Was ist das schwere an Elektrotechnik?

11 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Ich mache momentan eine Ausbildung zum Physiklaboranten (1. LJ) und war vor zwei Monaten bei der Einschulung in der Berufsschule. (Da ich Blockunterricht habe, war das bisher das einzige Mal, dass ich da war.)
Dort habe ich dann schonmal einige meiner zukünftigen Klassenkamerae kennengelernt und musste feststellen, dass ich (mit 19) einer der jüngsten war, obwohl ich doch in dem Laden, in dem ich meine Ausbildung mache, von allen neuen Azubis der zweitälteste war (allerdings der einzige Physiklaborant).

Und in der Berufsschule hat sich dann herausgestellt, dass die meisten anderen Azubis Studienabbrecher aus Physik und Elektrotechnik sind, denen es an Praxiswissen fehlte.

Nun legt wohl jede Ausbildungsstätte andere Schwerpunkte bei der Ausbildung, entsprechend dem Fachgebiet der Firma, bzw. in meinem Fall des Ausbilders und der AG, und bei mir ist es die Elektrotechnik.

Mit dem ohmschen Gesetz und den Kirchhoffschen Regeln habe ich auch kein Problem. Schaltkreise auf Platinen löten? Kein Ding.

Allerdings bin ich jemand, der immer alle Möglichkeiten in Betracht zieht. Wenn man viel neues lernt (und das selbstständig machen muss), dann zweifelt man oft, ob der eigene Schluss auch korrekt ist.
Und wie gesagt, bei mir ist das besonders schlimm.
Wenn ich nicht absolut sicher bin, dass etwas genau so sein muss, dann verbringe ich mindestens eine Stunde damit, eine eindeutige Antwort aus 3 Büchern und 10 Google-Suchen auf 2 Seiten von Ergebnissen zu suchen.

Oft erfolglos. Da rege ich mich dann auf, dass ich doch nicht der Erste sein kann, der dieses Problem hat.
Auch neue Bauteile sind immer eine Herausforderung.
Ich will meistens mehr verstehen, als ich muss. Und oft verstehe ich weniger, als ich sollte.
Das Problem sind nicht die Regeln, sondern die Sonderfälle. Denn für die gibt es nur selten explizite Regeln. Und die Elektrotechnik scheint zu großen Teilen aus Sonderfällen zu bestehen.

Als Beispiel: Die Shockley-Gleichung. Mit der muss ich mich heute rumschlagen.
Allerdings fehlen mir Is, n und Ut. Ut kann ich berechnen.
Is und n nicht. Dafür muss ich ein bestimmtes Programm verwenden: SciDAVis. Und dieses Programm ist die Hölle. Kaum erklärt, im Internet findet man nicht viele brauchbare Tutorials, man wird einfach ins kalte Wasser geworfen und versteht gar nicht, was man damit anfangen soll, weil erstmal nichts so klappt, wie man es gerne hätte.

Die komplexe Formelarbeit, das Verständnis, was man wo, wann, wie und warum machen kann etc. ist das Problem. Mathematik ist ein Fachgebiet, dass immer eindeutige und exakte Lösungen hat. Also muss auch alles geregelt sein. Wenn man die Regeln nicht kennt und nicht findet, ist man am Arsch.
Fast, als wäre die Mathematik ein Geheimbund, in den man nur kommt, wenn man jemanden kennt. Alle anderen haben Pech gehabt.

Elektrotechnik selbst ist nicht unbedingt schwer aber ich denke, dass es nichts ist was man einfach machen sollte um "überhaupt" etwas zu tun. Für Elektrotechnik sollte ein gewisses Interesse und ein gewisses technisches Verständnis vorhanden sein.

Vor allem ist nicht immer alles auf Anhieb klar in der Elektrotechnik. Es wird mit Dingen gearbeitet die man nicht sieht, nämlich den elektrischen Strom. Eine Spannungsquelle wird angeschlossen und plötzlich passiert etwas was genau passiert sieht man nicht. Man sieht nicht wie Elektronen durch den Leiter fließen und etwas auslösen und ich kann auch nicht auf eine Steckdose schauen und sehen wie sich die Polarität der Spannung Sinusförmig ändert ganz zu schweigen von der Frequenz von 50Hz wofür das menschliche Auge sowieso zu träge ist.

Elektrotechnik arbeitet mit den aller Kleinsten Dingen nämlich den Teilchen. Es geht regelrecht in die Richtung der Quantenmechanik und da ist alles alles andere als Eindeutig. Wer hierfür kein Interesse hat und einfach nur einen Elektrotechnischen Beruf ausübt um "überhaupt etwas" zu haben tut sich damit sehr schnell sehr schwer. Gerade die Elektronik Berufe sind sehr komplexe Berufe.

Vor allem mit Themen wie Kompensation, Wechselstromtechnik und Halbleitertechnik tun sich viele sehr schwer.

Aber es ist kein Ding der Unmöglichkeit. Wie bei vielen anderen Dingen im Leben auch ist jedoch auch Elektrotechnik ein Thema, was im Nachhinein betrachtet gar nicht so schwer ist wie man dachte, wenn man das Thema erst einmal verstanden hat.

Doch Elektrotechnik ist ein Thema an dem man dran bleiben muss, wenn man sich dafür entschieden hat. Die Anforderungen werden von Zeit zur Zeit vielfältiger und die Komplexität elektrotechnischer Systeme steigt mehr und mehr. Hier muss man wirklich dran bleiben um Mitzuhalten.

Wenn ich beurteilen müsste was an der Elektrotechnik schwer ist, dann würde ich sagen, dass es der erhöhte Abstraktionsgrad ist, denn du hast es hier mit etwas zu tun was du nicht direkt sehen kannst, den elektrischen Strom selber sieht man ja nicht, deshalb braucht es Modellvorstellungen um das besser begreifen zu können und bei der komplexen Wechselstromrechnung sowieso oft kommen die meisten damit nicht zurecht, denn die Komplexen Zahlen haben viele vorher nicht gelernt und oft bekommt man in der Ausbilung (so zumindest bei mir damals) keine Einführung in die mathematische Welt der komplexen Zahlen.

Es erwartet ein auch in der Ausbildung eine Menge Mathematik. Es ist also vom Vorteil wenn man gewisse Grundlagen drauf hat, man sollte in der Lage sein mit Gleichungssystemen umzugehen, Gleichungen vereinfachen und Äquivalenzumformung sowie Grundrechenregeln im vollen Umfang beherrschen. Das würde ich auf jeden Fall empfehlen, wer also eine Ausbildung im Bereich Elektrotechnik beginnt, dem empfehle ich wer da noch Schwierigkeiten hat sich die mathematischen Grundlagen anzueignen, denn die wird man definitiv brauchen.

Ansonsten braucht es zusätzlich eine gewisse Affinität, man sollte Physik mögen, sich von der Mathematik nicht abschrecken lassen und großes Interesse an der Elektrotechnik mitbringen.

Elektrotechnik besteht nicht nur aus URI und den kirchhoffschen Regeln. Und solange man mit Gleichspannungen rechnet, ist alles noch völlig einfach.

Aber spätestens dann, wenn mit Wechselspannung, Induktivitäten und Kapazitäten gerechnet wird, legt man sich schnell die Karten. Denn in der Elektrotechnik kommt so ziemlich jeder griechische Buchstabe in irgendeiner Formel vor und ohne Wurzel kommt man auch oft nicht weiter.

In über 30 Jahren Berufserfahrung ist mir bisher auch nur ein einziger Elektrotechniker (Ingenieur) begegnet, welcher sich nahezu 100%-ig mit Elektromotoren auskannte und vor allem dieses Wissen weitervermitteln konnte. Wobei ich zugeben muss, dass mangels Anwendung nur wenig dieses Wissens bei mir länger hängen geblieben ist.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Industrieelektriker (Betriebstechnik)

Okan33 
Beitragsersteller
 06.11.2019, 14:23

Den induktiven Widerstand und den Kapazitiven Widerstand, also spule und Kondensator haben wir auch durch! ;)

Weiß aber was du meinst!

0

Wir hatten in der Berufschulklasse (Energieelektroniker fűr Betriebstechnik) jemand der nur Einser (in allen Fächern ) hatte.

Er studierte danach Elektrotechnik. In der 5. Prűfungsarbeit hatte er dort eine 4.......