Was denkt ihr über Systemsprenger, könntet ihr euch den Beruf eines Erziehers in einem Wohnheim für diesen Personenkreis vorstellen?

Nein könnte ich mir nicht vorstellen, weil.. 50%
Andere Meinung : 50%
Ja könnte ich mir vorstellen, weil.. 0%

4 Stimmen

4 Antworten

Nein könnte ich mir nicht vorstellen, weil..

Mich nervte das Gebrüll des Mädchens schon beim Anschauen des Films, beruflich würd ich das keinen Tag aushalten....da würd ich selbst austicken irgendwann.

Andere Meinung :

Du gehst davon aus, das diese Kinder in Wohnheimen vorkommen. Fakt ist aber, es gibt sie in fast jeder Einrichtung.

Ich bin Erzieherin einer Integrationskita. Wir haben unterschiedliche Arten der Integration. Die Kita liegt zudem noch im Brennpunkt. Die Kinder meiner Gruppe haben das Alter 2,5 bis 7 Jahre. Je nachdem, ob einer den Eintritt in die Schule nicht schafft.

Ich hatte so einen Systemsprenger vor 3 Jahren in der Gruppe. Damals gab es das Wort Systemsprenger noch nicht mal. Das Kind konnte herzallerliebst sein. Hatte aber seine Auffälligkeiten, wenn Konsequenzen nach negativen Verhalten erfolgte. Die Mutter war heillos überfordert mit dem Kind. Der Vater war nur Samenspender.

Die Mutter lockte das Kind nur. Ihm Konsequenzen schon in jungen Jahren aufzuzeigen gelang ihr nicht. Sie belohnte stets mit Süßkram, und auch mit Spielsachen. Wenn er mal nicht das machte was er wollte, dann lockte sie so lange bis sein Wille gebrochen war.

An einem Tag wollte sie ihn von der Kita abholen. Da riss er sich von ihr los und kletterte auf einen Baum. Sie lockte mit Ü-Ei, Mickey Heftchen und Süßkram. Er kam nicht runter. Nach 10 Minuten hat man dann eine Leiter geholt und den Jungen abgepflückt und der Mutter in die Hand gedrückt. Anstelle das sie das Grundstück verlässt sagt sie... och, dein Rucksack ist noch drin, du wartest hier ich hole den schnell. Sie war kaum drin, da war der Junge wieder auf dem Baum und das Spielchen wiederholte sich. Wieder wurde die Leiter geholt, der Junge runter geholt und der Mutter übergeben. Diesmal gingen sie. An der erstbesten Kreuzung riss er sich los, rannte zur Kita zurück, kletterte auf der hinteren Spielfläche auf die Rutsche. Auch hier musste dann ein anderer Erzieher das Kind wieder runter holen. Dann sagte der Erzieher, wenn du jetzt nochmal hier her kommst kann deine Mutter nicht reinkommen und du vor morgen auch nicht heraus kommen, denn ich schließe gleich ab. Diesmal kam das Kind nicht wieder. Am Folgetag hielt er freudestrahlend das neue Mickey Heft in den Händen, einen Plastebagger unter dem Arm und sagte das er auch Süßkram bekommen hat.

Da fragt man sich was soll nur aus diesem Mutter Kind Gespann werden. Ein paar Wochen später kam es dann am Nachmittag zum Ausbruch. Er war noch im Gruppenraum, und mit uns waren noch 6 andere Kinder anwesend. Das sind Nachmittags eher weniger zum Vesper essen, weil die anderen Kids schon abgeholt wurden. Es gab Berliner Pfannkuchen zum Vesper. Einer war übrig und alle wollten noch etwas. Es reichte nicht mehr. Er wollte aber unbedingt noch etwas haben. Ich meinte, ich könne Obst aufschneiden. Der Kuchen reichte ja nicht. Die anderen wollten Obst essen. Da meinte er, wenn die anderen Obst essen, dann kann er ja den Kuchen essen. Ich hab dann versucht ihm zu erklären, warum das ungerecht gegenüber den anderen ist aber das Nein akzeptierte er nicht. Er flippte total aus, schmiss Teller und Besteck in Richtung der anderen Kinder. Ich habe sie dann in die Nachbargruppe gebracht, damit sie nicht unter seinem Wutausbruch zu leiden hatten.

