Ich zitiere zur Antwort mal Augustinus:
"Oft genug kommt es vor, dass auch ein Nichtchrist ein ganz sicheres Wissen durch Vernunft und Erfahrung erworben hat, mit dem er etwas über die Erde und den Himmel, über Lauf und Umlauf, Größe und Abstand der Gestirne, über bestimmte Sonnen- und Mondfinsternisse, über die Umläufe der Jahre und Zeiten, über die Natur der Lebewesen, Sträucher, Steine und dergleichen zu sagen hat. Nichts ist nun peinlicher, gefährlicher und am schärfsten zu verwerfen, als wenn ein Christ mit Berufung auf die christlichen Schriften zu einem Ungläubigen über diese Dinge Behauptungen aufstellt, die falsch sind, und, wie man sagt, den Himmel auf den Kopf stellen, so dass der andere kaum sein Lachen zurückhalten kann. Dass ein solcher Ignorant Spott erntet, ist nicht das Schlimmste, sondern dass geglaubt wird, unsere Autoren hätte so etwas gedacht." (aus: Aurelius Augustinus: Über den Wortlaut der Genesis)
Oder noch in eigenen Worten:
Die Bibel ist kein naturwissenschaftliches Lehrbuch. Wenn etwa der Psalmist in Psalm 148 die Wasser oberhalb der Wasser des Himmels aufruft, Gott zu preisen, dann bedeutet dies definitiv nicht, dass das Weltall ein riesiger Ozean wäre. Wenn in Psalm 2 Gottes Herrschaft bis an die Enden der Erde gelobt wird, dann müssen wir nicht befürchten, irgendwo von der Erdkugel runterzufallen.
Wer mit der Bibel gegen klar evidente naturwissenschaftliche Tatsachen, wie die Kugelgestalt der Erde argumentiert, der übersieht ebendies: Die Autoren der Bibel haben in ihrem Weltbild über Gott geschrieben und Gott gelobt.
Überdies war ab dem 6. Jahrhundert vor Christus die Kugelform der Erde anerkannte Theorie, im 2. Jahrhundert vor Christus maß Ptolemäus die Größe der Kugelerde aus und bewies sie damit gleichzeitig. Auch in der Urgemeinde der Christen war eine kugelförmige Erde das anerkannte Weltbild.
Lediglich einige kleine christliche Autoren (z.B. Lactanitus) vertraten die Ansicht, die Erde sei keine Kugel. Diese hatten jedoch keine Bedeutung in der frühen Kirche und wurden erst im Zuge des Humanismus bekannt.
Durch das gesamte Mittelalter hinweg vertraten Naturwissenschaftler, Theologen und solche, die beide Professionen ausübten die Überzeugung, dass die Erde eine Kugel ist. So erklärte etwa Thomas von Aquin: "Astrologus demonstrat terram esse rotundam per eclipsim solis et lunae" (der Sternenkundige beweist durch Sonnen- und Mondfinsternis, dass die Erde rund ist).
Dass die Kirche jemals eine flache Erde vertreten habe, ist quatsch, auch nicht unter Berufung auf die Bibel. Dieser Mythos kam erst in der Neuzeit auf, als sich neuzeitliche Naturwissenschaftler von einem mittelalterlichen Weltbild abgrenzen wollten, und damit gleichzeitig eine Abgrenzung von der Kirche deutlich machen wollten. Dass er sich bis heute gehalten hat, ist erstaunlich.