Wie haltet ihr es mit antiquierten Brief-Floskeln?
"Sehr geehrte Damen und Herren, ..."
So fangen sehr viele Briefe an. Auch wenn der Briefschreiber keine Ahnung hat, ob der Brief von Damen und Herren, nur von einem Herrn oder einer Dame gelesen werden wird und auch nicht weiß ob er diese LeserIn(nen) oder den oder die Leser wirklich der Verehrung würdig halten würde, falls er sie kennen würde.
Diese und andere Brief-Floskeln aus lange vergangenen feudalistischen Zeiten tragen einen gewissen servilen Mief mit sich. Sie lassen sich aber kaum ausrotten, da sie von vielen knickrigen modernen "Knigges" in der Geschäftswelt immer wieder gepredigt werden.
Mir widerstreben diese ein Stück weit a....kriecherischen Floskeln oft sehr, weiß aber oft auch keine wirklich gute Alternative. Wenn man wagt, mal wirklich eine originellere (und ehrliche) Anrede zu formulieren, muss man ja damit rechnen, dass der Empfänger nicht einfach (wie gewohnt) darüber hinweg lesen wird und die Anrede dann möglicherweise wirklich in den falschen Hals bekommen könnte ... Ich möchte ja nicht mit einem simplen "Hallo" als unhöflich oder ungehobelt eingestuft werden, doch ich möchte nicht Ehrlichkeit der Höflichkeit opfern.
Wie habt ihr es mit diesen Anreden und Briefabschlüssen ? Habt ihr ein paar nützliche Ratschläge oder Beispiele ?
Ich grüße alle, die es verdienen, mit vorzüglicher Hochachtung !
Yakob
10 Antworten
Tja, das lässt sich wohl nicht umgehen. Bei offiziellen Schreiben an Behörden oder Bewerbungen schreibe ich diese Floskeln, da alles andere als Unhöflich gelten würde. Außerdem weiß ich ja auch nicht das Gegenteil, nämlich dass er/sie die Ehrerbietung nicht verdient/verdienen! Ich bin da optimistisch und hoffe, dass die Anrede zutrifft! Gottseidank ist dieses "Hochachtungsvoll" nicht mehr so gebräuchlich und wurde durch das nicht ganz so spießige "Mit freundlichen Grüßen" ersetzt. Wenn ich natürlich weiß, dass der Brief an eine bestimmte Person geht, dann sprche ich sie auch direkt namentlich an. Wenn ich einen längeren Briefwechsel habe, kann es auch schon mal vorkommen, dass es nach und nach zum "Hallo Frau Sowieso" übergeht.
Ich denke, daß die Freiheit heute doch sehr groß ist, tatsächlich kann man "Hallo" ja schon in vielen Bereichen benutzen. Ansonsten steht Dir auch alles Andere einschließlich Beleidigungen offen. Das mußt Du doch wissen, ob Du jemandem Deine Meinung ins Gesicht sagst - und die Konsequenzen tragen. Eine Anrede ohne "sehr geehrte..." kann schon unhöflich/unangenehm wirken, vor allem mit Ausrufungszeichen. Du könntest höchstens noch versuchen: "Seien Sie gegrüßt..." Dann hast Du gegrüßt, ohne dem Gegenüber die Ehrerbietung auszusprechen. Der springende Punkt ist aber: Warum sollte man es denn nicht tun und warum schreibst Du Leuten, die Du nicht ehren möchtest?
...Übrigens gibt es ja auch Leute, die nicht grüßen, wenn man sie sieht. Mag sein, daß die sich cool vorkommen, aber ich kann sie nicht leiden. Die merkt man sich und ab dann sind sie ebenfalls Luft für mich.
Doch natürlich kann man anders formulieren, denn das mache ich auch so.
Ich gebe dir recht, dass ich dieses "Sehr geehrte Damen und Herren,...." auch sehr antiquiert finde. Darum schreibe ich dann:
Guten Tag,
ich wende mich an Sie in der Finanzbuchhaltung mit folgendem Anliegen:
Obwohl ich Ihre Rg.-Nr. 23834 vom 15.03.2020 bereits......
