Wieso sind die Meinungen über Religion so verdreht?
Hallo!
Ich werde mich nun auf das Christentum beziehen, da ich in meinem Bekanntenkreis hauptsächlich Christen und Atheisten habe und kaum etwas über persönliche Erfahrungen von Menschen anderer Religionen weiß.
Also, etwas, das mir aufgefallen ist (dazu zu mir als Person; ich bin u18, lese Bibel und bete, optimal täglich, würde mich jedoch noch nicht als Christin bezeichnen, aber was nicht ist, kann ja noch werden). Das ist davor passiert:
- Eine Freundin, mit der ich zusammen wohne, hat mitbekommen, dass ich begonnen habe, wieder Bibel zu lesen, und mich gefragt, ob ich denke, dass „das Christentum die Wahrheit“ sei. Ich hab „ja” gesagt ‒ und dass es sonst wohl kaum Sinn ergäbe, dass ich an Gott glaube. Daraufhin meinte sie, dass meine Sicht sehr westlich dominiert sei und diskriminierend gegenüber anderen Religionen wie dem Islam und dem Judentum, weil ich davon ausgehe, dass ich im Recht bin. Daraufhin hab ich gesagt, dass diese Religionen alle aus der gleichen Gegend stammen und dementsprechend nicht wirklich westlichen Ursprungs sind. Ihr ging es scheinbar aber eher um die Verbreitung. Auch hat sie kritisiert, dass ich manchmal viel Zeit für meinen Glauben aufbringe, und z. B. Bibel lese. Sie hat das kritisiert, da ich mich anscheinend zu intensiv damit beschäftige (15‒45 Minuten am Tag lol).
- Schon vor Längerem (2 Jahre her) hat mich jemand gefragt, wieso ich glaube, dass das Christentum und nicht das Judentum der richtige Weg sei, da Jesus ja Jude war. Ich hab (so gut ich es damals eben wusste), erklärt, dass Jesus die alten Gesetze erfüllt hat und man durch ihn gerettet wird, und Juden daran eben nicht glauben und ich deswegen denke, dass das Christentum stimmt. Daraufhin hat sie in meiner Klasse verbreitet, dass ich Antisemitin sei.
Solche Sachen fallen mir öfter auf; das bezieht sich sicher auch in gewisser Weise auf andere Religionen, aber, wie gesagt, ich beziehe mich auf Christen:
- Wenn man sich ernsthaft mit seinem Glauben auseinandersetzt, ist man fanatisch.
- Wenn man versucht, sich an Gottes Wort zu halten, ist man radikal.
- Wenn man glaubt, dass der eigene Glaube der Wahrheit entspricht (was für Glaube wohl essenziell ist), dann ist man nicht offen genug.
Versteht mich nicht falsch, aber es ergibt doch keinen Sinn, wenn man religiös ist und dann sagt, dass man jede Religion akzeptiert, geht damit doch einher, dass man etwas als wahr anerkennen muss, um es zu akzeptieren. Und damit würde man seinen eigenen Glauben verleugnen oder gar implizit zugestehen, dass es andere, genauso mächtige Götter gibt. Ich sage nicht, dass man Personen anderer Religionen nicht respektieren sollte. Aber ihre Religion zu akzeptieren, ist doch sinnfrei.
Das Gleiche mit Missionieren. Ich verstehe, dass Leute teils genervt sind oder nicht wollen, dass abgeschottete Stämme etc. missioniert werden. Aber aus rein religiöser Sicht ergibt das keinen Sinn. Christen glauben, dass man nur durch Jesus gerettet werden kann; man verlangt also von ihnen zuzusehen, wie andere Menschen, die sie lieben, verloren gehen, anstatt zu missionieren.
Teils bezieht sich das scheinbar auch nur auf Christen, da man z. B. für Ramadan fasten, fünfmal am Tag beten und Kopftuch tragen vor allem von liberalen bis sozialistischen Personen Akzeptanz erfährt. Aber wenn jemand in die Kirche geht oder die Bibel ernstnimmt, wird man von der gleichen Gruppe kritisiert.
Man verlangt von religiösen Menschen, ihre eigenen Glaubensansichten zu verleugnen, um Offenheit für andere zu erlangen. Da stimmt doch was nicht. Wieso ist das so? Habt ihr solche Erfahrungen gemacht?
14 Antworten
oder die Bibel ernstnimmt,
Das ist eine Wischiwaschi-Aussage wie "bibeltreu". Zeugen Jehovas nennen sich bibeltreu und nehmen die Bibel ernst, und evangelische Landeskirchen und Orthodoxe ebenfalls.
Nur die Auslegung ist eine andere und die Theologie unterscheidet sich drastisch. Die Bibel verurteilt nicht Sklaverei, heutige Christen schon. "Bibel ernst nimmt« ist inhaltlich also eine extrem dehnbare Phrase.
abgeschottete Stämme etc. missioniert werden.
Tausende von Jahren haben Millionen von Menschen vor Jesus gelebt. Und Jahrhunderte wusste auch nach Jesus niemand in Amerika etwas von Jesus.
Wenn das ein Problem für Jesus sein sollte, dann ist Jesus das Problem.
ist man fanatisch.
Unter christlichen Fanatismus versteht man:
„der Glaube an die absolute Irrtumslosigkeit der Bibel auf allen Gebieten (also nicht nur auf dem Gebiet der Religion, sondern auch in den Bereichen Geographie, Geschichte und Biologie)“.
https://de.wikipedia.org/wiki/Christlicher_Fundamentalismus
Das ist nicht dein »sich ernsthaft mit seinem Glauben auseinandersetzt«.
Christentum und nicht das Judentum der richtige Weg sei
Nach dem Holocaust sind die großen Kirchen in Deutschland von der Judenmission abgerückt:
Die Judenmission ist Bestandteil des christlichen Antijudaismus, von dem die Großkirchen seit dem Holocaust allmählich abgerückt sind. Ob und in welcher Form Judenmission danach fortgesetzt werden kann und soll, wird im Christentum seit etwa 1960 diskutiert.
Die Römisch-Katholische Kirche, der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK), die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und andere Kirchen vollzogen seitdem eine schrittweise Abkehr von der Judenmission.
Ich denke, dass die Antwort auf deine Frage nicht ganz so einfach und sehr vielschichtig ist. Das fängt mit der Tatsache an, dass wir wie du sagst von Glauben sprechen. Und eben keine Beweise haben. Ein Grund dafür, dass der Glaube in einer zunehmend von Wissenschaft geprägten Welt in den Hintergrund rückt. Ich selbst bin zwar getaufter Christ, muss aber sagen, dass ich mich mit der Kirche und dem Glauben zunehmend weniger identifizieren kann. Zumal ich noch deutlich zwischen Kirche und Glaube unterscheide. Aber viele Menschen hadern eben mit der Kirche, speziell in Hinsicht auf die vielen Skandale der letzten Jahre. Die verdrehten Meinungen, die du ansprichst, resultieren zudem meiner Meinung nach nicht nur in religiösen Aspekten, sondern sind auch gesellschaftlich und sogar politisch geprägt. Nimm den Vorwurf des Antisemitismus. Ein Begriff, der fast inflationär benutzt wird. Selbst konstruktive Kritik am Staatsgebilde Israels wird als Antisemitismus bezeichnet, obwohl es mit der eigentlichen Bedeutung des Wortes erstens nichts zu tun hat und eine Kritik kein Hass ist. Die geforderte Akzeptanz für Ramadan und Kopftuch ist natürlich eher eine gesellschaftliche als eine Glaubensfrage. Da geht es eher um gelebte Integration. Das mit dem Missionieren ist auch nicht so einfach. Beginnend damit, dass durch die Kolonialzeit der Begriff auch einen bitteren Beigeschmack hat, da man damit auch einen gewissen Zwang verbindet. Und auch wenn ich deine Argumentation verstehe, sage ich doch, dass man jedem seine Religion zugestehen sollte. Abschließend würde ich sagen, dass es eben nicht immer nur eine Frage des reinen Glaubens, sondern immer auch ein sehr vielschichtiges Gebilde ist.
