Warum wertet der Buddhismus Lebewesen ab wenn er sie gleichzeitig ehrt?

5 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Hallo alphaclasch,

Ich bin Buddhist und beantworte dir die Frage gerne. :-)

werden Grabungsarbeiten von Hand erledigt und jeder Regenwurm auf die Seite geschafft, damit ihm nichts geschieht,

Diese Art von Grabungsarbeiten sind kein allgemein üblicher buddhistischer Brauch und wären bei Großbauprojekten vermutlich auch gar nicht realisierbar.

Solche Aktionen sind also nicht repräsentativ für die Praxis des Buddhismus.

dass man wenn man Böses tut als "niederes Geschöpf" also quasi dann auch als Regenwurm wieder auf die Welt kommt,

Der Wiedergeburtsgedanke wird im Buddhismus sehr unterschiedlich bewertet.

Gerade im volkstümlichen Buddhismus Asiens wird die Vorstellung der Wiedergeburt teilweise sehr wörtlich genommen, so dass der Eindruck entstehen könnte, es gäbe eine Art Seelenwanderung im Buddhismus.

Der Buddha soll jedoch selbst erklärt haben, dass es philosophische Fragen gibt, die ein Mensch nicht endgültig beantworten kann. Daher sei es ohne Bedeutung, sich mit diesen Fragen zu beschäftigen.

Da der Buddha also offenbar ziemlich bodenständig lehrte, scheint es für mich fragwürdig, weshalb er ausgerechnet zum Leben nach dem Tod eine definitive Aussage treffen sollte.

Für mich hat die Lehre der Wiedergeburt gar nichts mit dem Leben nach dem Tod, oder einer Form von Jenseitsglaube zu tun.

Aus meiner Sicht ist sie lediglich ein psychologisches Modell unserer dominierenden Geisteszustände - das habe ich hier mal erklärt:

https://www.gutefrage.net/frage/muss-eine-wiedergeburt-mit-voraussetzungen--ausser-dem-sterben-einhergehen?foundIn=list-answers-by-user#answer-217924708

Vielleicht sind ja Regenwürmer glücklicher, haben ein besseres Leben als der Mensch, dann ist das doch keine Bestrafung oder???

Die Wiedergeburt ist grundsätzlich keine Bestrafung, denn das würde bedeuten, dass es irgendwo einen Richter gibt, der ein Urteil fällt.

Genau so wenig wie es im Buddhismus göttlich verbotene Sünden gibt, genau so wenig gibt es göttlich verordnete Strafen, denn der Buddhismus hat kein übernatürliches Wesen, das als Richter fungieren könnte.

Die Wiedergeburt ist nach buddhistischer Sicht lediglich die Folge unserer Anhaftungen und Triebe, die uns in immer neue Wiedergeburten treiben.

Der "Nachteil" einer Wiedergeburt als Tier ist, dass ihr Bewusstsein nicht so hoch entwickelt ist, wie das eines Menschen und ihre Fähigkeiten dadurch eingeschränkt sind.

Ein Tier wird von Instinkten getrieben und muss immer "arbeiten" - Futter beschaffen, Jungtiere großziehen, Revier verteidigen. Da bleibt kein Raum für die Entwicklung geistiger Fähigkeiten.

Außerdem ist es in seinem "Ich" verhaftet - die Befriedigung der Bedürfnisse steht an erster Stelle, verbunden mit der Erhaltung der Art, dem Schutz der Familie.

Dadurch sind nur wenige Tiere in der Lage selbstlos zu handeln und aus Empathie für Andere fähig, persönliche Nachteile zu erdulden.

Der geistige Horizont des Tieres ist also beschränkt - deswegen ist das Tier aber nicht unglücklich, denn es kennt nur dieses Dasein als Tier.

Dennoch nennt der Buddhismus auch diese Existenzform "leidvoll", da es eben noch von Trieben gelenkt wird und es deshalb keine geistige Freiheit hat.

