Wie ist die Härte von Eisen nach Vickers [HV], Rockwell [HRC] oder Brinell [HBW]?


08.03.2021, 16:44

Ich glaube ich habe etwas im englischen Web gefunden:

https://www.azom.com/article.aspx?ArticleID=9094

Gerne kann aber noch jemand ergänzen oder korrigieren. Es scheint hier nämlich sehr verschiedene Definitionen von Eisen (und Roheisen) zu geben. Ich gehe von einer Schmiedbaren Versionen aus.

2 Antworten

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Eisen ist erstmal das reine Element/Metall: Ferrum. Im Altertum wurde aufwendigst Eisen aus Eisenerz (oder durch Meteoreisen) durch Rennfeuer erzeugt und ebenso aufwendigst zu Stahlwaren weiterverarbeitet. Gute Schmiede waren Götter oder zumindest Halbgöttern gleichgestellt: Hephaistos, Vulkanus, Wieland der Schmied, Mime/Mimir, Tubal-Kain, Alberich/Oberon (1. Moses 4, 22),

Hinweis 1: das Arbeiten in der Schmiede mit giftigen Substanzen und Dämpfen führte zu typischen Berufskrankheiten der Schmiede, die in der Mythologie daher oft als hinkend dargestellt werden. Auch der Teufel in seiner Hölle hinkt bekanntlich. Insbesondere, wenn an Schmiedegötter bereits in der Bronzezeit (Cu mit Arsen legiert) geglaubt wurde.

Hinweis 2: Erz (->ehern, Erzbischof usw.) bezeichnete ursprünglich Bronze, also (im Altertum) mit As legiertes Cu. Es gab in Vorzeit und Antike nichts härteres Herstellbares!

Demzufolge war gutes Eisen (Reineisen/Stahl), insb. gute Schwerter in der Antike extrem wertvoll. Und ein gutes Schwert war mindestens in heutigem Geld seine 100.000 bis 500.000 Euro und noch viel mehr wert. Berühmte Schwerter hatten ihre Namen; Balmung, Durandart, Gram, Hrunting, Excalibur, Mimung, Nagelring usw. usf. Gute Schmiede waren reiche Leute! Heute noch bekannt: die sagenhaften "Ulfberht" Schwerter.

Daher sagt man noch heute dem Hufeisen Glück nach, denn wer unterwegs ein Hufeisen fand, hatte einen wertvollen Fund (teures Eisen) gemacht. Insofern war Eisenschmuck im Altertum und ausgehendes Mittelalter sehr wertvoll (so wie Aluminium zu Zeiten seiner Ersterzeugung wertvoller als Gold war (1855 Weltausstellung Paris)! Andrerseits spendeten deutsche Patrioten dem Staat in den Befreiungskriegen gegen Napoleon (so um 1813) und im 1. Wk (1914 - 1918) Geld, Gold und Silber. Sie erhielten dafür einen billigen Eisenring bzw. später auch Medaillen, auf denen stand: Gold gab ich für Eisen.

Reineisen/Stahl war also früher schwer erzeugbar und seine Metallurgie/Legierung, Wärmebehandlung, Bearbeitung) geheimnisvoll. Man fand irgendwann heraus, daß graues Roheisen schon bei ca. 1150°C flüssig wurde (Reineisen: 1546°C). Das führte zur Verwendung von Grauguß, als Eisen oder Gußeisen benannt und Namensgeber für Dinge wie bspw. die Eisenbahn (ein Zug auf Graugußschienen). So meint man also im Sprachgebrauch "Eisen" als Synonym für "Grauguß" oder "Gußeisen" bzw. "Eisenguß" - im Gegensatz zum geschmiedeten Stahl. Nimm Eisen vorwiegend als Bezeichnung für Grauguß (mit Grafiteinschlüssen) und Stahl als (grafitfreie) schmiedbare bzw. umformbare Fe-Legierung an.

Und die in Deinen Links gezeigten Ringe sind geschmiedet, nicht gegossen. Man erkennt die Schlagspuren/Umformspuren - dazu die komplizierte verknüpfte/geflochtene Form. Steht ja auch dabei: geschmiedetes Eisen! Vermutlich also in den meisten Fällen weicher Baustahl ähnlich St37 bzw. C10/C15 Qualität (preiswert, leicht zu erhalten, problemlos warm und kalt umformbar, schweißbar).Der Verkäufer nennt Stahl: Eisen, weil Eisen iwi mystisch, nordisch, wikingerhaft, "alt" klingt. Denke an Theodor Körners Gedicht: Der Gott, der Eisen wachsen ließ. Denke ans Eiserne Kreuz, Eisenherz usw.

Die schwarze Farbe mancher Ringe kann durch Anlassen (Ofen) und/oder chemisch (Brünieren etc.) hervorgerufen werden (Oxidation).

https://www.youtube.com/watch?v=IGzCTLTVPpw

https://www.youtube.com/watch?v=fkzxYojj3cI

https://www.sueddeutsche.de/wissen/ulfberht-klingen-ein-schwert-fuer-europa-1.2188338

https://www.youtube.com/watch?v=kHP501Fxlkk

https://www.youtube.com/watch?v=MQAsmqqwTnI

https://www.youtube.com/watch?v=wD91LDJv6sE


tommgrinn 
Beitragsersteller
 14.03.2021, 22:27

Danke für die Links und alles! Sorry, dass ich erst jetzt zurück schreibe, aber ich wollte mir auch deine Links anschauen. Das Lied kam irgendwie etwas quer da rein... aber die Doku zu den Schwertern war klasse. Mir war nicht bewusst wie extrem aufwendig das war/ist... einen wirklichen Respekt an die Schmiede.

Auch interessant deine geschichtlichen Hinweise, vor allem über den Wert von Eisen damals. Das ist auf alle Fälle etwas wo ich noch mal tiefer in meine Recherchen nachgehen werde. Da bin ich tatsächlich und fälschlicherweise vom heutigen eher geringen Wert ausgegangen.

Bei einem der hier oben genannten Ring-Hersteller habe ich tatsächlich noch einmal eine Antwort erhalten... es handele sich tatsächlich um Stahl was ihr nicht bewusst war. Allerdings konnte ich aus den Herstellerangaben nicht wirklich etwas herauslesen...'czech technical norm' (ČSN) 42 6410.5 - ČSN 42 6410.5 und das wiederum führt zu EN 10305-1, DIN 2391, STN a ČSN 42 6711, 42 6712 und das alles klingt nicht nach Werkstoffen, sondern nach Toleranzen für Präzisionsrohre. In Deutschland gibt es einen Hersteller solcher Rohre und dieser verwender Werkstoffe wie E235 oder E255 (1.0580). Ich denke das kommt dem C15 sehr nahe.

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osmond  15.03.2021, 12:31
@tommgrinn

E235 = 1.0308 = unleg. C-armer Baustahl ähnlich St37 wobei die Mindeststreckgrenze (235 N/qmm) angegeben wird. Ca. um 0,08 bis 0,15 %C

E255 = 1.0408 = unleg. C-armer Baustahl ähnlich St45, jedoch Angabe der Mindeststreckgrenze. Ca. 0,15 bis 0,2%C

Stahlherstellung im frühen Mittelalter: da gabs noch keine Schweißgeräte und keine mechanischen Schmiedehämmer! Der Schmied mußte alles mit Muskelkraft selbst schmieden und auf dem Amboß und mit Herdfeuer schweißen.

Da arbeitete ein Schmied (mit seinen Gehilfen)an einem guten Schwert /Helm, Rüstung usw. Monate bis Jahre dran.

Es gab keine Prüfbarkeit der chem. Zusammensetzung, keine Thermometer, keine Kenntnis der Umwandlungsmechanismen (Härtung, Stahl). Die Legende beschreibt, daß angeblich die Zwischenstufenvergütung/-härtung (Bainitstufe) zufällig durch die Tötung eines ungeschickten Sklaven mit glühendem Schwert "erfunden" wurde. Es dauerte dann zig Sklaven lang, bis man herausfand, daß die verzögerte Abschreckung auch ohne Menschenopfer durchgeführt werden konnte. Der weiche Stahl wurde mit Holzkohle und/oder Stickstoff (Pferde- oder Schafs-Pisse, Vogelkot, Haare usw.) aufgekohlt/aufgestickt und wurde daraufhin härtbar (siehe Thidreks-Saga: Wieland der Schmied).

