Warum sind Krebstiere die einzige Tiergruppe, die sich zu extrem unterschiedlicher Gestalt entwickelt haben, z.B. Seepocke, Wasserfloh, Assel, Entenmuschel?

5 Antworten

Die Krebstiere ("Crustacea") sind aller Wahrscheinlichkeit nach keine natürliche Verwandtschaftsgruppe (Monophylum). Der Grund, warum die Crustaceen für gewöhnlich zu einem Taxon zusammengefasst werden, ist das Auftreten einer Nauplius-Larve. Dieses Larvenstadium ist die einzige Autapomorphie (abgeleitetes Merkmal) der Krebstiere und die Monophylie wird daher einzig aufgrund dieses einen Merkmals begründet. Es ist jedoch keineswegs ein konsistentes Merkmal, denn bei den parasitischen Pentastomiden oder Zungenwürmern (Pentastomida) gibt es überhaupt kein Nauplius-Stadium.

Neue molekulargenetische Analysen haben ergeben, dass die Krebstiere sehr wahrscheinlich aber ein Paraphylum darstellen, d. h. nicht alle Nachkommen ihres gemeinsamen Vorfahren enthalten. Es hat sich gezeigt, dass eine Gruppe der Crustaceen, die Remipedia, sehr viel näher mit den Insekten (Insecta) als mit irgendeiner anderen Gruppe der Crustaceen verwandt ist. Die Krebstiere müssten daher, um monophyletisch zu werden, die Insekten mit einschließen. Das monophyletische Taxon aus "Crustacea" und Insekten wird meist als Tetraconata bezeichnet, gelegentlich taucht auch der Begriff Pancrustacea auf. Als Autapomorphie der Tetraconata kann der übereinstimmende Bau der Ommatidien (die "Einzelaugen" der Komplexaugen) gewertet werden. Jedes von ihnen besteht aus zwei Corneagenzellen, einem Kristallkegel aus vier Kristallkegelzellen sowie acht Retinulazellen. Übereinstimmungen scheint es auch in der Bildung des Nervensystems zu geben. Aus spezifischen Neuroblasten genannten Stammzellen bilden sich die Mutterzellen der Gangilen. Diese teilen sich dann nur ein Mal und bilden die Neurone und die Gliazellen. Außerdem gibt es so genannte Pionierneurone, die an der Bildung der Konnektive (die Längsverbindungen zwischen zwei Nervenganglien) beteiligt sind. Die Nauplius-Larve als Autapomorphie ist damit höchstwahrscheinlich hinfällig, da Insekten kein Nauplius-Stadium besitzen.

Ein Grund für die große Vielgestaltigkeit der Tetraconata ist mit Sicherheit, dass sie wie kaum eine andere Tiergruppe die unterschiedlichsten Lebensräume erobert haben. Sie werden selbst in den isoliertesten Gegenden der Welt noch gefunden, z. B. in der Tiefsee oder in marinen Höhlensystemen, die kaum ein anderes Tier bewohnt. Darüber hinaus haben sich auch sekundär sessil gewordene Formen entwickelt (z. B. die Cirripedia oder Rankenfüßer mit den Entenmuscheln und den Seepocken). Mehrmals unabhängig voneinander ist es zur Evolution verschiedenster abgewandelter Formen von Parasiten gekommen, die in ihrer Erwachsenenform mit dem Grundbauplan der Tetraconata kaum noch etwas gemeinsam haben. Die oben erwähnten Pentastomiden galten beispielsweise lange als eigenes Taxon, erst durch molekulare Analysen konnte ihre Zugehörigkeit zu den "Crustacea" bestätigt werden. Während die traditionellen "Crustacea" an Land in nur wenigen Formen auftauchen und nie den Luftraum erobern konnten, haben die Insekten das Land in einer Formen- und Artenfülle besiedelt, die wohl ihresgleichen sucht. Mit den Pterygota (Geflügelte Insekten) stellen sie sogar die artenreichste Gruppe an geflügelten Tieren überhaupt dar. Bezieht man die Insekten mit ein und betrachtet die Tetraconata als Ganzes, ist die Formenfülle also noch einmal um ein Vielfaches größer als wenn man "nur" die traditionell als Krebstiere angesprochenen Gruppen betrachtet. Die Anpassungen an die verschiedensten Lebensräume haben dann wahrscheinlich maßgeblich dazu beigetragen, dass eine riesengroße Fülle an Formen und Größen entstehen konnte.

