wieweit können wir dem trauen, was wir mit unseren sinnen wahrnehmen?
In welchem maße dürfen wir unseren sinnen trauen können wir uns darauf verlassen, dass sie uns ein verlässlichevs bild der welt um uns herum liefern?
13 Antworten
Was wäre denn, wenn dem nicht so wäre? Hättest Du eine Möglichkeit es herauszufinden? Demzufolge wäre ja alles, was Du wahrnimmst, nicht-existent, ohne dass Du eine Chance hättest, dies rauszufinden.
Wir können uns ja auch wieder vorstellen, Gehirne in einem Wassertank zu sein. Alles was wir wissen oder meinen zu wissen und zu erleben, hätte dann nie stattgefunden. Würde dann weiteres Forschen unter solchen Umständen Sinn machen? Wir könnten solche Dinge nicht herausfinden oder beweisen, von daher ist es am besten, erst gar nicht solche Hypothesen aufzustellen und man sollte davon ausgehen, dass alles real ist und auch wirklich genauso Abläuft wie wir es wahrnehmen. Sonst könnte man getrost auch alle physikalischen Gesetze und Theorien verwerfen, da sie nur Hirngespinste wären.
Unsere Wahrnehmung ist das, was unser Geist aus den uns erreichenden Signalen macht. Deshalb können wir unseren Wahrnehmungen nur insoweit vertrauen, wie wir uns selbst vertrauen. Es ist also ein geschlossener Kreis.
Zu bedenken ist, daß wir immer deshalb etwas für wahr halten, weil wir ganz fest glauben, daß etwas wahr wäre. Dadurch ist das Werkzeug "Glauben" in unseren Wahrnehmungsfunktionen dominierend, oder anders ausgedrückt, unsere Welt und das von uns Wahrgenommene ist geglaubt und dann mit stimmig machenden Argumenten ummäntelt, von denen wir "glauben", daß sie logisch sind, damit wir uns selbst befähigen, ein Geschehen für wahr zu halten.
Restlose theoretische Gewißheit ist nicht erreichbar. Menschen erhalten durch die Sinneswahrnehmung keine genaue, unfehlbare und vollständige Information, wie die Welt um sie herum (die Außenwelt) tatsächlich ist. Die Sinneswahrnehmung ist nicht einfach ein getreues, objektives Abbild der Außenwelt selbst, von Dingen, wie sie an sich sind. Eine Widerspiegelung hängt von der Beschaffenheit des Spiegels ab. Sie ist nicht unbedingt völlig der Realität entsprechend.
Für die Lebenspraxis können wir den Sinnen soweit vertrauen, uns im Normalfall ein Bild der Welt zu liefern, das für eine Orientierung weitgehend eine brauchbare Grundlage darstellt. Eine Ausnahme z. B. sind physiologische Defekte der Sinnesorgane von Individuen.
Immerhin hat anscheinend die Sinnesausstattung der Gattung Mensch ausgereicht, um nicht aufgrund völlig unzuverlässiger, zur Realität durch und durch in Gegensatz stehender Bilder der Außenwelt auszusterben. Dies spricht dafür, daß die Funktionsweise der Sinne nicht grundsätzlich völlig von einer Realität abweichende Sinnesdaten liefert.
Eine unmittelbare Gegebenheit der Außenwelt durch Sinneseindrücke ist nicht zutreffend. Ein solcher erkenntnistheoretischer Standpunkt (die Außenwelt ist genau so, wie sie wahrgenommen wird) kann, wenn sie ohne Nachdenken über Möglichkeiten und Grenzen der Erkenntnis auftritt, als naiver Realismus bezeichnet werden. Dieser nimmt die Existenz einer vom Geist/Verstand/Bewußtsein unabhängigen Außenwelt an und meint, die Dinge seien genau so, wie sie wahrgenommen werden. Die Erkennbarkeit der Dinge, wie sie wirklich sind, wird uneingeschränkt vorausgesetzt. Der naive Realismus sagt: „Es gibt eine reale Welt; sie ist so beschaffen, wie wir sie wahrnehmen.”
Dies ist eine Einstellung, bei der eine kritisch-erkenntnistheoretische Reflexion unterbleibt und die Inhalte der Wahrnehmung und das Ansichsein des Wahrgenommenen identifiziert bzw. genauer ausgedrückt in unbefragter Selbstverständlichkeit als Einheit verbunden werden.
