Warum nennte Erasmus sein Werk "Lob der Torheit"?

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Der Ausdruck im Buchtitel „Lob der Torheit“ (griechisch Μωρίας Εγκώμιον [Morias enkomion] bzw. lateinisch laus stultitae) ist kein Genitivus obiectivus (hätte die Bedeutung: Erasmus lobt die Torheit), sondern ein Genitivus subievtivus. Er kann zu einem Satz umgeformt werden, in dem der Genitiv in ihm („der Torheit“) das Subjekt ist: Die Torheit lobt (jemand/etwas, nämlich sich selbst).

Erasmus wollte etwas Geistreiches schreiben und kann spielerisch vorgehen. Er hat Gelegenheit zu Ironie und Satire und wenn hintersinnig etwas aufs Korn genommen wird, stellt dies eine Äußerung der Torheit dar, die nicht gut zurechnungsfähig ist. Manches hat mehrfache Bedeutung und auch im Titel steht ein Anklang an den mit ihm befreundeten Thomas More (lateinisch: Thomas Morus), wie wenn es ein Lob an ihn ist (altgriechisch μωρός und μῶρος = träge, stumpfsinnig; töricht, einfältig, dumm).

Steffen Dietzsch, Desiderius Erasmus von Rotterdam. In: Großes Werklexikon der Philosophie. Herausgegeben von Franco Volpi. Stuttgart : Kröner, 1999. Band 1: A – K, S. 449 (zu Moriae Encomium):
„Nach eigenen Angaben konzipierte E.[rasmus] dieses Werk, als er 1509 auf der Rückkehr von einem dreijährigen Italienaufenthalt über die Alpen ritt und an den Freund Morus dachte, dessen Name im Titel anklingt (moros, gr. Tor), und den er anschließend besuchen wollte.“

„Der Form nach handelt es sich um ein zur Gattung der epideiktischen (darbietenden) Rede gehörendes »enkomion paradoxon« (spielerisches Lob eines nicht lobenswerten Gegenstandes); wie es in der Antike, vor allem von Lukian, gepflegt wurde, von dessen Werken E.[rasmus] im Wettstreit mit Morus einige übersetzt hatte. Aristophanes (Plutus, 507 – 616) und Lukian, (Phalaris) bieten seltene Vorbilder für prahlerisches Selbstlob. Auch wenn sich keine literarische Abhängigkeit des E.[rasmus] von zeitgenössischen Narrenschriften, etwa dem Narrenschiff (1494) S. Brants, nachweisen läßt, so markieren diese doch zusammen mit dem mittelalterlichen Narrenbrauchtum und der Institution des Hofnarren das Umfeld, in das E.[rasmus] sich mit seiner Schrift einfügt. - E.[rasmus] hält in diesem Werk, in dem er die Torheit als Person auftreten und ihr Eigenlob verkünden läßt, teils mit hintergründiger Ironie, teils in scharfer Satire seinen Mitmenschen den Narrenspiegel vor, letztlich in der Absicht, sie zu besseren Christen zu machen.“

Weil er das Kunstmittel der Ironie benützt, um die Aufmerksamkeit des Lesers zu erreichen. Natürlich meint er das Gegenteil, das ist eben die Ironie.