Welche Art von Buchcharakteren bevorzugt ihr?

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Also welche Art von Buchcharakteren findet ihr am sympathischsten?

Charaktere, denen Unrecht getan wird. Ein klassisches Beispiel wäre Michael Kohlhaas. Als Film-Beispiel fällt mir noch Mission Impossible (1996) ein. Für solche Personen fühlt man einfach mit - wie könnte man auch nicht?

Was gehört für euch zu einem guten Buchcharakter?

Ein innerer Konflikt! Der Anfangsmonolog von Goethes Faust vom gleichnamigen Charakter ist einfach Kult. Da ist dieser Mann, der alles gesehen hat und noch nicht zufrieden ist. Der sucht und nicht findet und sich beinahe umbringt, wären da nicht die Osterglocken, die ihn an Kindertage erinnern. Er fühlt sich durch seine Zweifel menschlich an, ist als Magier aber dann doch mehr als das. Also ist er gleichzeitig wie wir und dennoch interessant und besonders. Dadurch wollen wir ihn auf seine Reise mitverfolgen.

Oder was ist wichtig, um einen tiefgründigen und guten Hauptcharakter zu erstellen?

Ein tiefgründiger Charakter braucht Tiefgang 🤯. Das heißt, dass in ihm etwas zu finden ist, dass auf etwas größeres, allgemeineres hinweist. Vielleicht zeigt er auf, wie Kindheitstrauma sich im Erwachsenenalter bemerkbar machen kann oder welche Realität das Handeln nach einer bestimmten Ideologie bringt. Vielleicht ist er eine Metapher für das Leben oder den Tod oder nichts weiter als eine Requisite in dem Gedankenexperiment, das du mit deiner Geschichte abbilden möchtest. Ein tiefgründiger Charakter ist ein wandelndes Puzzle(-stück).

"Gut" dagegen ist subjektiv und nicht definierbar.

Was sind für euch No-Gos?
  • Ein flacher Hauptcharakter. Eine Entwicklung sollte schon in ihm stattfinden.
  • Ein Charakter, der nur von außen gelenkt wird (er ist der Auserwählte und muss den bösen Bösewicht besiegen)
  • Ein Charakter, der die Personifikation eines Konzeptes ist... Tiefgründig, wenn es subtil genug ist, aber trotzdem irgendwie abgedroschen.
  • Charaktere, die einfach einer Religion/Mythologie entnommen wurden.
  • Charaktere, die aus einem älteren Werk übernommen wurden und historische Figuren als Charaktere, ohne dass diese auf eine bedeutende Weise erweitert werden. Wer an die Vergangenheit anknüpft, sollte etwas neues daraus schaffen, auf das die nächste Generation wieder Bezug nehmen und ebenso erweitern kann. Alles andere ist nur Marketing und Ausschlachtung eines bekannten Namens.

wannabeauthor 
Beitragsersteller
 21.08.2023, 11:57

Danke für die gute Antwort!

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Ausgehend von der Hauptfigur ist einiges wichtig:

  1. Die Figur muss vielschichtig sein. Ein Charakter der immer nur bierernst ist, aggressiv ist oder jammert wird schnell uninteressant.
  2. Die Figur muss Schwächen haben oder darf zumindest nicht zu perfekt sein. Eine Figur die das nicht erfüllt nennt man übrigens abwertend Mary Sue.
  3. Eine Figur sollte etwas tragisches haben, dass wir mit ihr mitfühlen können, bspw. eine schwere Vergangenheit. Sie darf aber nicht zu tragisch & hilflos sein, sondern braucht irgendwo auch eine gewisse Stärke.
  4. Besondere Fähigkeiten, wie eine sehr hohe Intelligenz, Witzigkeit oder magische Kräfte, sind auch wichtig.
  5. Die Handlung einer Geschichte ergibt sich aus dem Willen der Hauptfigur. Die Motivation der Hauptfigur muss nachvollziehbar sein, genauso wie ihre Entwicklung während der Geschichte.
  6. Eine Figur darf nicht überzeichnet sein, da sie sonst albern wirkt.

wannabeauthor 
Beitragsersteller
 20.08.2023, 20:48

Danke! Die Antwort hat mir wirklich weitergeholfen!

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BrataniusCaesar  20.08.2023, 23:15
Die Figur muss Schwächen haben oder darf zumindest nicht zu perfekt sein. Eine Figur die das nicht erfüllt nennt man übrigens abwertend Mary Sue.

Häufig wird jungen Schriftstellern der Tipp gegeben, dass eine Figur ja Schwächen braucht, aber das führt dazu, dass auf Krampf irgendwelche Schwächen dazugedichtet werden. Muss nicht sein. Das Kernproblem an Mary Sue ist nicht, dass sie "perfekt" ist, sondern dass ihre Geschichte langweilig ist.

An sich darf ein Charakter perfekt sein - wie auch immer man das definieren will. Man muss nur darauf achten, dass ihm angebrachte Herausforderungen geboten werden.

Mal ein ganz einfaches Beispiel: wir haben einen Hauptcharakter, der von seinen Peers als perfekt betrachtet wird. Er ist gut in jeder Sportart, besiegt jeden im Schach, gewinnt jeden Buchstabierwettbewerb. Nun kommt aber auf einmal ein Gegenspieler, der ebenfalls perfekt ist und die beiden duellieren sich in jeder erdenklichen Sportart. Die Spannung hierbei besteht darin, dass wir darauf warten, wer von beiden zuerst einen Fehler macht und wer letztendlich doch ein kleines Stück besser ist. Oder vielleicht sind die beiden sich tatsächlich komplett ebenbürtig und einer gewinnt nur, weil er unfair gespielt hat, Hilfe hatte oder weil der Schiri nicht richtig geguckt hat und dabei hängt das Schicksal des gesamten Universums davon ab.

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Meines Erachtens ist eine anregende Buchfigur in ihrem Chrakterprofil sehr vielschichtig und nie recht zu fassen. Der Leser beißt sich an ihr die Zähne aus. Sie hat dunkle Stellen, blinde Flecken .. eine Aura des Unerklärlichen umstrahlt sie. Gerade dieses Ungreifbare macht die Figur zu einem Faszinosum - so schillernd wie das Leben selbst.

Keine aalglatte Mary Sue. Eher Leute, denen das Leben übel mitspielt.