Wieviel ist am Pflegenotstand wahr?

6 Antworten

Ich arbeite in der Heilerziehungspfleg, habe aber auch schon im Krankenhaus und Altersheim gearbeitet.

Der Pflegenotstand ist real und nicht überdramatisiert. Wir sind teilweise für so viele Menschen gleichzeitig zuständig das man wirklich nicht weiß wie man sein Dienst schaffen soll. Wie müssen permanent die Entscheidung treffen was ist am wichtigsten. Das bedeutet Menschen sterben allein, auch wenn sie uns anbetteln das wir da bleiben. man kann keine Gespräche führen oder beistand leisten, Patienten müssen lange in ihren eigenen Exkrementen liegen da man 5 andere hat die ebenfalls voller Stuhlgang sind oder jemamd gestürzt ist, oder andere Notfälle dringender sind. Patienten müssen Einlagen (Windeln) tragen da man es zeitlich nicht schafft sie aufs Klo zu begleiten, usw usw.

Alleine für 10/20/30 Menschen je nach Pflegeaufwand zuständig zu sein ist unmenschlich uns und unseren Patienten gegenüber.

Pflegekräfte bleiben im Durchschnitt ca 3 Jahre nach Abschluss in dem Bereich da die Bedingungen so katastrophal sind. Alleine das sagt meiner Meinung nach schon wirklich alles drüber aus wie schlimm die Situation ist.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Ich Arbeite als Heilerziehungspflegerin

Meine Schwägerin ist Stationsleitung im Krankenhaus. Sie ist auf der Chirurgie, also wo auch Leute sind, die nicht selber Duschen oder auf Toilette können. Sie war letztens allein für 34 Patienten verantwortlich, weil einfach niemand anders verfügbar war. Sobald da Kollegen ausfallen wegen Schwangerschaften oder Krankheit, ist sie immer gestresst. Muss dann auch mehr Dienste machen. Ich denk nicht, dass sie übertreibt, ich glaub es ist wirklich stressig. Vor allem wenn da mehrere gleichzeitig zur Toilette müssen. Wie soll man das schaffen.

Das ist absolut nicht übertrieben. Es herrscht im Pflegebereich extremer Fachkräftemangel.

Ich komme zwar aus dem Rettungsdienst, bekomme dadurch aber den Mangel auch mit. In der Hälfte der Pflegeheime stehen ganze Stockwerke leer, weil kein Personal da ist. Wenn wir in den Ambulanzen jemanden abgeben, müssen wir regelmäßig bei anderen Patienten mitanpacken, weil mehr Hände gebraucht werden und keine da sind.

Immer häufiger werden wir auch zu Einsätzen in Pflegeeinrichtungen gerufen, wo das Problem seit Tagen besteht, nur keiner die Zeit hatte, es überhaupt zu bemerken. Es gibt so wenig Pfleger, dass diese keine Zeit mehr für ihre Bewohner haben. Manche Sachen fallen aber erst auf, wenn man Zeit mit ihnen verbringt. Wir reden hier von übersehenden Schlaganfällen, Thrombosen, Blutvergiftungen,... Es ist schon vorgekommen, dass uns beim Krankentransport ein Problem aufgefallen ist, das davor unbemerkt geblieben ist. Die Pflegekräfte haben einfach keine Zeit mehr, um ihren Job menschlich zu machen.

Wir sind zu Notfällen gerufen worden, da war niemand beim Betroffenen. Es sind so wenig Pflegekräfte da, dass keiner entbehrt werden konnte, um ihm beizustehen. Das ist mittlerweile keine Ausnahme mehr.

Eine Bekannte von mir arbeitet in der Pflege, sie berichtet immer wieder über katastrophale Zustände beim Personal, es sind zu viele die gepflegt werden müssen und zu wenig Personal dafür. Wenn alles ruhig ist, bekommt man seine Pflichten gerade so geschafft, wenn da nur ein Notfall dazu kommt, bleibt alles andere liegen.
wenn dann Leute wegen Krankheit oder sonst was ausfallen gibt es Überstunden ohne Ende, da interessiert dann auch die 10 Stunden Grenze am Tag nicht, man kann die Menschen ja auch nicht Wort wörtlich in der Scheisse sitzen lassen.


AnonymePinsa 
Beitragsersteller
 15.08.2024, 14:11

Ich kann einfach nicht begreifen, warum sich nichts ändert…

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ChrisVanLPH  15.08.2024, 14:13
@AnonymePinsa

Weil es die Politik nicht interessiert.
Pflegebedürftige Kosten Geld, das viel lieber wo anders investiert wird

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Ja, es ist schlimm. Aber - das gehört auch dazu gesagt - das Problem ist hausgemacht. Und es war schon lange schlimm, da hat es nur niemanden interessiert.

Befristete Verträge, fehlende Verlässlichkeit in der Dienstplanung, weil kaum Springer da waren, Teilzeitkräfte, die man als Springer zusätzlich missbraucht, chronische Unterbesetzung mit zu vielen Patienten pro Pfleger, hoher Dokumentationsaufwand, schlechte Digitalisierung usw.

Das kam alles nicht über Nacht. Wollte aber nie jemand wissen. Dafür hat man in den letzten vier Jahren viele gute Leute vergrault.

Man pumpt Abermilliarden in die Kassen dubioser Pharmafuzzis mit ihren vermeintlichen Wundermedikamemten, aber Pfleger einstellen, das will man lieber nicht, die kosten ja Geld.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung