Warum waren zwischen 136 und 73 v. Chr. keine Sklavenaufstände im römischen Reich?
Warum kam es im Römischen Reich zwischen 136 und 73 v. Chr. mit ein paar Ausnahmen beinahe zu keinen Sklavenaufständen?
1 Antwort
Große Sklavenaufstände sind im antiken römischen Reich allgemein selten gewesen. Bei dem, was „mit ein paar Ausnahmen“ für den genannten Zeitraum tatsächlich einbegriffen ist, handelt es sich im Verhältnis gar nicht um so wenig.
Größere und länger andauernde Erhebungen, die zu einem «Sklavenkrieg» (lateinisch: bellum servile) geworden sind, fallen in den Zeitraum von der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts v. Chr. bis zur ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts v. Chr., danach hat es so etwas in diesem Ausmaß im römischen Reich nicht gegeben. Es sind nur noch gelegentlich kleine Erhebungen vorgekommen oder manche Sklaven haben sich am Treiben von Räuberbanden, Aufruhr oder Erhebungen mit anderen Wurzeln als der Sklaverei beteiligt.
Auf Sizilien gab es 141 – 132 v. Chr. Erhebungen, die zu einem großen Sklavenaufstand wurden. Anführer waren Eunous/Eunus (griechisch: Εὔνους; lateinisch: Eunus) aus Syrien, der sich - nach Wahl zum König - Antiochos (griechisch: Ἀντίοχος; lateinisch: Antiochus) nannte, und Kleon (griechisch: Κλέων; lateinisch: Cleon) aus Kilikien.
Etwa um das Jahr 130 v. Chr. hat es nach Diodor(os), Bibliotheke historike (griechisch: Βιβλιοθήκη ἱστορική; Historische Bibliothek; lateinischer Titel: Bibliotheca historica) 34/35, 2, 19 Sklavenerhebungen in Rom (150 Sklaven in einer Verschwörung), in Attika (mehr als 1000 Sklaven), auf der Insel Delos und an vielen anderen Orten gegeben, die aber rasch niedergeschlagen worden sind. Diodor(os), Bibliotheke historike (griechisch: Βιβλιοθήκη ἱστορική; Historische Bibliothek; lateinischer Titel: Bibliotheca historica) 34/35, 2, 26 reiht dazu auch Vorgänge in Kleinasien ein, als Aristonikos, der als (unehelicher) Sohn des Königs Eumenes II. von Pergamon Anspruch auf das Königtum Perganon erhob, als König Attalos III. von Pergamon gestorben ist und mit einem Testament sein Königreich Rom hinterlassen hat, 133 – 129 v. Chr. einen Aufstand gegen Rom führte, dabei unter anderem Sklaven zur Freiheit aufrief und eine große Menge sammelte. Orosius 5, 9, 4 - 8 erwähnt neben dem Aufstand auf Sizilien Erhebungen von Sklaven in Minturnae (450 Sklaven gekreuzigt) und in Sinuessa (an die 4000 Sklaven niedergeworfen), einen Skavenaufruhr in den Bergwerken der Athener und auf der Insel Delos.
Ende des 2. Jahrhunderts v. Chr. hat es nach Diodor(os), Bibliotheke historike (griechisch: Βιβλιοθήκη ἱστορική; Historische Bibliothek; lateinischer Titel: Bibliotheca historica) 36, 2, 1 – 6 in Italien viele kurze und kleine Sklavenerhebungen gegeben: in Nuceria (Verschwörung von 30 Sklaven), in Capua (Aufstand von 200 bewaffneten Sklaven) und in der Region Campanien (der römische Ritter Titus Vettius Minutius bewaffnete 400 eigene Sklaven, nahm flüchtige Sklaven auf und brachte es auf eine Truppe von 3500 Mann, bevor der Aufstand niedergeschlagen worden ist).
104 – 101/100 v. Chr. gab es auf Sizilien einen weiteren großen Sklavenaufstand. Anführer waren Salvius, der den Königstitel annahm und sich dann Tryphon nannte, und Athenion aus Kilikien.
Der Spartacus-Aufstand 73 – 71 v. Chr. begann mit einem Ausbruch von Gladiatoren aus der Gladiatorenschule des Gnaeus Lentulus Batiatus in Capua und breitete sich in Süditalien aus.
Überlegt werden kann, warum die Sklavenaustände im römischen Reich vor allem in einem bestimmten Zeitraum und in bestimmten Gegenden vorgekommen sind.
