Themenspecial 21. November 2023
AMA: Sex, Lust & Liebe mit Julia Henchen Teil 2
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Wieso, denkst du, wird immer noch nicht über Asexualität aufgeklärt?

2 Antworten

An sich verstehe ich Dich sehr gut, weil es mir während meiner Schulzeit genauso erging.

Eine fundierte, seriöse und zuverlässige Aufklärung über Asexualität ist allerdings (noch) gar nicht möglich. Dazu fehlen einfach die wissenschaftlichen Erkenntnisse, welche öffentliche/staatliche Einrichtungen brauchen, um über eine Thematik aufklären bzw. unterrichten zu dürfen. Die heute geläufigen Definitionen der Asexualität beruhen jedoch lediglich auf kaum verlässliche subjektive Wahrnehmungen des eigenen Sexualverhaltens. Es darf daher auch zurecht als falsch angesehen werden, diese Definitionen als "allgemeingültig" darzustellen.

Solange es keine (aktuelleren) wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Asexualität gibt, definiere ich sie aus diesem Grund auch nach ihrer wörtlichen Bedeutung...

(a- entspricht nicht-/un-; also sexuelle Anziehung grundsätzlich gegenüber nichts und niemandem sowie gar kein Verlangen nach jedweden sexuellen Aktivitäten, weder mit anderen Menschen noch alleine);

...nicht weil ich zufälligerweise selber genauso empfinde. Die Asexualität sehe ich deshalb nicht als angebliches "Spektrum", sondern lediglich als ein Extrem am Ende eines Spektrums. Diese Spektrums-Definition halte ich deshalb für problematisch, weil sie nur dazu führt, dass exorbitant mehr Menschen glauben, asexuell zu sein, als es tatsächlich sind. Natürlich darf meinetwegen sich jeder Mensch bezeichnen, wie er will. Ich behalte mir allerdings genauso vor, bei einer seinerseits expliziteren Beschreibung seines Sexualverhaltens dessen selbstgewähltes Label gegebenenfalls infrage zu stellen. Bloß weil jemand etwa...

  • ...keine sexuellen Interaktionen wünscht,
  • ...sexuelle Interaktionen nur in engen Beziehungen möchte (demisexuell),
  • ...lediglich gegenüber (anderen) Menschen keine sexuelle Anziehung wahrnimmt (autosexuell, fiktosexuell, objektsexuell, zoosexuell)
  • ...keine Erwiderung der eigenen sexuellen Anziehung will (lithosexuell) oder...
  • ...sich - warum auch immer - nur selber befriedigt,...

...kann ich diese Person noch lange nicht als direkt asexuell betrachten. Im Gegenteil, Asexualität und jede Form von sexueller Aktivität schließen sich meines Erachtens genauso aus wie Atheismus und jede Form von Gott-/Götterglaube.

Egal wie man Asexualität letztlich aber definiert, ist eines sicher: Die Vermutung, ein Prozent der Gesamtbevölkerung sei asexuell, ist längst überholt. Legt man Asexualität als "Spektrum" aus, wonach sich dann eh so gut wie jeder "asexuell" nennen kann, wären bei weitem mehr als ein Prozent asexuell. Versteht man - wie ich - die Asexualität wörtlich/sinngemäß, dürften es nicht einmal halb so viele sein. Zumal Grundlage dieser Ein-Prozent-Mutmaßung sowieso nur die Ergebnisse zweier Jahrzehnte alten und nicht repräsentativen Umfragen in Großbritannien und den USA sind...

Liebe Grüße.


SakuraPeachie 
Beitragsersteller
 22.11.2023, 10:49

Es gab aber durchaus schon Studien über Asexualität, die belegen, dass sie eine sexuelle Orientierung ist und somit die vierte der "wichtigsten" Sexualitäten darstellt (mit "wichtigste" meine ich, dass jeder Mensch zumindest diese kennen sollte, also hetero-, homo-, bi- und Asexualität).

https://unipub.uni-graz.at/obvugrhs/content/titleinfo/8586569/full.pdf

https://www.aroace.ch/aro-ace-was-ist-das/studien/

Bloß weil jemand etwa...
...keine sexuellen Interaktionen wünscht,
...sexuelle Interaktionen nur in engen Beziehungen möchte (demisexuell),
...lediglich gegenüber (anderen) Menschen keine sexuelle Anziehung wahrnimmt (autosexuellfiktosexuellobjektsexuellzoosexuell)
...keine Erwiderung der eigenen sexuellen Anziehung will (lithosexuell) oder...
...sich - warum auch immer - nur selber befriedigt,...
...kann ich diese Person noch lange nicht als direkt asexuell betrachten.

Doch, eigentlich schon. Denn genau die aufgezählten Punkte, von mir aus mit Ausnahme des dritten und vierten, zählen zum Spektrum der Asexualität. Auch Demisexualität gehört zum Spektrum dazu. Und eben weil es ja ein Spektrum ist, kann man auch grey-asexuell sagen, wenn einem das mehr behagt.

Solange es keine (aktuelleren) wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Asexualität gibt, definiere ich sie aus diesem Grund auch nach ihrer wörtlichen Bedeutung...
(a- entspricht nicht-/un-; also sexuelle Anziehung grundsätzlich gegenüber nichts und niemandem sowie gar kein Verlangen nach jedweden sexuellen Aktivitäten, weder mit anderen Menschen noch alleine);

Eben das finde ich persönlich, genauso wie die meisten Asexuellen, unpassend. Meist ist das Hauptkriterium, dass eine asexuelle Person keine sexuelle Anziehung zu anderen Personen empfindet und daher von sich aus nicht mit ihnen schlafen will. Das ist auch die gängigste Definition.

Nur weil du selbst "komplett" asexuell bist, kannst du nicht andere Menschen vom Spektrum ausschließen. Dieses reicht nämlich von komplett Uninteressierten (an allem, was mit Sex zu tun hat), bis hin zu Menschen, die durchaus Sex haben, aber nur dem Partner zuliebe oder nur sehr selten.

xMatzi  22.11.2023, 18:17
@SakuraPeachie
Es gab aber durchaus schon Studien über Asexualität, die belegen, dass sie eine sexuelle Orientierung ist [...]

Dann kannst Du aussagekräftige Studien doch sicherlich auch angeben.

Und eben weil es ja ein Spektrum ist [...]

Nein! Ein "Spektrum der Asexualität", "asexuelles Spektrum" oder wie auch immer gibt es nicht! Wer grundsätzlich zum Empfinden sexueller Anziehung sowie sexuellen Verlangens bzw. eines Gefallens daran imstande ist - wenn auch nur "wenig", "manchmal", "unter bestimmten Umständen", "mit anderen nie, aber alleine sehr gerne" etc., erfüllt die Definition der Allosexualität und ist deshalb auch das exakte Gegenteil der Asexualität. Ob man sich "asexuell" nennt, weil man so tut, als wäre es ein "Spektrum", in das auch Labels wie demisexuell, grey-(a)sexuell oder lithosexuell fallen, ist mir an sich egal. Faktisch ist man dann aber nicht asexuell. Daher muss ich andere Leute auch gar nicht aus der Asexualität ausschließen; das macht der Begriff schon selber.

Eben das finde ich persönlich, genauso wie die meisten Asexuellen, unpassend.

Das ist aber eben die eigentliche und korrekte Bedeutung eines Wortes mit der Vorsilbe a-. Egal ob asystolisch, atheistisch oder eben asexuell. Wie Du, ich und irgendwer anderes diese Bedeutung finden, ist irrelevant. Man ist ja auch noch lange kein Atheist, nur weil man sich zu einer Gottheit hingezogen fühlt, den Glauben aber nur alleine praktiziert. Darüber, ob man atheistisch oder theistisch ist, wird dadurch entschieden, ob man gläubig ist, nicht wie. Genauso ist es bei der Frage, ob Du asexuell oder sexuell bist; wer grundsätzliches sexuelles Verlangen empfindet sowie an sexuellen Aktivitäten auch Freude hat - wie auch immer diese aussehen mögen, ist sexuell und nicht asexuell. So liegen nun mal die Fakten.

Dieses reicht nämlich von komplett Uninteressierten (an allem, was mit Sex zu tun hat), bis hin zu Menschen, die durchaus Sex haben, aber nur dem Partner zuliebe oder nur sehr selten.

Was man tut oder nicht tut, ist ja auch nicht ausschlaggebend. Es geht rein um das (fehlende) Empfinden, um die (fehlende) Wahrnehmung.

SakuraPeachie 
Beitragsersteller
 23.11.2023, 08:58
@xMatzi
Nur weil du selbst "komplett" asexuell bist, kannst du nicht andere Menschen vom Spektrum ausschließen. Dieses reicht nämlich von komplett Uninteressierten (an allem, was mit Sex zu tun hat), bis hin zu Menschen, die durchaus Sex haben, aber nur dem Partner zuliebe oder nur sehr selten.

Mehr habe ich dazu auch nicht zu sagen.

xMatzi  23.11.2023, 17:03
@SakuraPeachie
Nur weil du selbst "komplett" asexuell bist, kannst du nicht andere Menschen vom Spektrum ausschließen.

Dieser Vorwurf ist trotzdem haltlos und diese Spektrums-Definition generell kontraproduktiv.

SakuraPeachie 
Beitragsersteller
 24.11.2023, 10:43
@xMatzi
diese Spektrums-Definition generell kontraproduktiv.

Nein, eigentlich nicht. Denn die am meisten verwendete, gängigste Definition ist, dass Asexuelle keine sexuelle Anziehung verspüren. Sie können ja trotzdem Sex haben, eben z.B. ihrem Partner zuliebe oder weil sie die emotionale Komponente davon mögen (Nähe und Vertrauen usw.).

Allosexuelle verspüren aber sexuelle Anziehung. Daher können Menschen ohne diese nicht allosexuell sein. Das heißt aber nicht, dass sie auch keine Libido haben.

was in den Schulen gelehrt wird, muss eine wissenschaftlich fundierte Basis haben (Religionsunterricht ausgenommen, aber da gibt es ja Alternativen) - über die Asexualität gibt es noch nicht viele fundierte Erkenntnisse

es hat sie vermutlich schon immer gegeben, genauso wie Homosexualität usw. - richtig befasst damit haben sich bis heute wenige Wissenschaftler - das liegt schon allein daran, dass früher hetero die Norm war, an die sich jeder zu halten hatte, wenn er von der Gesellschaft nicht geschnitten, geächtet oder gar vom Gesetz her verfolgt werden wollte - das öffentliche Interesse war also gering bzw. stießen Abhandlungen und Bücher darüber auf Ablehnung, manche Werke wurden verboten

bei den Betroffenen dominierte die Angst vor Entdeckung und nicht das Interesse an Aufklärung -man war froh, wenn sich keiner für einen interessierte, man mit der Zeit als seltsamer Kauz oder vertrocknete Jungfer endete, weil wohl an eventuelle Partner immer zu hohe Ansprüche gestellt wurden und man ein ewiger Junggeselle blieb - jeder der/die sich auf die 30J zubewegte, wurde anfangs ewig mit bohrenden Nachfragen, später mit mehr als zweideutigen Bemerkungen bedacht

der Unterricht in den Schulen über solche Themen wie Sex, Sexualität usw. muss zwingend auf sachlicher Basis erfolgen - wenn du schon mal ein entsprechendes Buch gelesen hast, wirst du feststellen, dass der Unterrichtsstoff sehr trocken ist - das geht vermutlich nicht anders - es ist ein kompliziertes Thema, aber es ist immer noch besser, als wenn hierüber gar nicht gesprochen wird, wie das früher der Fall war


SakuraPeachie 
Beitragsersteller
 22.11.2023, 10:41

Es gab aber durchaus schon Studien über Asexualität, die belegen, dass sie eine sexuelle Orientierung ist und somit die vierte der "wichtigsten" Sexualitäten darstellt (mit "wichtigste" meine ich, dass jeder Mensch zumindest diese kennen sollte, also hetero-, homo-, bi- und Asexualität).

Also wäre es kein Problem, auf sachlicher Basis, wie du sagst, darüber zu unterrichten.

apt2nowhere  22.11.2023, 11:44
@SakuraPeachie

ich meine nicht die sexuelle Orientierung an sich - ich meine die Definition derselben

SakuraPeachie 
Beitragsersteller
 22.11.2023, 12:54
@apt2nowhere

Ach.

Aber das kann man einfach nicht definieren, weil Asexualität ein Spektrum ist.

apt2nowhere  22.11.2023, 13:06
@SakuraPeachie

das ist vielleicht das Problem - bei zu viel verschiedenen Infos sind die Schüler ggfs. überfordert - das ist auch nicht gut