Was ist am Film Vertigo besonders?

2 Antworten

Meines Erachtens, dass der Film praktisch in zwei Teile unterteilt ist, und Du im ersten Teil praktisch an der Nase herumgeführt wirst.

Ich hoffe Du hast den Film gesehen, denn jetzt folgen vielleicht Spoiler: Im ersten Teil ist alles sehr übernatürlich, abergläubisch und man fragt sich, wie am Ende das Ganze doch wohl aufgelöst werden soll. Im zweiten Teil allerdings dreht sich alles komplett um und der Zuschauer weiss plötzlich mehr als der Hauptcharakter, hat jetzt nicht mehr Angst vor dem Übernatürlichen, sondern bangt nun plötzlich um den Charakter. Das Ende ist genial; da es kurz und praktisch unerwartet ist.

Der Film zählt zu den besten Filmen aller Zeiten, und ist auch einer meiner Lieblinge (wenn auch nur von Hitchcock) und sehr zu empfehlen.

Ich hoffe, ich konnte Dir weiterhelfen.

Liebe Grüsse :)

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Drehbuchautor.

Der Film rangierte einige Zeit an erster Stelle der ewigen Liste der besten Filme aller Zeiten (oder steht er immer noch auf dieser Liste ganz oben?). Ich habe ihn eine Zeitlang auch für den besten Film gehalten, der je gedreht wurde. Heute neige ich eher zu Hitchcocks „Der unsichtbare Dritte“.

„Vertigo“ heißt zu Deutsch Schwindel. Das Besondere an dem Film ist seine Zweiteilung. Im ersten Teil wird der Protagonist Scottie in einen Strudel mysteriöser Vorkommnisse sukzessive hineingezogen. Er muss angesichts des rätselhaften Verhaltens der Ehefrau seines früheren Freundes, der ihn beauftragt hat, die Frau (Madeleine) zu beobachten, immer mehr annehmen, dass die Observierte an einem Wahn leidet und dass dieser Wahn eventuell sogar eine gewisse Realität besitzt, dass die Frau nämlich vom Geist ihrer Großmutter tatsächlich besessen ist. Dies wird nun von dem Regisseur mit allen raffinierten Möglichkeiten der bildhaften Darstellung dieses Wahns dem Zuschauer vorgeführt. Dieser und auch der Hauptdarsteller fangen an, an der Realität der Beeinflussung Madeleines durch den Geist der Großmutter zu glauben. Scottie, der Protagonist, der sich in Madeleine verliebt hat, ist durch alle diese seltsamen Ereignisse, vor allem durch den Selbstmord Madeleines, dermaßen mitgenommen, dass er vorübergehend dem Wahnsinn verfällt und in einer psychiatrischen Anstalt behandelt werden muss.

Im zweiten Teil ist Scottie wieder geheilt und trifft zufällig auf eine junge Frau, die der verstorbenen Madeleine ähnlich sieht. Es gelingt ihm, diese junge Frau für sich einzunehmen, sodass sie mit ihm mehrere Male ausgeht. Dabei ist nun Scottie von dem Wahn besessen, das Aussehen der Frau durch eine neue Frisur und eine bestimmte Kleidung so zu verändern, dass sie der einst zu Tode gekommenen Madeleine täuschend ähnlich sieht. Als die so veränderte „neue“ Madeleine aus dem Seitenzimmer des Hotels, wo Scottie wohnt, hervortritt, wird vom Regisseur der Auftritt stimmungsmäßig so gestaltet, als käme Madeleine aus einer anderen, jenseitigen Welt zu Scottie zurück.

Dass alles ein von dem Jugendfreund inszenierter mörderischer Schwindel war, bemerkt Scottie erst, als er eine Brosche am Hals der verwandelten Madeleine entdeckt, die früher auch die wirkliche Madeleine getragen hat. Der Zuschauer wird schon einige Szenen vorher, durch die Erinnerung der jungen Frau, welche die Madeleine nur gespielt hatte, über das Bubenstück informiert.

Das Meisterhafte an dem Film ist die Durchdringung der Realität mit verschiedenen Aspekten des Irrealen, Mysteriösen, die vom Regisseur eindrucksvoll vermittels metaphorischer Analogien vorgeführten werden. Nicht nur der Protagonist, auch der Zuschauer wird dadurch von unheimlichen Assoziationen erfasst. Im zweiten Teil nun befindet man sich wieder in der Realität dieser Welt – glaubt man jedenfalls. Jedoch, als die verwandelte Madeleine aus dem Nachbarzimmer des Hotels vor Scottie erscheint, werden dieser und auch der Zuschauer durch das von Hitchcock inszenierte spukhafte Geflimmer erneut vom Schauer des Jenseitigen berührt. Soll also heißen: die Wirklichkeit und das Numinose wohnen eng beieinander, zumindest in der Einbildung.

Das alles so treffend und großartig gestaltet zu haben, zeugt von der Meisterschaft dieses bedeutenden Regisseurs. Als der Film zum ersten Mal gezeigt wurde, stieß er auf allgemeine Ablehnung. Ein bekannter deutscher Kritiker schrieb: „Hitchcock, bleib bei deinen Leichen!“ Ich war damals zu jung, um den Film zu verstehen. Ich hatte ihn als einen etwas seltsamen Kriminalfilm aufgefasst.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung