Wieso ist die freie Standardbildungsenthalpie für Elemente = 0?
Die Formel für die Gibbs-Energie lautet ja G = H - T*S
die Standardbildungsenthalpie für Elemente ist gleich 0 gesetzt, die Standardbildungsentropie jedoch nicht (laut meiner Formelsammlung). die freie Standardbildungsenthalpie in meiner Formelsammlung für Elemente ist jedoch auch null. wie kann das sein? Für iOS bspw. gilt: H = 0, G = 0, S = 116. Müsste das unter Standardtemp dann nicht laut Formel ein negatives G ergeben (G = 0 - T(standard)*116 < 0)?
Hoffe ich habe meine Frage verständlich ausgedrückt, würde mich riesig über eine Antwort freuen!
2 Antworten
Deine Frage ist etwas konfus gestellt. Ich vermute, daß Du folgendes fragen willst:
Um Reaktionsenthalpien oder -entropien zu berechnen, greift man ja auf Tabellenwerte zurück. Diese Tabellen geben Standardbildungsenthalpien Δ fHᵒ und freie Standardbildungsenthalpien Δ fGᵒ an; beide haben ihren Nullpunkt bei den Elementphasen. Außerdem stehen dort irgendwelche Entropien Sᵒ, und die sind für die Elemente ≠0. Warum ist das so, und wie paßt das zur Gleichung G=H−TS?
Dazu muß man als erstes einmal verstehen, was die Größen H und G (auch E und U) (die sog. „thermodynamischen Potentiale“) eigentlich sind. Es sind energieartige Zustandsgrößen, d.h., sie erfüllen den Heßschen Stufensatz und hängen nur von Anfangs-und Endzustand eines Prozesses ab, nicht vom Weg. Das heißt aber auch, daß sie prinzipiell nicht meßbar sind; man kann nicht sagen, daß irgendeinen Zustand (z.B. 1 mol Al₂O₃) eine Enthalpie von blabla habe, sondern man kann nur sagen, daß bei der Zustandsänderung 2 mol Al + 1½ mol O₂ ⟶ 1 mol Al₂O₃ ein Enthalpieumsatz von −1676 kJ auftritt. Man kann auch sagen, daß Al₂O₃ eine Enthalpie von −1676 kJ/mol relativ zu den Elementen habe.
Es gibt also keine absoluten Enthalpien (etc), sondern nur relative. Um Tabellen zu machen, muß man sich willkürlich einen Nullpunkt suchen. In verschiedenen Feldern der Chemie werden verschiedene Nullpunkte benutzt, aber der einzige, der Dir in der Schule (und in frühen Phasen des Studiums) unterkommen wird, sind die Standardbildungsenthalpien. Die wählen den Nullpunkt beim Element (in der bei 25 °C stabilsten Form, außer beim P). Aber egal, wie der Nullpunkt gewählt ist, man bekommt die Reaktionsenthalpien durch simple Differenzbildung (mal stöchiometrische Koeffizienten, natürlich)
Bei der Entropie ist es anders, denn die hat einen absoluten Nullpunkt, nämlich perfekte Ordnung in einem fehlerlosen Kristall bei Null Molekülbewegung, also 0 K; für reale Materialien gilt dann die Boltzmann-Formel S°=k⋅lnΩ, wobei Ω die kombinatorische Zahl der „Anordnungsmöglichkeiten“ ist. Die Details sind etwas verzwickt, aber für einen perfekten Kristall bei 0 K gilt offenbar Ω=1, weil man den nur auf eine einzige Art bauen kann, daher stimmt die Gleichung (ln(1)=0).
Diese absoluten Entropien sind das Liebkind aller Theoretiker, weil sie sich aus der Kenntnis der Struktur (incl. thermischer Bewegung) eines Stoffes direkt berechnen lassen; leider lassen sie sich auch nicht wirklich messen, da ein Experiment wie bei den thermodynamischen Potentialen nur Differenzen sehen kann. Wenn man kein Theoretiker ist und sich nur für Differenzen interessiert, dann kann man also wieder den Nullpunkt frei wählen, z.B. mit Standardbildungsentropien, die für die Elemente Null ist. Die meisten Tabellen geben aber trotzdem die absoluten Entropien an, weil da eine Spur mehr Information drinsteckt und es den Anwendern in der Regel ja egal ist, welche Zahlen sie zur Differenzbildung heranziehen.
