Was hat eine negative bzw. positive Entropie zur Folge?

5 Antworten

Ob eine Reaktion abläuft oder nicht, wird von der Entropie diktiert. Wenn das ΔS eines Prozesses positiv ist, dann läuft er ab. Wenn nicht dann nicht. Das ist der zweite Hauptsatz der Thermo­dynamik, und der hat immer recht. Punkt. Aus. Ende.

Naja, nicht ganz Ende. Was ich im obigen Absatz als ΔS be­zeich­net habe, das ist die Entropie­änderung im ab­geschlos­senen System. Eine chemische Reaktion findet normalerweise in einem offenen oder geschlossenen, nicht aber in einem abgeschlossenen System statt. Um den Zweiten Hauptsatz anwenden zu können, muß man also erst einmal abschließen. Man darf also nicht nur den Topf betrachten, in dem es kocht, sondern auch die (Labor)-Umgebung, die mit diesem Topf zumindest Energie (und oft auch Materie) austauscht.

Für den Fall eines Topfes, der nur Energie und keine Materie aus­tauscht, stellt man nun fest, daß die Gesamtentropie (Topf+Labor, das ist die, für die der erste Absatz zutrifft) aus Beiträgen der Reaktionsentropie und Reaktionsenthalpie (das ist die, die sich nur im Topf abspielt) zusammensetzt. Die Freie Enthalpie F=H−TS ist im Prinzip genau diese Gesamtentropie mal Temperatur mal minus 1..

Wenn wir also mit ΔH den Energieumsatz im Topf und mit ΔS den Entropieumsatz im Topf bezeichnen, dann folgt als dem Gesagten, daß die Reaktion dann und nur dann abläuft, wenn ΔG=ΔH−TδS kleiner Null ist.

Die einfachen Fälle sind: ΔH<0 und ΔS>0, dann läuft die Reaktion immer ab. Umgekehrt ΔH>0 und ΔS<0, dann will die Reaktion niemals.

Wenn ΔH größer Null ist, dann kann die Reaktion nur ablaufen, wenn (a) ΔS negativ ist und (b) die Temperatur hoch genug, daß der Entropie-Beitrag den Enthalpie-Beitrag überstimmt. Endotherme Reaktionen laufen also bei hohen Temperaturen besser als bei niedrigen ab.

Wenn ΔS kleiner Null ist, dann verbraucht die Reaktion Entropie und kann nur ablaufen, wenn (a) ΔH kleiner Null ist und (b) die Temperatur klein genug ist, daß der H-Term dominiert.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Chemiestudium mit Diss über Quanten­chemie und Thermodynamik

Schlomo824  30.01.2024, 19:59

Doofe Frage:

Auf was bezieht sich in diesen Fällen die Temperatur bei G=H-TS ?

Bei eine exothermen Reaktion wird ja Wärme an die Umgebung abgegeben und somit steigt die Temperatur an.

Bei enothermen wird Energie aufgenommen , Temperatur sinkt.

Wird die Temperatur dann durch die Reaktion beeinflusst?

Und warum hängt die Temperatur eigentlich mit Entropie zusammen?

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indiachinacook  30.01.2024, 20:22
@Schlomo824

Seufz. So kommen meine alten Antworten (von vor 9 Jahren!) zurück wie die Schatten der Vergangenheit. Horribel, wieviele Tippfehler (auch sinnstörende) da drin sind.

