaltet als verhindert wird. Es wird über Bürgergeld gesprochen, über Mitwirkungspflichten, über Sanktionen – aber nicht über Menschen, die im Müll nach Verwertbarem suchen müssen.
Vielleicht wäre der ehrlichere Titel der Forenfrage gewesen:
“Wie schaffe ich es, meine eigene Abgehobenheit mit ein bisschen Pseudo-Soziologie zu tarnen?”
Aber gut – wenigstens wird jetzt im Koalitionsvertrag über Kindergrundsicherung und Wohnungslosigkeit geredet. Vielleicht kommt der Pfand ja auch noch irgendwann dran.