Damit haben wir also einmal eine Antwort auf den größeren Teil der Frage: Die Tabellen geben H, G etc. notwendigerweise mit einem willkürlichen Nullpunkt (den Elementen) an; das heißt dann „Standardbildungethalie“ etc. Bei der Entropie wäre das zwar auch möglich, aber weil es da einen theoretisch fundierten Nullpunkt gibt (nämlich 0 K), wird meistens der genommen („absolute Entropie“).
Wie das mit der Gibbs–Helmholtz-Formel G=H−TS zusammenhängt, sieht man am besten, wenn man ein x-beliebiges Beispiel durchrechnet. Die Zahlen sind von Wikipedia; dort habe ich aber kein Sᵒ(O₂) gefunden, also habe ich mir diese Zahl vom NIST geklaut.
Al₂S₃ + 4½ O₂ ⟶ Al₂O₃ + 3 SO₂
Al₂S₃: Sᵒ=116.9 J mol⁻¹ K⁻¹, ΔfHᵒ=−724 kJ/mol
O₂: Sᵒ=205.15 J mol⁻¹ K⁻¹
Al₂O₃: Sᵒ=50.92 J mol⁻¹ K⁻¹, ΔfHᵒ=−1675.7 kJ/mol
SO₂: Sᵒ=248.223 J mol⁻¹ K⁻¹, ΔfHᵒ=−296.81 kJ/mol
Daraus können wir sofort die molare Standardreaktionsenergie ΔrSᵒ=−244.5 J mol⁻¹ K⁻¹ ausrechnen und ebenso die molare Standardreaktionsenthalpie ΔrHᵒ=−1842 kJ/mol. Die freie molare Standardreaktionsenthalpie ist dann
ΔrGᵒ = ΔrHᵒ−T⋅ΔrSᵒ = −1769 kJ/mol
(und in Zukunft schreib ich wieder kurze Namen für das ganze ΔrXᵒ-Gedöns)
Wir können uns aber auch Bildungsentropien für die einzelnen Substanzen berechnen. Dazu brauchen wir noch Sᵒ(Al)=28.3 J mol⁻¹ K⁻¹ und Sᵒ(S)=32.054 J mol⁻¹ K⁻¹ (wieder beides von NIST). Die Bildungsentropie von Al₂S₃ ist dann natürlich
ΔfSᵒ(Al₂S₃) = Sᵒ(Al₂S₃) − 2⋅S⁰(Al) − 3⋅Sᵒ(S) = −35.862 J mol⁻¹ K⁻¹
und für die anderen Vögel funktioniert das ganz gleich. Mit dieser Bildungsentropie kann ich dann auch die freie Bildungsenthalpie des Al₂S₃ ausrechnen
ΔfGᵒ(Al₂S₃) = ΔfHᵒ(Al₂S₃) − T⋅ΔfSᵒ(Al₂S₃) = −713 kJ/mol
usw. für alle anderen Vögel.
Insgesamt erhält man dann eine konsistente Tabelle
- Die Reaktionsgrößen bekommst Du, indem Du entsprechend der Stöchiometrie spaltenweise die Einträge mal den stöchiometrischen Koeffizienten aufsummierst
- Die Bildungsentropien kriegst Du aus den absoluten Entropien der Substanz und der Elemente, wie oben für Al₂S₃ gezeigt
- Innerhalb jeder Zeile gilt G=H−TS für die Spalten 1–3 (also die Bildungsgrößen)
- Die Bildungsentropien und die absoluten Entropien geben dieselbe Reaktionsentropie. Deshalb braucht man die ΔfSᵒ-Spalte in der Praxis nicht, und deshalb wird sie auch so selten angegeben.

Standardbildungsenthalpie:
Man hat dem bei T = 298 K stabilsten Zustand der Elemente definitionsgemäß die Standardbildungsenthalpie 0 kJ/mol zugewiesen.
Entropie eines Systems:
Gibt ein System Wärme ab, dann verringert sich seine Entropie. Am absoluten Nullpunkt (T = 0 K) ist die Entropie S = 0 J/(K·mol), denn es gibt keinen Vorgang, der die Entropie dieses Systems weiter verringern könnte.
Super Antwort!