Ich hatte mal die erstaunte Frage von einem Freund gestellt bekommen:
Freund: "Was du bist gläubig?" (als ich am Karfreitag nicht auf eine Party gehen wollte)
Ich: "Aber dass weißt du doch."
Freund: "Schon, aber ich dachte nur ein bisschen".
Viele Menschen sehen glauben nur in der Wortbedeutung von: für möglich halten, nicht aber als Tätigkeitswort oder als feste innere Überzeugung, die dem Wissen nahe kommt.
Bei manchen ist es ein Schutzreflex, man will sich damit nicht befassen, weil es einem Konsequenzen abverlangen würde. Zumindest die sich selbst zu reflektieren.
Lass dich von diesen Leuten nicht beirren, das kann ich dir nahelegen. Fanatismus und die Liebe zu bzw. Beziehung mit Gott ist etwas anderes und man kann Gott gar nicht genug Zeit seines Lebens einräumen. Und leider ist es auch so, dass wir für unsere Liebe zu Gott gehasst werden. Das war schon seit jeher so und Gott hat und das ja auch vorhergesagt.
Ich kann dich aber nur ermutigen, Gott hat die absolute Autorität über diesen Hass und diese Verdrehungen und Lügen und er steht da drüber. Es kann schwer sein, aber vertraue ihm, er steht an deiner Seite und hilft dir, über diese Aussagen hinwegzukommen❤
IIch möchte noch etwas zur Frage der Toleranz/Intoleranz anmerken. Als Christ glaube ich, dass dieser Glaube der Richtige ist. Aber dies bedeutet nicht, dass ich Juden oder Muslime n7chtbin ihrem Glauben akzeptieren kann.
Es wäre für alle sehr vorteilhaft, wenn sich diese drei Weltreligionen mehr miteinander austauschen würden, um Gemeinsamkeiten zu erkennen und Unterschiede stehen zu lassen. Dann könnten sie viel zu einer besseren Welt beitragen und in manchen Fragen mit einer Stimme sprechen.
Ich bin selbst Christ, muss aber oft an die Ringparabel in dem Stück Nathan der Weise von Lessing denken. Dort beschreibt wie NathanI, ein Muslim, den Ch4isten fragt, warum er seine Religion für die Richtige und nicht dss Judentum oder den Islam. Nathan antwortet zunächst, dass jeder ja in Kultur, eine Religion geboren wird.
Dann folgt die Parabel mit den Ringen. Ein Vater hatte nut einen Ring, der besonders angenehm bei Menschen etc. machen sollte. Er hatte aber 3 Söhne, die er liebte. Kurz vor seinem Tod ließ er jeden Sohn einzeln kommen und gab jedem einen Ring. Jeder Sohn dachte, er hat den echten. Die Ringe waren nicht zu unterschieden.So gingen sie zu einem Richter. Der 1ichter aber sagte: Ich habe gehört, der rechte Ring soll angenehm vor Menschen machen etc. . Ich kann Euch nur einen Rat geben: Die Wirkung des echten Ringes wird sich zeigen bei dem, bei dem sich diese Wirkung erfüllt. ( Im Original zu finden unter Ringgparabelmim Internet)."
Das heisst übertragen, der rechte Glaube zeigt sich im Handeln im Umgang mit Menschen auch im Alltäglichen,bin der Schulem bei der Arbeit etc. Natürlich sind Gebete auch hilfreich. Das hat nichts damit zu tun, seinen Glauben für den richtigen zu halten, sondern damit wie ich, wie ein Jude und ein Muslim den Glaubn lebt, also aus dieser Haltung heraus ohne sich dabei zu überfordern.
Und da zeigt sich dann, wer was von seinem Glauben verstanden und umsetzen kann durchaus f anderen Menschen, unabhängig von Glaube, Religion, Rasse und Kultur zb. weiterhelfen kann.