Aber zu Deiner Frage: Das ist unintuitiv. Die Temperatur wird bei dieser Betrach­tung als kon­stant angenommen, also die Reaktionswärme fließt einfach in die Um­ge­bung, ohne das Sy­stem zu erwärmen. Strikt betrachtet ist das die Voraus­setzung, daß man mit der frei­en En­er­gie ΔG überhaupt arbeiten darf („isotherm–isobares Ensemble“). Wenn man die Tem­pe­ra­tur­ver­än­de­rung durch die Reaktions­wärme mit­berück­sichtigen will, dann wird alles deutlich unangenehmer, weil alle Enthalpien und Entropien selbst wieder milde tem­pe­ra­tur­ab­hän­gig sind, und um das in den Griff zu kriegen, braucht man die Wärme­­kapa­zi­tä­ten über den gesam­ten Tem­peratur­bereich und muß numerisch integrieren. Sinn­voller­weise verwendet man dann auch keine Stan­­dard­bil­dungs­enthal­pien (etc), sondern an­dere Kon­­ven­tio­nen, die sich leichter auf andere Temperaturen umrechnen lassen.

Praktisch heizt die Reaktionsenergie natürlich die Reaktionsmischung auf, aber man kann natürlich immer warten, bis diese Wärme in die Umgebung abgeflossen ist. Weil die Tem­pe­ra­tur­abhän­gig­keit der Zustandsfunktionen einigermaßen gering ist, spielen ein paar Grad auch kei­ne große Rolle. Ein Kalorimeter ist z.B. so gebaut, daß die Reaktions­wärme eine Tem­­pe­­ra­­tur­­erhö­­hung von ein paar Grad bewirkt, und dann kann man immer noch simpel mit Enthal­pien rech­nen ohne Korrektur für die variable Temperatur.

War das jetzt die Antwort, die Du wolltest?

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Schlomo824  30.01.2024, 20:38
@indiachinacook

Also um unser Leben einfacher zu gestalten nehmen wir bei jeder Reaktion einfach an, dass die Temperatur währendessen konstant ist. In Wirklichkeit beeinflusst aber jede Reaktion die Temperatur.

Um noch einfacher das ganze zu gestalten entwickeln wir Tabellenwerke mit verschiedenen Reaktionen bei konstantem Druck und konstanter Temperatur ( Raumtemperatur 25 Grad).

Dann brauchen wir einfach in die Tabellenwerke zu schauen, die Werte standardenthalpie und standardEntropie für eine Reaktion zu nehmen und die freie Energie/enthalpie auszurechnen und wir wissen ganz schnell ob die Reaktion dann überhaupt ablaufen wird.

Hab ich das richtig verstanden?

Gut, die Standardenthalpie können wir mithilfe eines kalorimeters bestimmen bei konstantem Druck. ( wie bei Nahrungsmitteln), dazu brauchen wir nur die Wärme auszurechnen und das ist dann die Freiwerdene Energie bzw Wärme.

Wie bestimmt man experimentiell die Standardentropie die in Tabellenwerke enthalten sind? Ich habe dazu nichts gefunden.

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indiachinacook  30.01.2024, 20:49
@Schlomo824

Ja, das hast Du richtig wiedergegeben. Beachte, daß natürlich der Satz von Hess gilt und es keinen Unterschied macht, ob ich Glucose bei 25 °C verbrenne (mit einem Katalysator und so langsam, daß die Wärme gut abließen kann und die Temperatur nicht steigt) oder ob ich das Zeug bei 1000 °C verbrenne und die Verbrennungsgase dann auf 25 °C abkühle. Der Gesamtenergieumsatz ist natürlich derselbe.

Entropien zu bestimmen ist trickreich. Ich schätze, daß das sehr indirekt gemacht wird, durch In­te­gra­tion über die Wärmekapazitäten. Für kleine Moleküle in der Gas­phase wird auch sehr viel rech­ne­risch gemacht mit statistischer Thermo­dynamik (aus experimentellen Schwin­gungs­fre­quen­zen etc). In günstigen Fällen kriegt man sie einigermaßen direkt aus den Gleich­gewichts­kon­stan­ten.

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Stimmt nicht...

