Warum versteht mein Vater nicht, das ich nichts mit ihm zutun haben will?

2 Antworten

Hm, ich hatte jahrelang mit meinem Stiefvater Probleme. Er hat mich quasi gemobbt (verbal provoziert, meinen Geschwistern immer genau das als Strafe verboten, was sie besonders gern machten, so dass ich stolz war, nichts zu machen, das man mir verbieten könnte, kam in mein Zimmer und hat so lange geredet, mit herumgeschubst, im Nacken gepackt usw., bis ich geweint habe usw.).

Jedenfalls gab es dann mit 16 so eine Situation, in der wir gemeinsam ein Familienbrettspiel gespielt hatten, an dem wirklich jeder Spaß hatte und ich beim Einräumen eine Spielfigur lässig in das zugehörige Fach geworfen habe, worauf hin er meinte, ich solle die wieder raus holen und ordentlich rein legen. Reine Machtdemonstration. Mir war das so unangenehm - ich wurde in der Schule auch gemobbt und genau dieses "ich demonstriere jetzt, dass ich dich zu etwas zwingen kann" hatte ich dort immer verweigert, so dass wir gut eine Stunde Face to Face mit der Figur in meiner Hand standen. Ich habe dann die Figur zurück gelegt, meine Jacke genommen und bin raus gegangen (abends um 21 Uhr). Ich war jetzt nicht der Typ "Weglaufen" und wir wohnten in einem Dorf, in dem schon alles geschlossen hatte, zudem war es Herbst. Ich bin dann gut 2 Stunden durchs Dorf gegangen, durch Nebenstraßen und irgendwann von meinen Eltern aufgelesen worden (ich war ehrlich nicht auf den Gedanken gekommen, dass die mich suchten, ich wollte nur Abstand gewinnen und vermutete, dass die Sache weiterging, wenn ich zu früh zurück kam).

Als wir dann zu Hause waren, meinte meine Mutter, dass mein Stiefvater und ich uns mal aussprechen sollten und ließ uns allein im Zimmer. Das war zwar nur so halb erfolgreich, weil ich dieses ganze Mobbingverhalten nicht so offen ansprechen wollte, aber er entschuldigte sich und danach kam so etwas nicht mehr vor.

Sehr viel später habe ich mal mit meiner Mutter über das gesamte Verhalten gesprochen und sie fiel da aus allen Wolken, weil sie das alles nicht so mitbekommen hatte.

Von daher würde ich sagen: Bitte mal deine Mutter, bei einem Gespräch von dir und deinem Stiefvater anwesend zu sein. Notiere dir, was du sagen möchtest. Sage, wie sich das Familienleben gerade für dich anfühlt, warum du keinen Kontakt mit den anderen haben möchtest, was sich ändern müsste, damit das passiert. Frage deinen Stiefvater, wie es ihm geht, wie er das sieht, was sich aus seiner Sicht ändern sollte. Frage deine Mutter, was sie dazu sagt, ob es aus ihrer Sicht Kompromisse gibt.

Es wäre ja z.B. denkbar, dass ihr für den Anfang am WE gemeinsam einkaufen fahrt. Da kann man auch mal miteinander reden, man hilft den anderen beim Tragen etc. und vielleicht geht man hinterher ein Eis essen und kommt eher mal locker ins Gespräch. Man muss nichts allzu Persönliches mit den anderen unternehmen, verbringt aber Zeit miteinander.

Wenn das gut geht, wäre der nächste Schritt vielleicht ein gemeinsames Abendessen oder Frühstück am Sonntag, bei dem jeder mal über seine Woche redet oder auch darüber, was ihn in der Vergangenheit belastet hat, mit dem Ziel, es in der Zukunft besser zu machen.

Vom Alter her ist das jetzt die letzte Chance, deinem Stiefvater noch mal nahe zu kommen. Wenn das jetzt nicht passiert, wird es später auch nur noch mit geringer Wahrscheinlichkeit passieren. Und irgendwann könnte man es ja trotzdem mal bereuen.

Ich halte es erst mal für einen guten Schritt, dass er Zeit mir dir verbringen will.

Überlege dir doch mal, ob du mit einer ganz kleinen Zeit anfangen könntest. Ihr schaut gemeinsam eine kurze Serienfolge pro Woche. Ihr bereitet gemeinsam ein Abendessen zu. Ihr geht zusammen joggen. Ihr fahrt gemeinsam das Auto von innen säubern. Irgendetwas, bei dem man zwar zusammen ist, aber nicht allzu viel Zeit hat, persönlich zu reden oder sein Hobby zu offenbaren oder so.

Vielleicht kommt ihr euch ja doch noch näher.

Zur Zeit scheint es so zu sein, dass jeder eine feste Vorstellung von seiner Freizeitgestaltung und Vorurteile über die Motive und Ziele des anderen hat. Vielleicht kann man das ja ein bisschen abbauen.

Ich empfehle dir, möglichst schnell auszuziehen. Mir ging es zu Hause auch zwischenzeitlich ähnlich wie dir. Ich bin leider sehr spät, viel zu spät, ausgezogen und viele psychische Probleme, die ich infolge meiner Familiensituation hatte, wären nicht da oder zumindest weniger stark. Du bist jung und dir stehen alle Türen offen. Aber zuerst kümmerst du dich um deine Psyche. Ich kenne dich nicht so gut, aber mir hat es zb sehr geholfen, Abstand von den Konflikten zu haben. Und das gelang durch Wegzug. Such dir erstmal einen simplen, leicht auffindbaren Job. Hinterher kannst du immernoch wechseln. Warte nicht zu lange zu Hause. Dir wird es damit nicht besser gehen.