Was ist der Unterschied zwischen Ergotherapie und Heilpädagogik?

1 Antwort

Hui, das ist eine weitreichende Frage. Als Ergotherapeut will ich mal versuchen, sie abseits der üblichen, unverständlich formulierten Berufsbeschreibungen zu erklären.

Im Grunde haben beide Berufe das gleiche Vorhaben: die Lebensqualität von Menschen zu verbessern. Die Heilpädagogen (HPs) wählen dabei den pädagogischen Weg, die Ergotherapeuten (ETs) den therapeutischen. Der Unterschied besteht insofern, dass die HPs ihre Klienten (hauptsächlich Menschen mit Behinderungen und Kinder mit verschiedenen Störungs- und Krankheitsbildern) in ihrer Entwicklung begleiten und unterstützen. Dabei werden für die Erziehung und Pädagogik typische Mittel genutzt (z.B. Gruppenspiele, Verhaltensregeln). Während hier also das Augenmerk auf der Entwicklung und dem Sozialverhalten liegt, setzt die ET andere Ziele. Hier steht insbesondere der Begriff "Handlungsfähigkeit" im Alltag an oberster Stelle. Ob der ET wie der HP eine ganzheitliche Sichtweise auf den Klienten einnimmt (hier gibt es deutliche Überschneidungen) oder ob der ET das Störungs- oder Krankheitsbild in den Mittelpunkt rückt, ist eine Frage des Einsatzgebietes. Im psychiatrischen Bereich arbeitet der ET beispielsweise sehr ganzheitlich (d.h. er stellt den Menschen, sein soziales Umfeld, sein Verhalten, etc. in den Mittelpunkt), während er im motorisch-funktionellen Bereich (z.B. Schulung der Feinmotorik nach OPs, Schlaganfällen, etc.) eher das Krankheitsbild in den Mittelpunkt stellt. In jedem Fall versucht der ET jedoch, die Alltagsrelevanz und Sinnhaftigkeit für den Klienten in die Therapie maßgebend einfließen zu lassen.

Entsprechend gibt es, insbesondere während der Ausbildung, deutliche Unterschiede. Bei medizinischen Themen (Anatomie, Physiologie, Pathologie, etc.) ist die Ausbildung der ETs wesentlich detaillierter, während die HPs intensiver auf Pädagogik und Sozialverhalten eingehen. Desweiteren werden in der ET mehr Mittel der Befunderhebung und -überprüfung nach wissenschaftlichen Standards genutzt, d.h. das Messbarkeit eine große Rolle spielt. Ein Beispiel hierfür wären Gelenkmessungen in der Handtherapie.

Befundet wird in beiden Berufen, wobei auch hier wieder der Unterschied deutlich wird: Der HP geht oftmals stärker als der ET auf Sozialverhalten und Sozialentwicklung ein, während der ET in den Bereichen Kognition, Motorik, Selbstständigkeit, etc. tiefergehender befunden kann (aufgrund der besagten intensiveren medizinischen Ausbildung).

Zu den Einstellungschancen: Zu den HPs kann ich keine Aussage machen, die ETs jedoch finden für gewöhnlich schnell und einfach ihr Unterkommen. Von mir und meinem Ausbildungskurs und dem davor hatte jeder schon eine Jobzusage, noch bevor sie ihr Examen machten.


Sophia125 
Beitragsersteller
 07.03.2012, 20:20

Danke! Der Kommentar hat mir wirklich weitergeholfen!

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Laufvogel  07.03.2012, 21:14
@Sophia125

Dann darfst du meine Frage auch als die hilfreichste Auszeichnen, wenn du magst. Das wird leider gerne oft vergessen... ;-)

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