Und nebenbei etwas OT (learning by doing): 1879 geschah eine der spektakulärsten Unglücke der Neuzeit mit Gußeisen (Grauguß): der Einsturz der Brücke über den Tay (Schwingbruch, ggf. mit Schwingungsrißkorrosion/Spannungsrißkorrosion). Bekannt durch das Gedicht (siehe YT)

https://www.seeberger.net/_assets/pdf/werkstoffe/stahl/de/1.0308

http://www.steelnumber.com/en/steel_composition_eu.php?name_id=628

https://www.weststahl.de/template/elemente/2/chemische-zusammensetzung-und-festigkeit-stahlrohre.pdf

https://www.tf.uni-kiel.de/matwis/amat/mw1_ge/kap_4/illustr/t4_1_1.html

https://www.tf.uni-kiel.de/matwis/amat/mw1_ge/artikel/schwert_und_zauberei.html

http://www.arsmartialis.com/index.html?name=http://www.arsmartialis.com/technik/damast/damast1.html

https://www.tf.uni-kiel.de/matwis/amat/mw1_ge/kap_4/illustr/t4_1_3.html

https://www.massivumformung.de/branche/geschichte-der-branche/wieland-der-schmied-gans-scharf/

https://www.welt.de/geschichte/article130738749/Die-Wunderwaffe-der-Franken-entstand-im-Kloster.html

https://de.wikipedia.org/wiki/Firth-of-Tay-Br%C3%BCcke#Der_Unfall https://www.youtube.com/watch?v=gaeccJJa-Kw

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Eisen mit der Mooshärte 4 kann sowohl für C - armen Einsatz- bis Vergütungs-Stahl (überwiegend ferritisch oder ferritisch/perlitisch bspw.: St37-2 K bis C45 N) als auch für Gußeisen (Grauguß) GG15 bis GG20 zutreffen. Üblicherweise wird heutzutage für Eisen bei der Mohshärte Weicheisen angenommen, also schmiedbarer Stahl.

Hinweis:

Es gibt hochlegierte und auch gehärtete oder kalt umgeformte Stähle, die deutlich härter sind als die Mohshärte 4 oder 5. Andrerseits kann das Zwischenprodukt Roheisen sowohl weiß (weißer Bruch, kein Graphit, aber C alsZementit (Fe3C) abgebunden - für Stahl und Temperguß) als auch grau (grauer Bruch, C elementar als Graphit vorliegend - für Gußeisen) erzeugt werden. Für wird keine Härteprüfung benötigt. Anbei Umrechnungstabelle, am besten mit HV umwerten. Die Mohshärte 4 beträgt in etwa 190HV, also etwa 180HB. Für Stahl könnte hierbei (190 HV) eine Zugfestigkeit von etwa 630 N/qmm angenommen werden.

Will man Härtewerte umwerten, gibts dafür Umwertetabellen. Weiche Werkstoffe wie bspw. Aluminium, Kupferlegierungen, Grauguß, Baustahl (weicher Stahl) usw. werden nach Rockwell nicht mit HRC geprüft, sondern mit HRB.

Siehe Tabelle.

Tabelle Mohs - HV:

https://tinyurl.com/y888kbbz

Umwertungstabelle HV - HB - HRC - Rm (Zugfestigkeit in N/qmm)

https://waltertools.blaetterkatalog.de/blaetterkatalog/catalogs/catalog/de/2017/html/haerte_vergleichstabelle_zugfest_1.html

Rockwell Prüfverfahren:

https://www.ahoefler.de/index.php?option=com_content&view=article&id=123:rockwellhaertepruefung&catid=64:haertepruefung&lang=de-DE

Zitat:

