Wer hat uns verraten……. Die Sozialdemokraten! Was ist damit gemeint?

6 Antworten

Der Spruch "Wer hat uns verraten? Die Sozialdemokraten!" ist ein bekannter Slogan, der ursprünglich aus der Zeit der Weimarer Republik in Deutschland stammt. Er wird oft von Kommunisten und anderen linken Gruppen verwendet, um den Sozialdemokraten vorzuwerfen, dass sie die Arbeiterklasse und deren Interessen verraten hätten.


Vivo9000 
Beitragsersteller
 06.06.2024, 18:33

Danke

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Da geht es um die Abwendung der SPD, also der Sozialdemokraten, von den sozialistischen Prinzipien, die sie mal verkörpert hat.

Die deutschen Sozialdemokraten waren Anfang des 20. Jahrhunderts die führende und stärkste sozialistische Partei Europas.

1914 stimmte die SPD allerdings für die Kriegskredite für den Ersten Weltkrieg und die Politik des Burgfriedens, sie ordnete sich also Kaiser und Nation unter und warf die internationale Solidarität über Bord. Parteilinke wie Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg sprachen hier erstmals von Verrat und organisierten die Kriegsgegner innerhalb der Partei.

1918 beendete die Novemberrevolution den Krieg und die Monarchie in Deutschland. Die beteiligten Gruppen und Parteien waren sich aber uneinig, ob sie ein bürgerliches Parlament oder ein sozialiatisches Rätesystem anstrebten. Um letzteres zu verhindern, verbündete sich die SPD mit ultrarechten Freikorps und ließ die linken Aufstände niederschlagen und ihre Wortgeber und ehemaligen SPD-Genossen, Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, ermorden.

1920 wiederholte sich diese Bündniskonstellation, als ein Massenstreik von bewaffneten Arbeitern den rechten Kapp-Putsch beendete und die SPD-Regierung und die Republik rettete. Genau diese Regierung setzte dann die zuvor putschenden Truppenteile ein, um die Arbeiter gewaltsam zu entwaffnen und auseinanderzutreiben.

In den 20er Jahren war der Spruch darum unter der KPD und anderen linken Gruppen weitverbreitet, auch weil die SPD immer wieder Anlass dazu gab, etwa als sie 1929 die Polizei auf die Demonstration zum 1. Mai in Berlin schießen ließ. Die SPD war unter Kommunisten derart verhasst, dass sie erst zu spät als möglicher Bündnispartner gegen die drohende Nazidiktatur erkannt wurde.

Zu dieser Zeit, also den späten 20er Jahren, wurde der Spruch auch von Konservativen und Rechten übernommen, die damit auf die Dolchstoßlegende anspielten, die der SPD die Schuld an der deutschen Kriegsniederlage gab. Im Gegensatz zu den kommunistischen Vorwürfen an die SPD war das aber tatsächlich nur eine Legende.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Spruch dann wieder von linken Gruppen aufgegriffen, während die SPD ihren Niedergang von einer reformistischen Arbeiterpartei zur prokapitalistischen Bürgerpartei vollendete.

Dieser Slogan ist nach dem "Blutmai" 1929 aufgekommen, als der Berliner Polizeipräsident Karl Zörgiebel, unterstützt von Preußens Innenminister Albert Grzesinski und Reichsinnenminister Carl Severing (alle SPD), Demonstrationen blutig niederschlagen ließ.

Blutmai – Wikipedia

 Der Verratsvorwurf kam im 1871 aus der Taufe gehobenen Deutschen Kaiserreich nicht von links, sondern eher schon von rechts, ja bis weit hinein aus der bürgerlichen Mitte: Sozialdemokrat*innen galten über die schändlichen Sozialistengesetze (1878–1890) hinaus als pestverdächtige Brunnenvergifter*innen des deutschen Wesens, als vaterlandslose Gesell*innen, gar als „Landesverräter“. Unter diesen Anschuldigungen wurden Arbeiter*innen auf die Straße gesetzt, Sozialdemokrat*innen des Ortes verwiesen oder ins Gefängnis gesteckt.

https://www.vorwaerts.de/geschichte/wer-hat-uns-verraten-sozialdemokraten-woher-kommt-der-ruf

Der Spruch stammt ursprünglich aus der Weimarer Republik. Später haben ihn viele auf Schröder und die Agenda 2010 bezogen. Der Beginn des Niedergangs der Sozialdemokraten als Volkspartei.