Warum verwenden wir das Präteritum so gut wie nur in der Schriftsprache?

4 Antworten

In seinem Sprachgebrauch nutzt der Deutsche grundsätzlich lieber die näheren Zeiten als die ferneren.

Um ein nahes Futur auszudrücken, nimmt er gern gleich das Präsens:
ich fahre morgen nach Hamburg.

Bei Übersetzungen ins Englische ist die Angewohnheit nicht gut; es gibt häufig rote Striche, weil Lehrer darauf Wert legen, dass dann wirklich das Futur genommen wird, wie auch die Engländer es tun.

Das Perfekt ist im Deutschen die Vollendete Gegenwart. Sie liegt näher dran am Präsens als das Präteritum (aus dem Lat.: das Vorbeigegangene) und wird auch gleichermaßen präferiert, wenn auch ungleich weniger häufig als in Latein, wo Perfekt die Standardzeit für Vergangenes ist. (Übersetzt heißt es ja auch: das Vollendete, das Vergangene.)

Die Vorliebe für nähere Zeiten kommt auch beim Konjunktiv zur Geltung, wo die Deutschen immer gleich den Konjunktiv Präsens nehmen, es sei denn, er sei identisch mit dem Indikativ.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Unterricht - ohne Schulbetrieb

Das hat verschiedene Gründe. Erstens läßt sich in fast jeder Sprache eine Tendenz zu analytischen Konstruktionen feststellen. Analytisch (im Gegensatz zu synthetisch) heißt, daß grammatische Informationen in mehrere einzelne Wörter gepackt werden und nicht als Affixe ans Wort angehängt werden (oder der Wortstamm verändert wird). "Ich sah" = synthetisch, "Ich habe gesehen" = eher analytisch. Man vermutet, daß das etwas damit zu tun hat, daß die Aussagen so expressiver wirken (sollen), außerdem entspricht dieses "1 Wort pro grammatischer Funktion" eher dem spontanen Denken, daher kommt dies auch vorrangig in der gesprochenen Sprache vor. 

Derselbe Trend war im Lateinischen zu beobachten (an sich eine hoch synthetische Sprache) und auch das heutige Französisch geht immer mehr in die Richtung einer analytischen Sprache. 

Auf weitere mögliche Gründe ist in der Antwort von Volens schon eingegangen worden. 

Wenn man schreibt, benutzt man einen kürzeren Satz "Ich sah" , ...sonst wird das Schreiben oder das Buch unendlich lang wegen habe hat haben...Gesprochen ist da mit habe, hat, haben,... kein Problem und man weiss auch, das ist schon passiert...


Riverside85  04.01.2016, 15:19

Nette Idee, aber mit der Länge von Sätzen hat das absolut nichts zu tun. 

Die Benutzung von Perfekt und Plusquamperfekt hört sich m.M. nicht so "sperrig" an wie die Nutzung des Präteritums.....was allerdings auch auf "Gewöhnung" zurückzuführen sein könnte....