Ob Tiere tatsächlich im Kreislauf der Wiedergeburten aufsteigen können, ist selbst innerhalb des Buddhismus umstritten - für mich spielen diese Spekulationen keine große Rolle

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Seit etwa 40 Jahren praktizierender Buddhist

alphaclasch 
Beitragsersteller
 17.08.2016, 20:51

Gibt es irgend eine Seite in der die Grundprinzipieien vom Buddhismus leicht verständlich "aufgelistet" sind. Auch wenn ich Katholisch getauft bin, ich aber nicht dran glaube, dass Gott besteht aber auch nicht, dass er nicht besteht, also grundsätzlich nicht Gläubig bin, ich somit eigentlich auch keiner Religion anhänge, aber auch nicht ungläubig bin, ach Gott ist das kompliziert, also ich glaube es KÖNNTE so sein, das denke ich aber bei eigentlich allen Varianten die nicht nachgewiesen werden können. So nun, also ich habe mich nicht vor dem Buddhismus anzuschließen, aber mich interessieren die Grundsätze, da sie meinen (nicht Religösen) Grundsätzen (soweit ich informiert bin) garnicht so fern sind. So, viel Gestammel mit wenig Inhalt ;).

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Enzylexikon  17.08.2016, 21:16
@alphaclasch

Der Wikipedia-Artikel bietet einen ganz brauchbaren Überblick.

Zusammenfassung:

Die gesamte Existenz ist leidvoll.

Das Leiden entsteht durch unsere Anhaftung, unsere Begierden und unser mangelndes Verständnis für diesen Umstand.

Die Menschen haften an Dingen die nicht ewig sind, wie Gesundheit und Glück, jagen ihnen hinterher und fürchten die Endgültigkeit.

Deshalb werden sie, selbst bei Befriedigung aller Wünsche nie zufrieden und leiden weiterhin.

Buddha lehrt, wie wir dieses Leiden überwinden können, indem wir Meditation üben und ein achtsames, verantwortungsbewusstes Leben führen und so auch anderen Wesen nicht schaden.

Dies wird zusammengefasst in den

  • vier edlen Wahrheiten
  • dem edlen achtfachen Pfad
  • den fünf Sittlichkeitsgelübden

Diese Lehren haben alle Buddhisten gemeinsam, egal welcher Tradition sie folgen.

Durch Meditation erfahren wir, wie es ist, sich von seinen subjektiven Bewertungen und vorgefassten gedanklichen Konzepten zu befreien, das ist die Voraussetzung für die Erfahrung der Befreiung.

Philosophische Konzepte

Wir sind für unser Leben vollständig selbst verantwortlich. Es gibt keinen allmächtigen Schöpfergott, auf den wir Verantwortung abwälzen könnten, oder der uns vergibt.

Es gibt auch kein Konzept von Sünde, oder deren Bestrafung. Alles unterliegt dem Gesetz von Ursache und Wirkung (Karma).

Jede Handlung hat eine Folge, die auf irgendeine Weise auch uns selbst betrifft und sei es auch nur, dass wir uns wegen ihr gut oder schlecht fühlen.

Ideale/Ziele

Je nach Tradition des Buddhismus gibt es verschiedene Ideale bzw. Ziele der buddhistischen Praxis.

Im Theravada-Buddhismus will der Mensch sich selbst aus dem Leiden und dem Kreislauf der Wiedergeburt befreien, um endgültig im Nirvana zu verlöschen.

Im Mahayana-Buddhismus strebt man danach, ein Bodhisattva zu werden - ein Wesen, dass zwar die Befreiung erlangt hat, aber aus Mitgefühl mit den anderen Wesen auf das Verlöschen verzichtet.

Wie ich oben verlinkt habe, wird "Wiedergeburt" unterschiedlich interpretiert. Das reicht von der Vorstellung gezielter Wiedergeburten bis hin zur Lehre, dies sei nur ein psychologisches Modell.

Dazwischen gibt es jetzt noch verschiedene Formen, aber das wäre jetzt so die Grobfassung.

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Enzylexikon  18.08.2016, 12:28

Vielen Dank für den Stern - solltest du noch Fragen zum Buddhismus haben, helfe ich gerne weiter. :-)

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Erstes ist es in diesem Zusammenhang keine Abwertung sondern nur eine Feststellung das du eben Eingeschränkt wirst (aus menschlicher Sicht) solltest du ein Regenwurm werden. 

Die Meinung des Wurms über uns, beispielsweise, wird uns für immer verwehrt bleiben ;-)

Das nächste ist, das man meiner Meinung nach, die buddhistische Lehre der Wiedergeburt nicht wörtlich nehmen sollte. 

Ich als Zen Buddhist denke kaum, das Buddha wirklich daran glaubte, das wir wieder geboren werden.

Er machte nämlich niemals Aussagen über metaphysische Themen, sondern sagte sogar das es nutzlos ist, sich über diese Gedanken zu machen.

Also wieso sollte er dann auf einmal mit etwas wie der Wiedergeburt anfangen ?

Das nächste ist, das es in den buddhistischen Texten sogenannte Jataka gibt. Das sind lehrreiche Geschichten.

Zu diesen zählen auch die Geschichten, die Buddha über seine "vorherigen Leben" erzählte. Die sollten uns etwas beibringen, bzw. bewusst machen.

Das es dann buddhistische Ströme bzw. kulturelle Kreise gibt, die das alles wörtlich nehmen, ist nichts verwunderliches. Bester Vergleich wäre wohl die katholische Kirche die anscheinend immer noch von einer tatsächlichen Hölle ausgeht, obwohl man schon öfters aufzeigte, das es symbolisch zu verstehen ist.

So auch mit der Wiedergeburt. Dazu empfehle ich immer diesen Artikel auf Ntv "Buddha glaubte nicht an Wiedergeburt".

http://www.n-tv.de/panorama/Buddha-glaubte-nicht-an-Wiedergeburt-article10697931.html

Es stimmt dass Buddhisten in der Regel ihr bestes tun um möglichst keinerlei Lebewesen zu töten und das gilt meistens auch für sehr kleine Lebewesen und oft sogar für Pflanzen.

Aber das heißt nicht dass sie deshalb zwangsläufig mit Menschen gleichwertig sind. Ich würde sogar sagen es zeigt dass sie nicht gleichwertig sind. Denn egal was du für ein strenger Buddhist sein magst, du wirst es kaum schaffen keinerlei Tiere und keinerlei Pflanzen zu töten, denn sobald du läufst zertritts du vielleicht Regenwürmer ohne es zu merken und selbst wenn du Veganer bist, musst du Pflanzen töten um etwas essen zu können.

Die einzige Möglichkeit das zu verhindern wäre dass du dich nicht bewegst und nichts isst - aber dann stirbst du selber - dann stirbt also ein Mensch. Was denke ich mal die größere Sünde wäre. Ein Menschenleben und das Leben eines Regenwurms sind also nicht gleichwertig. Trotzdem sollte man natürlich versuchen auch den Regenwurm nichts zu tun, aber es lässt sich halt manchmal nicht vermeiden.

Weil ein Regenwurm nich die gleichen "Möglichkeiten" hat
Auch wenn alle Lebewesen den gleichen Wert haben wäre ich lieber Mensch als Wurm


alphaclasch 
Beitragsersteller
 17.08.2016, 20:47

Interessanter Gedankengang, wenn ich so drüber nachdenke kann ich es nicht sagen, ein Wurm hat höchst warscheinlich nicht die Sorgen und Nöte die wir haben. Ich könnte es erst sagen wenn ich es mal erlebt hätte. Aber das wird mir wohl verwehrt bleiben :).

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