Bedingungen, unter denen ein Sklavenaufstand an ehesten geschehen konnte:
- große Anzahl von Sklaven in einer Gegend und eine Möglichkeit der Kommunikation und des Zusammentreffens
- große Bereitschaft zumWiderstand bei den Skalven, beispielsweise aufgrund einer Erinnerung an eigene Freiheit, bevor sie versklavt wurden
- größere Gruppen aus einem Volk, mit gemeinsamer Sprache und vielleicht auch kulturellen Wurzeln (z. B. hellenistische, thrakische, keltische), was günstig für eine Verständigung und gemeinsames Handeln war
- gewisse Bewegungsfreiheit ohne genaue Aufsicht durch die Besitzer
- Unterschätzung der Gefahr von Aufständen oder Einsatz von vielen römischen Soldaten in Kriegen anderswo, wodurch amfangs nur eine geringe Anzahl römischer Truppen eingesetzt wurde oder zur Verfügung stand (154 – 133 v. Chr. führte Rom Kriege auf der iberischen Halbinsel, 113 – 101 v. Chr gab es Kämpfe mit den Kimbern, Teutonen und Ambronen, 73 - 63 v. Chr. Krieg gegen König Mithridates/Mithradates VI. von Pontos), was die Chancen einer Erhebung vergrößerte, zu einem großen Aufstand zu wachsen
- besonders schlechte Lebensbedingungen der Sklaven und grausame Behandlung, was Wut und Empörung hervorrufen und zum Widerstand motivieren konnte
Im 2. und 1. Jahrhundert v. Chr. hat Rom seine Expansion stark vorangetrieben und Massenversklavungen Besiegter durchgeführt.
Auf Sizilien und in Süditalien kamen viele Sklaven aus dem östlichen Mittelmerraum, waren erst als Jugendliche oder Erwachsene versklavt worden und hatten daher eine Erinnerung an die verlorene Freiheit.
Die Viehwirtschaft war auf Sizilien und in Süditalien verbreitet. Unfreie Viehhirten weideten große Herden im Sommer in Gebirgsgegenden und waren einer genauen Aufsicht der Besitzer weitgehend entzogen. Es handelte sich meistens um körperlich kräftige, geübte und ausdauernde Männer (Hirten mußten auf ihren Wanderungen große Strecken zurücklegen). Zudem waren sie bewaffnet, um Herden vor wilden Tieren und Viehdieben schützen zu können.
Auf Sizilien waren die Lebensbedingungen der Skaven äußerst hart. Sie waren in großer Zahl gekauft worden, wurden aber nicht ausreichend mit Nahrung und Kleidung versorgt.
Einige Großgundbesitzer gingen sehr grausam mit Sklaven um.
Viele Sklaven hatten einen gleichen Hintergrund, konnten sich gut verständigen und gemeinsam handeln.
Bei der Niederwerfung von Sklavenaufständen wurden die am meisten zu einer Erhebung geneigten Sklaven vielfach getötet. Es konnte erst einmal eine gewisse Abschreckung eintreten.
Zum Teil sind nach Aufständen Vorsichtsmaßnahmen getroffen worden (z. B. genauere Kontrolle über Gladiatoren, gesetzliche Bestimmungen zur Begrenzung des Anteils der Sklaven bei den Viehhirten).
einige Literatur:
Keith R. Bradley, Slavery and rebellion in the Roman world : 140 B.C. - 70 B.C. Bloomington : Indiana University Press, 1989. ISBN 0-253-31259-0
Kai Brodersen, Ich bin Spartacus : Aufstand der Sklaven gegen Rom. Darmstadt : Primus-Verlag, 2010 (Geschichte erzählt ; Band 23). ISBN 978-3-89678-823-8
Thomas Grünewald, Räuber, Rebellen, Rivalen, Rächer : Studien zu Latrones im Römischen Reich. Stuttgart : Steiner, 1999 (Forschungen zur antiken Sklaverei ; Band 31). ISBN 3-515-07489-9 (III. Anführer von Skavenaufständen als latrones S. 82 – 103)
Wolfgang Zeev Rubinsohn, Die grossen Sklavenaufstände der Antike : 500 Jahre Forschung. Darmstadt : Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1993. ISBN 3-534-08807-7
Helmuth Schneider, Sklavenaufstände. In: Der neue Pauly (DNP) : Enzyklopädie der Antike ; Altertum. Herausgegeben von Hubert Cancik und Helmuth Schneider. Band 11: Sam -Tal. Stuttgart ; Weimar : Metzler, 2001, Spalte 616 - 619
Theresa Urbainczyk, Slave revolts in antiquity. Stocksfield : Acumen Publishing, 2008. ISBN 978-1-84465-101-6