Was will Goehte mit "Dämmrung senkte sich von oben" sagen?
Hallo,
Bei dem Gedicht "Dämmrung sentke sich von oben" verstehe ich nicht ganz, was Goethe uns damit sagen will bzw was im Gedicht erzählt wird und worum es da genau geht :/
Gedicht :
Dämmrung senkte sich von oben, Schon ist alle Nähe fern; Doch zuerst emporgehoben Holden Lichts der Abendstern! Alles schwankt ins Ungewisse, Nebel schleichen in die Höh; Schwarzvertiefte Finsternisse Widerspiegelnd ruht der See.
Nun im östlichen Bereiche Ahn ich Mondenglanz und -glut, Schlanker Weiden Haargezweige Scherzen auf der nächsten Flut. Durch bewegter Schatten Spiele Zittert Lunas Zauberschein Und durchs Auge schleicht die Kühle Sänftigend ins Herz hinein.
3 Antworten
Goethe beschreibt in diesem Gedicht, wie es abends dunkel und kühl wird, der Abendstern und der Mond anfangen zu leuchten und Nebel anfangen aufzusteigen (Luna = der Mond).
Es ist eine ähnliche Szenerie wie im berühmten Gedicht "Der Mond ist aufgegangen" von Matthias Claudius.
Insgesamt ist es eine ziemlich ruhige Stimmung, alles passiert langsam.
Ob hinter der naturalistischen Schilderung abgesehen von vagen Gemütsstimmungen noch eine zweite Ebene oder geheime Botschaft liegt, vermag ich nicht abzuschätzen.
"Alles schwankt ins Ungewisse" und "Finsternisse" sind ja vielleicht eher beängstigend, während in der zweiten Strophe das Beruhigende (Mond, sanfte Kühle) eher betont wird.
Gemäß der Interpretation, die Gerenz zur Verfügung gestellt hat (siehe unten) scheint es ja tatsächlich eine zweite Ebene bzw. Hauptbedeutung des Gedichts zu geben.
Der ganze Vordergrund, den ein unbedarfter Leser erkennt, ist nur Metapher, und es geht gar nicht darum, dass ein Tag zuende geht, sondern dass ein Mensch stirbt.
Goethe hatte drei Motive für diese Formulierung:
1. Dämmerung kommt immer von oben, da sie einsetzt, wenn das Sonnenlicht schwindet
2. Sie hat ihm das Finden eines Reimes erleichtert.
3. "Sich absenken" und "emporheben" sind literarisch wirksame Gegensätze.
Hallo mychrissie,
was Deinen Satz 1 betrifft bin ich mir da gar nicht so sicher. Die eigentliche Dämmerung setzt ja erst ein, wenn die Sonne untergegangen ist. Da kann es leicht sein, dass es unten schon ziemlich dunkel ist, aber am Himmel noch Wolken sind, die von der Sonne beschienen werden.
Prima vistu hätte ich das Gedicht für impressionistisch gehalten, dass Goethe also seine Eindrücke schildert, die er real wahrnimmt; aber gerade diese eher unrealistische erste Zeile macht mich stutzig. Sie erinnert mich an das Bild von der Nacht als einer guten Mutter in Agnes Miegels "Abends kommen Elche von den Dünen", aber auch an die Zeile "und in den Bergen hing die Nacht" in Goethe "Willkommen und Abschied" , in der ich mir eher den etwas unheimlichen Anblick des Taunus von unten in der Dämmerung vorstelle. Beides zusammen legt durchaus die Deutung nah, dass die Dämmerung ein Bild für den nahen Tod sein kann.
Was Goethe faktisch zu diesen Formulierungen gebracht hat, ist doch eigentlich nebensächlich. Seit der Aufklärung glauben wir, alles realistisch mit der "Vernunft" auf Plausibilität prüfen zu müssen und zu können. Bei neueren Künstlern kämen wir nie auf die Idee. Oder vermutest Du beim Anblick eines kubistischen Gemäldes von Picasso, er habe eben Menschen mit eckigen Köpfen gesehen und fahndest bei der interpretation eines Marc-Gemäldes nach einer blauen Pferderasse?
Goethe stellt in diesem Gedicht eine Stimmung mit Sprache her, er schafft sozusagen eine emotionale Leinwand, auf die wir unsere Wahrnehmungsgefühle projezieren können und natürlich auch dürfen.
Brentano lässt in seinen Gedichten manchmal Bienen "rieseln" und mischt Adjektive, Verben und Substantive nach Klang und Gefühl. Stadtfeld spielt für Cembalo komponierte Bach-Fugen auf einem modernen Konzertflügel. Und Händels Messias habe ich schon von Gospelchören gehört. Wir nehmen unser Recht wahr, Kunst zu rezipieren, wie wir sie empfinden und wie es unserem kulturellen Hier-und-jetzt-Gefühl entspricht.
Künstler haben jedes nur denkbare Recht. Die Pflicht zur Realität jedoch niemals. Und die Grenzen zwischen Kreation und Rezeption sind fließend.
Dann – entschuldige – war Deine Frage missverständlich gestellt. Es hatte sich sozusagen Dämmerung von oben über sie gesenkt. :-)
Hier hast du die Antwort:
http://www.artikelpedia.com/artikel/deutsch/7/gedichinterpretation-dmmr73.php
Gruß!_ gerenz
Danke für die Antwort ! So habe ich es mir bildlich auch vorgestellt, aber ich finde hier die Polarität nicht. Also die These und dann die gegenstellende Antithese. Unser Lehrer meinte, dass es eine gäbe