Wie realistisch ist "Der Staatsanwalt"?

2 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Sehe die Serie auch gern, wenngleich nicht regelmäßig - Rainer Hunold ist schon immer einer meiner Lieblingsschauspieler.

Ich bin aber trotzdem der Meinung, dass Staatsanwälte wie Bernd Reuther Ausnahmefälle sind. Es wird sie geben, die meisten sind aber typische Staatsdiener im klassischen Sinne.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

YvonneM2508  20.02.2023, 15:47

Jetzt bin ich aber gespannt, was für dich ein typischer Staatsdiener im klassischen Sinne ist.

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rotesand  20.02.2023, 17:05
@YvonneM2508

Das ist für mich ein Beamter, der in erster Linie "verwaltet" und nur das tut, was er wirklich muss. Das kann ein Verwaltungsangestellter sein wie auch ein Lehrer oder jemand in der Justiz. Ich meine das gar nicht negativ, habe aber die meisten Beamten so in etwa kennen gelernt - muss dazu sagen: Ländlicher Raum, da ist es vielleicht anders und so was eher möglich wie in der Stadt.

Ich bin mit einer Rechtspflegerin befreundet, die sich sehr einsetzt und dafür immer mal wieder eine an den Karren gefahren bekommt - sie klagt regelmäßig und meint, dass derjenige, der nichts tut, am Ende die besseren Karten habe.

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Es gibt durchaus den ein oder anderen Staatsanwalt, der sich aktiv an den Ermittlungen beteiligt.

Das ist aber auch gar nicht die primäre Aufgabe der Staatsanwaltschaft. Die primäre Aufgabe - als Ermittlungsbehörde - liegt darin, die Ermittlungen ihrer Ermittlungspersonen, welche nicht nur Polizeibeamte sind sondern auch u.a. Zoll- und Steuerfahnder sowie Förster, zu leiten und überwachen, dass bei den Ermittlungen alles mit rechten Dingen zu geht, und das sowohl belastendes als auch entlastendes Material gesammelt wird.

Bei gut 6.000 Staatsanwälten in der gesamten Bundesrepublik Deutschland und ca. 5 Millionen strafrechtliche Ermittlungsverfahren im Jahr kann man sich selbst ausrechnen, wie hoch die Arbeitsbelastung für Staatsanwälte ist.

Selbst die knapp 1.000 Amtsanwälte können an der Arbeitsbelastung nichts ändern.

Überstunden stehen im staats- und amtsanwaltlichen Dienst an der Tagesordnung. Meine Mutter ist selbst Amtsanwältin und ich weiß gar nicht, wann sie das letzte mal eine 40 Stunden Woche hatte - dürfte wohl noch zu Rechtspflegerzeiten gewesen sein.

Die meisten Staatsanwälte, die ich kenne, haben eher eine 50 Stunden Woche.

Lass dich von dem ZDF Krimi "Der Staatsanwalt" nicht Irre führen, der den Eindruck erwecken könnte, es würde nur ein Fall ohne jeglichen Stress bearbeitet werden. In der Realität werden die meisten Staatsanwälte keine Zeit haben, sich aktiv an den Ermittlungen zu beteiligen, weil ein Staatsanwalt viel zu viele Fälle gleichzeitig bearbeiten müssen.

Es gibt einfach, wie überall im öffentlichen Dienst, viel zu viel Arbeit für viel zu wenig Personal. Der staatsanwaltschaftliche Dienst ist für viele Volljuristen nach 5 Jahren Regelstudienzeit plus 2 jährigen Referendariat mit Einstieg in Besoldungsgruppe R1 mit ca. 4.500 Euro brutto nicht attraktiv genug, wenn in Anwaltskanzleien deutlich mehr zu verdienen ist. 

Zudem sind die Anforderungen (in NRW) grds. mit einem Prädikatsexamen ("vollbefriedigend", min. 9,00 Punkte) im zweiten Staatsexamen sehr hoch, so dass es wenig qualifizierte Bewerber gibt.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft

noblehostel 
Fragesteller
 20.02.2023, 18:06

Sehr fundierte Antwort. Vielen Dank!

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