Mein Dozent, Professor Schwabe (LMU) hat kürzlich in der Vorlesung darauf hingewiesen, dass Voegelin zuzustimmen ist, wenn er den Faschismus und den Nationalsozialismus als „zuendegedachten Humanismus“ auffasst. In Voegelins Werk ist der Begriff des „Gnostizismus“ zentral, den er auf moderne politische Bewegungen anwendet, um deren eschatologischen und utopischen Charakter zu beschreiben. Der „Gnostizismus“ meint hierbei eine geistige Haltung, die das Wissen (Gnosis) über das wahre Wesen der Realität und den damit verbundenen Anspruch auf deren radikale Veränderung besitzt. In diesem Sinne sieht Voegelin den Nationalsozialismus und den Faschismus als Endpunkt einer säkularisierten Form des Gnostizismus, der sich in der modernen Welt manifestiert.
Nationalsozialismus und Faschismus sind für Voegelin zuendegedachter Humanismus, weil sie den Gedanken des vollkommenen, autonomen Menschen in einer radikalen, Weise weiter- und fertig denken. Beide Weltanschauungen versprechen eine utopische Gesellschaftsordnung, die durch die völlige Kontrolle und Neugestaltung des Menschen und seiner Gesellschaft verwirklicht werden soll. Diese Vorstellung ist jedoch nicht mehr in einem metaphysischen oder religiösen Kontext verankert, sondern ist vollständig immanent, d.h., sie bezieht sich ausschließlich auf die irdische Existenz. Die Konsequenz dieser Denkweise kann die Eliminierung alles „Unreinen“, um eine perfekte Gesellschaft zu schaffen.
Was sagt ihr dazu?