Bei der Verwendung einer Hartmetallkugel zur Härteprüfung werden hauptsächlich die Verfahrensvarianten B und F unterschieden. Sie eigenen sich im Gegensatz Diamantkegelprüfung für weichere Metalle wie Baustähle oder Messing. Die Kugel weist dabei einen Durchmesser von 1,5875 mm (=1/16 Zoll) auf. In allen Verfahrensvarianten beträgt die Prüfvorkraft F0 = 98 N (10 kp). Die Verfahren unterscheiden sich wieder lediglich in der eigentliche Prüfkraft F1. In der Variante B beträgt die Prüfkraft F1 = 883 N (90 kp) und in der Variante F liegt die Prüfkraft bei F1 = 490 N (50 kp). Durch ihre verringerte Prüfkraft eignet sich die Verfahrensvariante F vor allem für sehr weiche Werkstoffe wie Kupfer oder dünne Bleche.

Härtewerte die mit unterschiedlichen Verfahrensvarianten gewonnen wurden sind grundsätzlich nicht miteinander vergleichbar. Zudem muss der mit einer bestimmten Verfahrensvariante gewonnene Härtewert innerhalb eines bestimmten Bereichs liegen. Bei Werten außerhalb sollte das Verfahren geändert werden, da der Prüfkörper entweder zu stark oder zu schwach in den Werkstoff eingedrungen ist.

https://www.youtube.com/watch?v=0MBsBmkDqlM

Roheisen:

https://tinyurl.com/y8s22rkt

Metallograf Seite:

http://metallograf.de/

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung

tommgrinn 
Beitragsersteller
 10.03.2021, 13:28

Danke schon einmal für deine ausführliche Antwort! Ich hatte diese Gestern Abend zum Anlass genommen noch einmal tiefer zu recherchieren. Ich habe zwar immer mal wieder mit Stahl zu tun, aber Eisen an sich war für mich eher uninteressant bzw. nur ein Bestandteil von Stahl und mehr nicht.

Das änderte sich, als ich mich mehr und mehr für Schmuckverarbeitung interessierte und letztendlich auch auf Mittelalterschmuck stieß... hier sagt man, trugen die die einfacheren Leute durchaus bereits Ringe - aber aus einfachem Eisen. Auch stieß ich auf heutige Anbieter von Eisen-Schmuck. Die Formen und die Art der kleinen Anbieter lassen auf (wie ich oben in der Ergänzung der Frage bereits andeutete) geschmiedete Sachen schließen. Hier zwei Beispiele:

https://www.etsy.com/de/listing/725487484/dicke-schwarze-ring-minimale-eisen-ring?ref=user_profile

https://www.etsy.com/de/listing/696418410/geschmiedete-eisen-handgemachte-viking?ga_order=most_relevant&ga_search_type=all&ga_view_type=gallery&ga_search_query=eisen+ring&ref=sc_gallery-1-15&plkey=402b82d1091218790c8fcc508f6e0f437b46689a%3A696418410

Ich fragte oberen Anbieter und bekam die Antwort "pure iron", weil mich dessen Härte interessierte (der Anbieter aber kein Messequipment dafür hat).

So oder so, muss ich aber feststellen, dass das Wort Eisen recht inflationär genutzt wird. Deine Antwort ließ mich auf verschiedenen Internetseiten und Foren landen und ich denke inzwischen, dass es für diese Art von Schmuck zwei Antworten gibt:

a) es handelt sich wirklich um industriell hergestelltes fast reines Eisen

b) es handelt sich eigentlich nicht um Eisen sondern um schmiedbaren Stahl

Was das Mittelalter anbelangt, so gehe ich von b aus, da reines Eisen erst seit der Industrialisierung möglich wurde. Bei den heutigen angebotenen Eisen-Schmuck wäre a und b möglich bzw. würde mich hier deine Meinung interessieren. Ich gehe davon aus, dass a durch Abwesenheit von Kohlenstoff und anderen Legierungen nicht hartbrüchig werden kann und somit gut Schmiedbar wäre egal ob kalt oder warm. Oder würdest du eher davon ausgehen, dass man auch heutzutage eher Version b = einen zum Schmieden optimierten Stahl benutzt, den die Leute dann einfach Eisen nennen?

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