Diese implizite (nicht reflektierte) erkenntnistheorische Annahme scheitert an dem Auftreten von Sinnestäuschungen und der nicht abstreitbaren Rolle des Denkens beim Erkennen. Eine rein objektive Wahrnehmung ist nicht möglich:
a) Die Sinneswahrnehmung ist keine völlig zuverlässige Gewähr für die Realität. Etwas ist nicht unbedingt so, wie es zu sein scheint.
b) Wahrnehmung ist kein rein passives Geschehen, bei dem die Gegenstände unmittelbar ein getreues Abbild schaffen. Beim Wahrnehmen gibt es ein aktives Erfassen durch das Subjekt. Dieses hat auch eine Denkweise, mit der es deutet, trägt Formen der Anschauung in sich, die der Erfahrung vorausgehen.
c) Die Sinneswahrnehmung vergegenwärtigt nicht einfach immer genau eine Sacheinheit und diese ganz, sondern es ist in bestimmten Fällen dafür erst eine Erschließung durch begriffliches Denken nötig. Die Sinneswahrnehmung kann etwas an Einzeldingen erfassen, aber sie neigt zu unmittelbarer Verallgemeinerung.
Dagegen kann eine eingeschränkte Variante (kritischer Realismus) der Aussagen mit Argumenten vertreten und mit Erfolgsaussichten verteidigt werden: Es gibt eine vom menschlichen Denken unabhängige Wirklichkeit und diese ist zumindest bis zu einem gewissen Grad erkennbar.
1) Wahrnehmung ist kaum völlig grundlos, die Sinnesdaten müssen auf irgendetwas zurückgehen.
2) Aus dem Umstand, unsere Wahrnehmung (Bild der Wirklichkeit)/Vorstellung/Erkenntnis geistig herzustellen (zu konstruieren) folgt nicht zwangsläufig, daß die Wirklichkeit, von der wir Wahrnehmung/Vorstellung/Erkenntnis haben, einfach nur vom Gehirn/menschlichen Geist geschaffen ist.
3) Die Annahme, die Wirklichkeit selbst sei vom Bewußtsein völlig abhängig oder es existiere keine andere Wirklichkeit als die subjektive Wirklichkeit, in der wir leben und die in gewisser Weise unser Konstrukt ist, ist kaum praktisch durchzuhalten. Dann sollte es doch möglich sein, sie formen zu können, ohne damit auf sehr große Schwierigkeiten zu stoßen. Aber die wahrgenommene Welt der Erfahrung fügt sich solchen Versuchen nicht einfach widerstandslos. Dies ist ein Anzeichen für ihre vom subjektiven Bewußtsein unabhängige Existenz und Eigengesetzlichkeit. Wer dies bestreitet, soll gegen eine Wand laufen und Schäden, Verletzungen und Schmerzen überzeugend für ein bloßes Konstrukt erklären. Auch ein dauerhaftes und vollständiges Ignorieren allen anderen Menschen, als ob sie nur Einbildungen seien, ist höchst schwierig. In der Praxis ist es hierbei günstiger, den Sinnen einigermaßen zu vertrauen.
Diese Position (eingeschränkter und nicht mehr unkritischer Realismus) kann auf Zustimmung des sogenannten gesunden Menschenverstandes („common sense“) rechnen.
Es gibt Unterschiede darin, wie die Welt sich Lebewesen darstellt. Diese liegen sowohl darin, was überhaupt an Einzelausschnitten von der Welt wahrgenommen wird, als auch darin, welchen Sinnesapparat ein Lebewesen besitzt, um durch Umwandlung Sinneseindrücke zu empfangen. Die Sinneswahrnehmung bezieht sich auf die Welt als Erscheinung. Es gibt Sinnesorgane, die Menschen nicht als natürliche Gaben haben (z. B. Echoortung durch Ultraschall). Durch Technik (z. B. Nachtsichtgeräte oder Infrarotkamera) kann es möglich sein, Zugang zu Bereichen der Erscheinungswelt zu bekommen. Sinnesorgane von Lebewesen sind unterschiedlich leistungsfähig, so können Menschen Gerüche nicht mit so feinem Geruchssinn wahrnehmen wie Hunde, denen Geruchserscheinungen in einem größeren Ausmaß zugänglich sind.
Bei der Sinneswahrnehmung können Schemata eine Rolle spielen. Etwas wird gar nicht vollständig in allen Einzelteilen wahrgenommen, aber nach einer Gewohnheit und von dem Hintergrund vertrauter Muster vervollständigt (wobei dies nicht immer und ganz zuverlässig der Realität entspricht).
Das Vertrauen kann durch Übereinstimmung mehrerer Sinne erhöht werden. Ein Sinn kann dazu beitragen, aus Sinnestäuschungen eines anderen Sinnes herauszukommen.
Bei einem in Wasser gehaltenen Stab entsteht der Anschein, der Stab sei dabei geknickt, entsteht bei der Sinneswahrnehmung des Sehens. Andere Sinneseindrücke stimmen mit diesem Anschein nicht überein. Das Wissen über den tatsächlichen Zustand des Stabes beruht auf Wahrnehmung, Erinnerung und Denken. Ein grundlegendes Denkgesetz, das verwendet wird, ist der Satz vom Widerspruch. Der Stab kann nicht zugleich in derselben Hinsicht geknickt und nicht geknickt sein.
Der Stab zeigt sich vorher und nachher außerhalb des Wassers nicht geknickt. Der Tastsinn stellt keinen Knick fest, wenn er im Wasser ist. Es fehlt eine ausreichende Erklärung, warum das Wasser die tatsächliche Form verändert. Auf der Grundlage von Beobachtungen und Experimenten kann ein physikalisches Gesetz entdeckt werden. Beim Übergang von einem optisch dünneren zu einem optisch dichteren Medium findet eine Brechung des Lichts statt.
Eine Auffassung, die alle Sinneseindrücke (nicht nur einen) zu einem schlüssigen Gesamtbild verbinden kann, ist vorzuziehen (Kohärenz als Argument).
Sinneswahrnehmung ist für das Vorliegen von Sinneseindrücken zuständig. Für eine Annäherung an die Beschaffenheit der Außenwelt werden die Sinne benötigt. In dieser Hinsicht gibt es keine Alternative als Ersatz, auf den wir uns stattdessen verlassen könnten. Wir können etwas mehrfach testen und probieren. Um zu Wissen zu gelangen, ist zusätzlich zur Wahrnehmung der Einsatz weiterer Erkenntnisvermögen (nicht nur bloße Erfahrung) als Ergänzung erforderlich (vor allem Verstand/Vernunft). Das urteilende und deutende Denken ist allerdings auch fehleranfällig.
Unser Weltbild setzt sich zusammen aus Sinneneindrücken und deren Interpretation. Was die Sinneneindrücke angeht, haben wir nichts anderes. Sie sind der Input. Aber der Input allein enthält keine Aussage, wie er zu werten sei (hat bereits David Hume festgestellt). Mit der Evolution haben Lebewesen nicht nur die Sinne mitbekommen, sondern auch bereits Standards einer überlebensfähigen Interpretation. Diese Standards liegen bereits vor unserem "denkenden Verstand". Diese Standards sind in der Evolution so für jedes Lebewesen aussortiert, dass es bis dahin überlebensfähig die Umwelt wahrnimmt und interpretiert. Eine Fledermaus, die im Unterschied zu vielen anderen Tieren (Mensch incl) die Wahrnehmung von Ultraschall hat, hat mit Sicherheit auch andere Standards der Interpretation.
Wie aber ist es z.B. mit optischer Täuschung? Wenn wir einen geraden Stock ins Wasser halten, sehen wir ihn gekrümmt. Wie ist das jedoch bei Tieren, die z.B. diese optische Täuschung durch Lichtbrechung auch haben müssten? Würde z.B. ein Eisvogel auf die optische Täuschung der Lichtbrechung hereinfallen, würde er nie einen Fisch fangen. Er lebt aber bereits länger von Fischen als es wahrscheinlich Menschen gibt! Der Mensch dagegen als Fischer mit der Harpune ist auch als Fischjäger bereits erfolgreich, bevor er die optische Täuschung ERKLÄREN konnte. Umgekehrt haben wir heute viele Erklärungen und Theorien, ohne dass uns die ganze Wissenschaft etwas nutzt. Wir verhalten uns trotzdem nicht viel anders als die Neandertaler.
Ich persönlich würden denen, die gegenüber unseren Sinnen kritisch sind, empfehlen, lieber etwas mehr gegenüber unseren Interpretationen kritisch zu sein. Denn immerhin hätte es dann nach Kant, Goethe und Schiller keinen Nationalsozialismus geben dürfen. Muss man dieses nationale Versagen nun auf das Versagen der Sinne schieben oder eher auf das Versagen der Interpretationen?