Die Natur hat zwei Vorlieben: Den energieärmsten Zustand einzunehmen und die größte Unordnung. Wenn Du einen Bleistift fallen lässt, fällt er auf den Boden, wo er weniger Gravitationsenergie enthält und nicht zur Decke. Wenn Du alle Würfel mit der 6 nach oben in einen Würfelbecher legst und schüttelst, bekommst Du wahrscheinlich ein Mischmasch, aber nur sehr selten lauter Sechser. Der ungeordnete Zustand ist bevorzugt - weil es viel mehr ungeordnete als geordnete Zustaände gibt, bevorzugt die Statistik das Ungeordnete.

Ersteres wird mit der Enthalpie ausgedrückt. Eine negative Enthalpieänderung Delta H bedeutet, Energie wird frei und die Reaktion ist exotherm. Eine positive Enthalpieänderung ist die endotherme Reaktion.

Wenn die Reaktion "Unordnung" erzeugt, z.B. Eis schmilzt und aus geordneten Kristallen wird irgendwie beliebig angeordnetes flüssiges Wasser, steigt die Entropie. Beim Frieren von Wasser sinkt die Entropie Delta S des Wassers. Ja, die Entropie kann sinken, man muss dazu aber Arbeit aufbringen. Der 2. Hauptsatz, der sagt dass die Entropie nicht sinkt, gilt nur für abgeschlossene Systeme.

Man kann jetzt zeigen - das ist aber recht anspruchsvoll - dass eine Reaktion NUR dann ablaufen kann, wenn Delta H - T Delta S negativ ist. Wenn Delta H kleiner Null ist und Delta S größer Null ist das erfüllt. Die Reaktion kann dann ablaufen, muss aber nicht. Umgekehrt, Delta H - T Delta S > 0 bedeutet, die Reaktion läuft auf keinen Fall.

Weil diese Differenz so wichtig ist, bekommt sie einen eigenen Namen und Buchstaben:

G = H - T S = freie Gibbssche Enthalpie

Du kannst schon erahnen, dass endotherme Reaktionen nur bei ausreichend hoher Temperatur ablaufen können.

Wenn Dich das alles näher im Detail interessiert, schau mal in ein Lehrbuch über chemische Thermodynamik oder physikalische Chemie. Das erfordert aber mindestens Kenntnisse in der Differentialrechnung mehrerer Veränderlicher. Darum lernst Du es normal in der Uni in einem natur- oder ingenieurwissenschaftlichen Fach. Aber probiers ruhig mal ;-) Viel Spaß!!

Gemäß 2. HS der TD kann die Entropie in einem geschlossenen System spontan nur zunehmen, d.h. deltaS ist immer positiv. Entsprechende chem. Reaktionen können daher nur exotherm spontan ablaufen.

Ein negatives deltaS ist nur bei offenen Systemen möglich, wenn Energie zugeführt wird. Deine Folgerung ist daher korrekt: die Reaktionen verlaufen endotherm.

Wenn die Entropie an sich negativ ist, müssen wir nicht mehr staubwischen, der Schreibtisch organisiert sich von alleine, es gibt keine Unordnung mehr auf der Welt: das Chaos hat endgültig verloren - leider leben wir aber in einer Welt der positiven Entropie... ;)))


Kaeselocher  03.12.2014, 18:03

Mütter sind negative Entropie :-D

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Bevarian  03.12.2014, 18:07
@Kaeselocher

;))) Hmmm - und dennoch nachweislich verantwortlich für die Erzeugung riesiger positiver Entropie...(zumindest wenn ich an die ersten Jahre mit meiner Kleenen denke)?!?

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Defaetist  08.12.2014, 20:23
@Bevarian

Delta S kann schon negativ sein, die Entropie selbst ist immer positiv. Daran ändern alle Mütter dieser Welt nichts... ;-)

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Da wir 2014 haben beantworte ich mal deine Frage wie folgt. +deltaS ist keine spontane Reaktion. -deltaS ist das gleiche wie +deltaS.somit kommt die endotherm zum tragen. Gruß Ralf