Ich war nur gute 2 Minuten weg. Die Zeit reichte um alle Kisten umzukippen, sich die Metallautos und Bauklötze als Wurfgeschosse zurecht zu legen. Als ich wieder im Raum war flogen schon die Geschosse. Dann flitze er hin und her und auch Teller und Messer flogen weiter. Motorikschleifen flogen in meine Richtung die ich nur knapp abwehren konnte und dann flogen die Stühle in die Fensterscheiben. Eine Kollegin rief die Mutter an und dann den Krankenwagen. Letzterer war zuerst da und hatte auch Mühe das Kind einzufangen. Die sind da mit Sichtschutzhelmen rein, damit die nichts ins Gesicht bekamen. Sie haben fast 5 Minuten gebraucht um ihn einzufangen. Als die Mutter dann eintraf hatten sie ihn und er wurde mit einem Medikament ruhig gestellt. Die Mutter interessierte es nicht wie es ihrem Kind ging, es interessierte sie nicht, ob andere Kinder verletzt waren, oder ob es mir gut ging. Ihre einzige Frage war, ob sie dadurch jetzt finanzielle Repressalien zu erwarten hätte. Da fällt einem nichts mehr ein.

Der Gruppenraum hatte einen Totalschaden von über 6000 Euro. Sämtliche Sachen mussten neu beschafft werden. Das Teuerste waren die Fenster. Er wurde 2 Wochen beurlaubt und ich war 2 Wochen krank geschrieben. Wir hatten beide am selben Tag den ersten Kitatag. Die Mutter schob ihn in den Gruppenraum. Er kam auf mich zu und drückte mir die Lock einer Holzeisenbahn in die Hand. Er guckte dann seine Mutter an und dann wieder zu mir. Ich fragte, warum gibst du mir das. Er sagte, er gibt mir das weil Mama gesagt hat, ich war nicht lieb und habe das Spielzeug kaputt gemacht. Als die Mutter weg war fragte ich ihn, ob er sich daran erinnern könnte. Er wusste überhaupt nicht was passiert war.

Einige Wochen später kam er in eine Tagesklinik und wurde beim SPZ einer Diagnostik unterzogen. Ein paar Tage später wurde er mit Pillen eingedeckt. Die halfen genau einen Monat. Er war morgens wie benebelt und gegen Mittag ließ die Pille nach, da ging er dann meistens wieder über Tisch und Bänke. Nach einem Monat konnte er die Pillen essen wie Smarties, da passierte gar nichts mehr.

Ich weiß, das hört sich grauenhaft an. Man kann sagen, das alle 2 - 3 Jahre so ein Kind in der eigenen Gruppe ist. Jedes Jahr hat also jede unserer 15 Gruppen ein solches Kind. Nicht jeder hat solch aggressive Auswüchse. Meine Kolleginnen machen den Absprung nach ca 10-15 Jahren. Die die es nicht schaffen gehen ab einem gewissen Alter in eine Klinik für psychische Erkrankungen. Jedes mal wenn sowas passiert sagen wir im Kollegen Jargon, sie wurde kaputt gespielt.

Und wer denkt die Kinder werden automatisch zu uns geschickt weil die Kita genau dafür gemacht ist der irrt. Wir haben keine Wartelisten. Zu uns werden die Kinder aus anderen Regelkitas geschickt. Fast jedes Kind das bei uns ist, ist aus dem Grund bei uns, weil es in anderen Kitas schon eine Vergangenheit hatte, mit dem normale Regelkitas nicht klar gekommen sind. Das heißt, das Kind kam da mit dem dritten Lebensjahr hin, stellt ein Jahr lang alles auf den Kopf bis die Erzieherinnen gar nicht mehr klar kommen, und dann kommen die Kinder zu uns.

Manchmal habe ich das Gefühl, es wird von Jahr zu Jahr schlimmer. Es ist auch so. Wenn du denkst, du hast schon alles erlebt beweist dir eine andere/neue Familie das Gegenteil. Das die Kinder so sind wie sie sind liegt zu 90% an den Eltern. Da ist alles andere wichtiger, außer das eigene Kind.

Andere Meinung :

Ich habe Freunde die in diesem Beruf arbeiten. Es ist teilweise sehr Extrem. Ich habe relativ viel ehrenamtlich in der Jugendbetreung gearbeitet und denke ich würde denn Job schaffen, jedoch weiß ich nicht wie gut ich wäre.

Allerdings gibt es einen Grund warum ich einen anderen Beruf gewählt habe.

Nein könnte ich mir nicht vorstellen, weil..

Ich denke das wird oft unterschätzt und dann abgebrochen (wie z. b. im Film) deswegen muss ich den Job schon wirklich wollen um das durchzuhalten, aber das tue ich nicht. Mir wäre es zu viel.