Was hat die Mesoteslehre/ Tugendethik von Aristoteles mit Freundschaft zutun?

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Aristoteles hat in seiner Nikomachischen Ethik sehr gute Beiträge zur Bestimmung dessen beigetragen, was wir als Freundschaft (unter Gleichen) bezeichnen, also nicht das, was unter Liebe oder Barmherzigkeit oder noch anderen positiven Beziehungen zwischen Menschen gesehen wird. 

Ein Kriterium, was mich besonders überzeugt hat, ist der Wunsch und das Bestreben der Freunde, dass sie sich für den jeweils anderen "das Gute" wünschen, d.h., dass es ihm gut geht. Man muss sich das ganz deutlich vor Augen führen: es bereitet mir Freude, wenn ich erlebe, dass dem anderen etwas gelungen ist, dass er Erfolg hat, dass er vielleicht eine positive Liebesbeziehung aufbauen konnte, dass er gewonnen hat, dass er glücklich ist. 

Wie oft erfährt man, dass der "Freund" in solchen Fällen doch eher in einen Neidreflex verfällt, dass er es als quälend erlebt, wenn er selber nicht auch diese positiven Erfahrungen haben konnte, außen vor geblieben ist, ärmer geblieben ist, mit seiner Liebe gescheitert ist. Für Aristoteles zeigt sich die wahre Freundschaft eben dann, wenn ich dem Freund genau auch dann sein Glück uneingeschränkt gönne und mich mit ihm freue.

In seiner Ethik diskutiert Aristoteles nun ausführlich, wie man in so einen Zustand gelangen kann, denn selbst wenn man sich so eine Freundschaft als anzustrebendes Ziel vornimmt, ist es ja keineswegs einfach, das Ziel auch zu erreichen. Und da hilft nun die Mesoteslehre weiter, die besagt, dass wir in unserem moralischen Bemühen in vielen Fällen am besten tun, wenn wir ein "mittleres Maß des Möglichen" erstreben. 

Wenn wir also z.B. bei der Freigebigkeit weder knauserig bleiben noch alles verschenken, so dass wir schließlich selber in eine Defizitsituation geraten. Oder wenn wir in einem Fall, wo wir etwas an unserem Freund kritisieren, ihn weder mit Vorwürfen eindecken noch schweigen, weil wir befürchten ihn zu kränken, sondern auf maßvolle Weise unser Unbehagen zum Ausdruck bringen. Bei vielen weiteren Tugenden bringt Aristoteles hier ebenfalls Beispiele, wie sich ein Mensch darin üben kann, einen persönlichen Lebensstil zu entwickeln, der ihn zum "Sympathieträger" werden lässt, was als eine der wesentlichen Voraussetzungen gilt, diese wahren Freundschaften aufbauen zu können. 

Es ist einleuchtend, dass für das Zustandekommen solcher Freundschaft die Befolgung der Mesoteslehre nicht ausreicht, doch zumindest ist sie eine gute Einstiegshilfe, die man sich beherzt vornehmen kann, was für viel weitere Persönlichkeitsparameter so nicht gegeben ist.