Ein weiterer möglicher Grund für die Vielgestaltigkeit ist sicher auch, dass der metamere (segmentierte) Körperbau leicht abgeändert werden kann und eine hohe Variabilität beispielsweise in der Anzahl der Körpersegmente oder in der Gestaltung einzelner Segmente zulässt. Nehmen wir nur einmal den Grundbauplan der Landwirbeltiere (Tetrapoda) mit seinen vier Extremitäten zum Vergleich. Viel abändern kann sich dabei nicht, abgesehen davon, dass einzelne Extremitäten zu Flügeln oder Flossen umgebildet werden könnten oder, wie bei den Blindwühlen (Gymnophiona) und Schlangen (Serpentes) gänzlich verloren gingen. Die allermeisten Tetrapoden sind daher sehr leicht als solche zu erkennen. Bei den Tetraconata ist das nicht so. Ihr Körper kann aus einer ganz unterschiedlichen Zahl an Segmenten bestehen, dadurch ist auch die Zahl der Extremitäten sehr unterschiedlich.

Insgesamt ist aber noch nicht ganz klar, wie die einzelnen Gliedertier-Taxa miteinander verwandt sind. Daher bleibt abzuwarten, ob das Tetraconata-Konzept durch weitere Befunde gesichert werden kann und sich dann auch zeigen wird, wie die Tetraconata verwandtschaftlich zu anderen Gliedertieren stehen, z. B. den Myriapoda, die traditionell als Schwestergruppe der Insekten gelten und die Schwestergruppe der Tetraconata sein könnten (zusammen würden sie das Taxon der Mandibulata bilden) oder die Myriapoden den Cheliceraten näher stehen und gemeinsam mit ihnen ein Taxon bilden, welches Myriochelata genannt wird.

Quelle
Westheide, W.; Rieger, G. (2013) Spezielle Zoologie. Teil 1: Einzeller und Wirbellose Tiere, 3. Auflage, Springer Spektrum, Berlin Heidelberg

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium, Universität Leipzig

Laut Wikipedia gilt

https://de.wikipedia.org/wiki/Krebstiere

>die sich vor allem durch eine große Formenvielfalt auszeichnen als evolutionäre Anpassung an verschiedene Lebensräume und Lebensweisen. 

Also Formenvielfalt durch evolutionäre Anpassung. Da stellt sich natürlich die Frage, warum konnten sie sich im Gegensatz dazu z.B. Spinnentieren, Tausendfüßer und was weiß ich nicht alles, viel, VIEL weniger gut an verschiedene Lebensräume und Lebensweisen anpassen? Weiß ich auch nicht. Vielleicht liegt der Vorteil der Krebstiere an der Panzerung, die doch ein erheblicher Schutz vor Fressfeinden ist. Oder am Verdauungssystem, Allesfresser und können bei Licht und völliger Dunkelheit auf Nahrungssuche gehen.

Definiere extrem unterschiedlich. Bei Blauwal, Fledermaus und Giraffe sehe ich auch wenig Ähnlichkeit in der Gestalt.


Maarduck  28.11.2019, 02:07

Die sehen doch alle gleich aus. Also so extreme Formenvielfalt wie bei den Krebstieren findet man bei den Säugetieren jedenfalls nicht.

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GrobGeschaetzt  28.11.2019, 02:14
@Maarduck

sehen alle gleich aus? Bisher hatte ich noch keine Problem, die 3 auseinander zu halten

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die natur ist ebern fast unergründlich!

da müßte man die natur fragen können. kann man aber nicht, sondern ist nur auf hypothesen angewiesen! (übrigens: es gibt ca. 3000 verschiedene mäusearten)


Maarduck  28.11.2019, 00:47

Hast du die Frage nicht verstanden?

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