Was passierte in der 1. und 2.Lautverschiebung?

1 Antwort

Mit der 1. LV (Lautverschiebung) meint man oft die erste germanische Lautverschiebung (es gab natürlich sehr viele andere Verschiebungen, nicht nur in den germanischen Sprachen). Dabei veränderten sich einige Laute in einer regelmäßigen Art und Weise, wenn man "außergermanische" Sprachen (wie z.B. Latein oder Griechisch) mit germanischen Sprachen vergleicht.

So wurde piscis (Latein, Fisch) im Schwedischen z.B. zu fisk, d.h. diese Verschiebung war p > f. Andere Beispiele sieht man in dieser Tabelle:

Erste Lautverschiebung – Wikipedia

Auch wurde dubus (tief) in den germanischen Sprachen zu "deep" (englisch), "djup" (schwedisch) o.ä., d.h. diese Verschiebung war b > p.

Während die erste germanische LV alle germanischen Sprachen betraf, betraf die zweite germanische LV nur die Verschiebung zum Hochdeutschen. Niederdeutsch machte die zweite LV nicht mit (ebenso wie Niederländisch). Mit "Hochdeutsch" ist aber nicht Standarddeutsch gemeint, sondern die Menge aller süddeutscher Varianten des Deutschen.

Und da kann man gleich mit deep/djup weitermachen. In der 2.LV wurde aus dem auslautenden -p ein -f, wir sagen ja "tief".

Zweite Lautverschiebung – Wikipedia

Und da sieht man auch in der ersten Phase p > f.
In der zweiten Phase wurde p > pf verschoben.
Diesen Unterschied hört noch in den Dialekten, im Norden "Appel", im Süden "Apfel".

Das Fehlen der 2.LV kann man schön in niederdeutschen Texten erkennen. Als Beispiel nehme ich ganz gerne eine Inschrift auf einem alten Haus in der Innenstadt von Hameln/Niedersachsen.

"Wer sine Tunge nicht tömen kann
Un Oebel red’t von Allemann
Deselbe weete tau aller Frist
Dat öhne ihn min Hus versparret is. (Hameln, Inschrift von 1554)"

"Wer seine Zunge nicht zähmen kann
Und Übel redet von Allemann
Derselbe wisse jederzeit ("zu aller Frist")
Dass ohne ihn mein Haus versperret ist."

t>z ist Teil der 2.LV, im Norden fehlt (oder fehlte) sie.
Auch die Schweden sagen tam (anstelle von "zahm") und tunga (anstelle von "Zunge"). Auch i>ei ("min" versus "mein") gehört dazu.