Bei namentlichen Direktansprachen kann man doch schreiben:
Guten Tag, Herr Dr. Bender,
bitte entschuldigen Sie, dass ich Ihnen erst heute antworte. Leider .....
Freundlicher Gruß
Du siehst, ich schreibe auch schon nicht mehr "Mit freundlichen Grüßen" bzw. "Mit freundlichem Gruß", sondern einfach nur Freundlicher Gruß. Damit grüße ich einmal und nicht gleich mehrfach.
Bei einer Reklamation halte ich z. B. auch für angebracht, wenn man schreibt:
Mit erwartungsvollem Gruß / Erwartungsvoller Gruß
Schreibe ich eine e-Mail morgens um 8.00 Uhr, dann schreibe ich auch schon mal:
Guten Morgen, Frau Schellenberg,
wie gewünscht übersende ich Ihnen ......
Ebenso finde ich dieses "hiermit" so unnütz wie sonst was. Wenn ich einen Brief schreibe, merkt der Empfänger doch selbst, dass er einen Brief in der Hand hält.
Schreibe ich eine e-Mail, merkt der/die Empfänger/in doch, dass er/sie eine e-Mail liest. Daher schreibe ich:
Guten Tag, Frau Schneider,
ich kündige den Vertrag vom 15.10.2018 fristgerecht mit Wirkung zum .....
Beim Datum nach dem Ort lasse ich auch dieses veraltete "den" weg:
Musterhausen, 15.07.2020
Schreibe ich einen Brief, steht oben rechts nur das Datum, weil der Ort ja bereits in meinem Briefkopf (Absender) steht.
Ebenso schreibe ich auch nicht dieses "würde" - also nicht:
Ich würde mich freuen, wenn Sie mir die Teile bis zum 20.07.2020 liefern.
S o n d e r n:
Ich freue mich, wenn Sie mir die Teile bis.....
Weil es nun einmal eine TATSACHE ist, dass ich mich freue und es auch tue.
Ganz schlimm: Ich WÜRDE Sie bitten, mir die Unterlagen ......
Ich schreibe: Ich bitte Sie, mir die Unterlagen .....
Dann empfehle ich bei langen Texten entsprechende Absätze zu machen und auf die Rechtschreibung zu achten. Termine rücke ich in einem Absatz ein und hebe sie fett hervor.
Damit erleichtere ich dem Leser/Empfänger meiner Nachricht auch das Lesen und die Bearbeitung.
Es ist doch ein Unterschied ob ich schreibe:
Bitte senden Sie mir bis Montag, 20.07.2020, die Vertragsunterlagen an Martin Müller, Georg-August-Zinn-Straße 23 - 33, 99999 Musterhausen zwecks schneller Weiterleitung und Bearbeitung.
Oder aber:
Bitte senden Sie
bis Montag, 20.07.2020,
an
Martin Müller
Georg-August-Zinn-Straße 23 - 33
99999 Musterhausen
(halt ohne Leerzeilen zwischen den Zeilen - leider wird auch hier die Einrückung vermutlich nicht dargestellt)
zwecks schneller Weiterleitung und Bearbeitung.
Ich versetze mich beim Schreiben immer in die Lage des Empfängers. Es schadet auch nichts, wenn man sich vor dem Verschicken den Text noch einmal durchliest, ob dieser auch wirklich verständlich ist.
Ich verwende alle in Frage kommenden Varianten, damit sich die nachgeordnete Sekretärin nicht ÜBERGANGEN vorkommt (oft sind DIESE es nämlich, die die Entscheidung fällen !!). Mein letzter Brief verklagte eine BEHÖRDE [Beschwerde bei einer Landesbehörde über die Haupt-Städtische}. Ich schrieb (da ich schon einmal Erfolg bei diesem Richter in ähnlicher Angelegenheit hatte) in der Adresse den Namen des Gerichts, darunter "Herrn Richter xyz" und begann den Brief "Euer Ehren ! Sehr geehrte Damen und Herren !".
Guten Tag,...
ist als Anrede im Brief/Email voll gesellschaftsfähig.