Wieso kann Macht bei Aristoteles kein höchstes Gut bzw. höchstes Ziel sein?

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Aristoteles, Nikomachische Ethik 1, 3 und 1, 5 erörtert zu mehreren Dingen, ob sie das höchste Gut (griechisch: ἀγαθόν [agathon]) bzw. das höchste Ziel (griechisch: τέλος [telos]) im Bereich des Handelns sein können, und vertritt die Auffassung, Glück (griechisch: εὐδαιμονία [eudaimonia]) - gemeint ist gutes Leben und Wphlergehen - sei das gesuchte höchste Gut bzw. höchste Ziel.

Dinge, bei denen er verneint, das gesuchte höchste Gut bzw. höchste Ziel zu sein, sind unter anderem Ruhm/Ehre (griechisch: τιμή [time]) und Reichtum.

Gegen Ruhm/Ehre wendet Aristoteles unter anderem ein, dafür etwas zu oberflächlich zu sein. Beim höchsten Gut wird an etwas gedacht, das Menschen innerlich zu eigen ist und nicht leicht verlorengeht.

Gegen Ruhm/Ehre wendet Aristoteles ein, eine Ausrichtung der Lebensweise auf Gelderwerb als höchstes Ziel sei unnatürlich und stelle sich unter einen Zwang. Reichtum sei nur für die Verwendung da und also ein Mittel zum Zweck.

Für Glück als gesuchtes höchstes Gut bzw. höchstes Ziel bringt Aristoteles das Argument, Glück werde immer und um seiner selbst willen gewollt, niemals um etwas anderen willen. Als weiteres Argument nennt Aristoteles die Selbstgenügsamkeit (Autarkie) des vollendet Guten. Glück ist etwas, das für sich allein das Leben erstrebenswert macht und keines weiteren bedarf. Glück wird nicht durch Hinzufügung von etwas anderem noch mehr wählenswert.

Gegen Macht als gesuchtes höchstes Gut bzw. höchstes Ziel könnte ebenfalls eingewendet werden, Menschen nicht innerlich zu eigen zu sein und sich unter einen Zwang zu Machtkämpfen zu stellen. Vor allem kann grundsätzlich verneint werden, Macht stehe an der Spitze der Ziele. Denn in einem Mittel-Zweck-Verhältnis ist Macht auch ein Mittel, das anderen Zwecken dient (z. B. Bereicherung, Mittel zur Lustverschaffung erwerben, Ruhm/Ansehen gewinnen; als Ziel wird letzlich immer Glück erstrebt). Macht wird nicht allein um ihrer selbst willen erstrebt. Und Macht ist nichts, das für sich allein das Leben erstrebenswert macht und keines weiteren Gutes bedarf. Große Macht führt nicht zwangsläufig zu ebenso großem Glück. Macht kann durch Hinfügung von Glück in dem Ausmaß eines wählenwerten Lebens gesteigert werden.

Aristoteles, Nikomachische Ethik 1, 8 unterscheidet äußere Güter, seelische Güter und leibliche Güter. Seelische Güter gelten als die wichtigsten Güter und Güter in einem vollkommenenn Sinn. Es könnte also gegen Macht auch eingewendet, ein äußeres Gut und kein Gut in einem vollkommenem Sinn zu sein. 


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Beitragsersteller
 29.04.2020, 23:01

Hallo Albrecht, ich danke dir vielmals für deine ausführliche Antwort und möchte mich bei dir für meine verspätete Rückmeldung entschuldigen. Die Antwort habe ich leider nicht mehr gesehen, bevor ich meine Klausur geschrieben habe und war seitdem auch nicht mehr aktiv auf dieser Plattform, es ist aber ohne Zweifel eine höchst interessante Thematik und ich bin sehr dankbar, dass du dir Die Zeit genommen hast meine Frage zu beantworten:)

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