In einem praktischen Sinn, nicht in einem philosophischen. Praktisch kommst du mit dem, was du erfährst, relativ gut zurecht. Theoretisch aber trittst du damit in Wechselwirkung mit der Realität, d. h. du wirst mehr oder weniger zu einem Teil davon, denn je mehr Menschen sich an den Common sense halten, desto mehr helfen sie dabei mit, zumindest die gesellschaftliche Realität zu erzeugen, und je unperspektivischer sie das tun, desto flacher wird diese. Der Philosoph weiß dagegen, daß diese Wechselwirkung nicht nur auf gesellschaftlicher Ebene stattfindet, sondern sogar auf der 'physikalischen'. Das wissen inzwischen sogar die Quantenphysiker, indem sie von der Beobachterbedingtheit aller elementaren Vorgänge ausgehen. Schopenhauer hat dazu bereits ca. 100 Jahre früher gesagt:
Waren wir nun dem Materialismus, mit anschaulichen Vorstellungen, bis hierhin gefolgt, so werden wir... mit einem Male inne, daß sein letztes, so mühsam herbeigeführtes Resultat, das Erkennen, schon beim allerersten Ausgangspunkt, der bloßen Materie, als unumgängliche Bedingung vorausgesetzt war, und wir mit ihm zwar die Materie zu denken uns eingebildet, in der Tat aber nichts anderes als das die Materie vorstellende Subjekt, das sie sehende Auge, die sie fühlende Hand, den sie erkennenden Verstand gedacht hatten... Plötzlich zeigte sich das letzte Glied als der Anhaltspunkt, an welchem schon das erste hing, die Kette als Kreis; und der Materialismus gliche dem Freiherrn von Münchhausen, der, zu Pferde im Wasser schwimmend, mit den Beinen das Pferd, sich selbst aber an seinem nach vorne übergeschlagenen Zopf in die Höhe zieht. Demnach besteht die Grundabsurdität des Materialismus darin, daß er vom Objektiven ausgeht, ein Objektives zum letzten Erklärungsgrunde nimmt, sei nun dieses die Materie, in abstracto, wie sie nur gedacht wird, oder die schon in die Form eingegangene, empirisch gegebene, also der Stoff, etwa die chemischen Grundstoffe, nebst ihren nächsten Verbindungen. Dergleichen nimmt er als an sich und absolut existierend, um daraus die organische Natur und zuletzt das erkennende Subjekt hervorgehen zu lassen und diese dadurch vollständig zu erklären; - während in Wahrheit alles Objektive, schon als solches, durch das erkennende Subjekt, mit den Formen seines Erkennens, auf mannigfaltige Weise bedingt ist und sie zur Voraussetzung hat, mithin ganz verschwindet, wenn man das Subjekt wegdenkt. Der Materialismus ist also der Versuch, das uns unmittelbar Gegebene aus dem mittelbar Gegebenen zu erklären. Alles Objektive, Ausgedehnte, Wirkende, also alles Materielle, welches der Materialismus für ein so solides Fundament seiner Erklärungen hält, daß eine Zurückführung darauf... nichts zu wünschen übrig lassen könne, - alles dieses ist ein nur höchst mittelbar und bedingterweise Gegebenes, demnach nur relativ Vorhandenes: denn es ist durchgegangen durch die Maschinerie und Fabrikation des Gehirns und also eingegangen in deren Formen, Zeit, Raum und Kausalität, vermöge welcher allererst es sich darstellt als ausgedehnt im Raum und wirkend in der Zeit: aus einem solchermaßen Gegebenen will nun der Materialismus sogar das unmittelbar Gegebene, die Vorstellung (in der jenes alles dasteht), und am Ende gar den Willen erklären, aus welchem vielmehr alle jene Grundkräfte, welche sich am Leitfaden der Ursachen und daher gesetzmäßig äußern, in Wahrheit zu erklären sind. - Der Behauptung, daß das Erkennen Modifikation der Materie ist, stellt sich also immer mit gleichem Recht die umgekehrte entgegen, daß alle Materie nur Modifikation des Erkennens des Subjekts, als Vorstellung derselben, ist. Dennoch ist im Grunde das Ziel und das Ideal aller Naturwissenschaft ein völlig durchgeführter Materialismus. Daß wir nun diesen hier als offenbar unmöglich erkennen, bestätigt eine andere Wahrheit, die aus unserer ferneren Betrachtung sich ergeben wird, daß nämlich alle Wissenschaft im eigentlichen Sinne... nie ein letztes Ziel erreichen noch eine völlig genügende Erklärung geben kann; weil sie das innerste Wesen der Welt nie trifft, nie über die Vorstellung hinaus kann, vielmehr im Grunde nichts weiter, als das Verhältnis einer Vorstellung zur anderen kennen lehrt... (Arthur Schopenhauer: Die Welt als Wille und Vorstellung, Bd.1, § 7)
Im übrigen empfehle ich dazu folgenden Essay: