Wie komponiert man Barock?

2 Antworten

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Hallo NeonSchaf,

heute komponiert man gar keine Barockmusik mehr. Man kann sich allenfalls an Stilkopien versuchen.
Man muss jedoch bedenken, dass es die Barockmusik nie gegeben hat: Musik der Barockzeit aus Italien, Deutschland, Frankreich und anderen Ländern, dann Frühbarock, Hochbarock und Spätbarock, und zuletzt die vielen verschiedenen Personalstile... Das klingt ja alles sehr verschieden.

Um eine Stilkopie anzufertigen, muss man über das Handwerk verfügen: Tonsatz und Komposition, dazu die Analyse vieler originaler Kompositionen der Zeit. Zuletzt muss man musikalische Einfälle und Originalität haben, denn man möchte ja nicht Werke bekannter Komponisten kopieren sondern etwas Neues im alten Stil schaffen.
(Dies als direkte Antwort auf Deine Frage.)

Der von Dir genannte Simen Christian Nilsen erfüllt diese Voraussetzungen wie ein durchschnittlich begabter Student.
Schon der Tonsatz gehört nicht zu seinen Stärken: Offene Oktavparallelen und verdeckte Quinten findet man immer wieder bei ihm, auch andere Stimmführungsfehler. Seine Stücke sind konstruiert, es reiht sich Phrase an Phrase, und das leider oft ganz unorganisch. Stilistisch finden sich in den Cembalostücken Anklänge an Froberger, Pachelbel und Händel - man wird damit durch die Regionen und Zeiten gerüttelt.
Sein Violinkonzert Nr. 19 aus den 'Concerti italiani' ist eine Vivaldi-Kopie, bei der man durchgängig im Ohr hat, welche Wendungen ihm von Vivaldi geläufig sind, und wie er diese 'verbiegt', um sie nicht wörtlich zu übernehmen.
Mehr habe ich nicht angehört, alles in allem ist das weder handwerklich noch musisch wirklich gekonnt.

Es fällt auf, dass man von diesem Mann - außer den Youtube-Aufnahmen - nichts im Netz findet. In dem Video 'Baroque Masterclass' (nicht ansehen, schlecht und fehlerhaft!) nennt er sich einen norwegischen Kirchenmusiker. Von Kirchenmusikern, die in irgendeiner Weise öffentlich in Erscheinung treten, findet man jedoch immer etwas im Netz, und sei es der Artikel einer Lokalzeitung.
Ich vermute, dass es der 'Künstlername' des Cembalisten Andreas Zappe ist, der die Cembalostücke eingespielt und auf Youtube veröffentlicht hat. Es gibt da eine Aufnahme, die er unter seinem eigenen Namen veröffentlicht hat; musikalisch ist das dieselbe Handschrift.

Letztlich bleibt die Frage: Es gibt so unfassbar viel und so unfassbar gute Barockmusik - warum muss man dem so Mittelmäßiges hinzufügen?

LG
Arlecchino


NeonSchaf 
Beitragsersteller
 04.08.2022, 12:06

Warum heißt es dann eigentlich nur Stilkopien. Ich hätte gedacht das Barock nicht unbedingt so Zeitgebunden ist, sowie z.b. Rock oder Pop. Außerdem gibt es ja änlichkeiten zwischen den Musikern im Barock, ohne das alle jetzt denselben Stilhätten; Ich hätte nämlich nicht einen Stilkopieren wollen, sondern eher einen eigene Stil, den in Barock reininterpretieren würde...

Bei diesem Simen hätte ich nicht gedacht, dass er so ungekonnt ist. Nachdem ich mir das "Baroque Masterclass" angesehen hatte - obwohl gerne ein Beispiel hätte, warum das so falsch ist - hab ich mir erstmal angehört was er so komponiert, was er komponiert hat, um einen Eindruck zu Gewinnen. Ich hab mir dann das Lestgelistete angehört/gesehen (weil ich davon, dass es ein Video und kein Bild war, angesprochen war) und war schon ziemlich beeindruck und überwältigt. Ich habe es mir auch mehrmals angehört, so denke ich so schlecht kann das doch nicht sein...(hieß Violinconcerto in c minor Allegro - Grave - Allegro).

Was meinst du "Phrase an Phrase [geschrieben]"? Ist das was schlechtes?

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Arlecchino  05.08.2022, 19:13
@NeonSchaf
Warum heißt es dann eigentlich nur Stilkopien.

Wir leben nicht in der Barockzeit. Man kann also keine Barockmusik mehr schreiben, sondern nur den Stil kopieren.

Außerdem gibt es ja änlichkeiten zwischen den Musikern im Barock,

Ja, die gab es. Wenn sie etwa zur gleichen Zeit und in derselben Region lebten. Zwischen Fresobaldi, Louis Couperin und Bach dagegen liegen Welten.

Nachdem ich mir das "Baroque Masterclass" angesehen hatte...

Wenn man das alles einfach so könnte, müsste man es nicht lernen. Wie sieht es denn bei Dir mit allgemeiner Musiklehre und Tonsatz aus? Kannst Du einen richtigen vierstimmigen Satz schreiben? Dieser Simen kann es nicht fehlerfrei und führt das öffentlich im Netz vor.
Man muss es aber gelernt haben, um es beurteilen zu können.

Was meinst du "Phrase an Phrase...

Ein musikalischer Gedanke an den nächsten gereiht. Es gibt kaum einmal eine Entwicklung, und einen großen Bogen gibt es gar nicht.

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NetterGau  16.12.2023, 00:07

Nein, Christian Nielsen ist nicht Zappe.

Andreas Zappe war mein Lehrer, aber wenn du von der Masterclass hier redest https://www.youtube.com/watch?v=gGlpoEu-n10, dann ist das nicht seine Stimme

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Arlecchino  16.12.2023, 00:34
@NetterGau

Damals habe ich ein paar Sachen im Netz angesehen, und diese Vermutung war naheliegend. Aber wenn Du ihn kennengelernt hast, weißt Du natürlich mehr.

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Man sollte sich mit homophoner und polyphoner Kompositionstechnik beschäftigen, barocke Harmonie ist vielleicht auch ganz nützlich, Kompositionsformen barocker Stücke (Menuette, Allemande, Concerto grosso,...) wenn man ganz fancy sein will. Kontrapunkt ist eine sehr häufig amgewandte und im Barock beliebte Kompositionstechnik.

Ganz besonders wichtig ist es aber auch, dass man viele Werke der Barocken Komponisten hört (Bach, Händel, Scarlatti usw.).

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung