Warum können manche Menschen schneller lesen als andere?

5 Antworten

Es gibt verschiedene Arten von lesen. Manche Leute lesen schnell, wissen aber hinterher auch nur grob, was im Text drin stand. Die gucken nur drauf, lesen von oben links schräg nach unten rechts und erfassen so relativ schnell den Inhalt, aber denen entgehen viele Details. Andere lesen immer nur die Satzanfänge, sobald sie glauben erfaßt zu haben, wie der Satz lautet, lesen sie ab dem nächsten Satz weiter usw.

Und es gibt Leute, die lesen wirklich sorgfältig und verarbeiten auch gleichzeitig das gelesene, machen sich beim Lesen schon gedanken zum Inhalt, haben also beim Lesen auch eine größere Leistung. Dafür dauert es aber auch länger.

Und es gibt auch die, bei denen es ganz extram lang dauert, weil sie sogar jedes Zeichen einzeln verarbeiten. Die meisten lesen zwar schon sorgfältig, aber nicht Zeichen für Zeichen, sondern Wort für Wort. Also man guckt sich das Wort an und hat es sofort erfaßt. Das sind die, die auch "kiene Prlobeme daimt haebn, wenn eiznenlne Buhcsteban vertuashct". Das heißt, die gucken sich das ganze Wort an und haben es schon gelesen. So vertauschte Zeichen fallen manchmal gar nicht auf. Andere lesen Zeichen für Zeichen. Das dauert etwas länger. Das sind auch diejenigen, die beim ersten Zeichendreher erst einmal stocken und sich das in Ruhe angucken müssen, bis sie erkennen, welches Wort wohl gemeint ist.

Du siehst, es gibt unterschiedliche Lesetechniken und unterschiedliche Arten, wie man etwas verarbeitet. Deshalb dauert es unterschiedlich lang. Hinzu kommt sicher auch, daß es so ein bißchen eine Geduldsfrage ist. Manchmal sucht man eine gezielte Information in einem Text. Der Geduldige liest sich dann den Text in Ruhe durch, der eher ungeduldige überfliegt ihn nur, bis ihm ein passendes Stichwort ins Augefällt und liest sich dann so richtig nur diese eine Stelle durch. Oder bei Romanen, gibt es Leute, die finden sehr schnell stellen langweilig und lesen dann zwar auch drüber, aber machen sich keine Gedanken darüber, weil das für die eher unwichtig ist. Aber das sind auch diejenigen, die dann später eine Handlung nicht verstehen, wenn sich auf einmal herausstellt, daß irgendwelche beschriebenen Sachen, die ursprünglich Bedeutungslos schienen, auf einmal doch relevant sind. Beispiel: Jemand betritt einen Raum, der Raum wird grob geschrieben. Es scheint in dem Moment unwichtig zu sein, was sich in dem Raum so befindet. Aber später im Verlauf der Handlung ist vielleicht einer der Gegenstände von entscheidender Bedeutung. Der, der langsam um Sorgfältig liest, zieht schon seine Schlüsse, während andere gar nicht auf die Idee kommen, irgend etwas mit diesem Zimmer zu assoziieren. Und damit sind wir schon wieder bei deinem speziellen Fall. Du liest häufig und brauchst länger als deine Schwester. Ich vermute, du bist auch sehr erfahren, weil du oft liest und weißt, wie wichtig dabei eine gewisse Sorgfalt ist. Zudem vermute ich, daß du auch relativ gern liest und es deshalb sorgfältig machst. Deine Schwester liest laut deiner Aussage nicht so oft. Vermutlich hat sie dann nicht so das Interesse daran oder auch nicht die Fähigkeit, auf alle Details zu achten (nicht nur inhaltliche Details, auch die Gewählte Sprache oder den Schreibstil usw. wo sich manche Leser ja auch schon gedanken darüber machen, warum der Autor das genau so formuliert hat). Zum Beispiel wenn in einem Roman auf einmal ein Perspektivenwechsel stattfindet, nimmt das manch einer einfach so hin, der andere überlegt sich, welche Absicht dahinter steckt usw. Und du bist wohl der, der mit entsprechender Sorgfalt an die Texte geht. Und deshalb brauchst du einfach mehr Zeit dafür.

Ich würde jetzt auch nicht sagen, daß eins von beidem besser ist. Wenn man für etwas recherchiert, sich mehrere Texte raussucht, die als geeignete Quellen in Frage kommen könnten, dann muß man schnell drüber lesen können, um überhaupt voranzukommen. Wenn du jetzt einen wichtigen Vertrag abschließen willst, ist es hingegen wichtig, daß man wirklich jedes Wort genau durchliest, verarbeitet, versteht und auch überlegt, ob man den Satz vielleicht auch anders verstehen könnte, ggf. eine bessere Formulierung finden und dann neu verhandeln. Wer sehr gut ist, beherrscht beide Lesetechniken und kann je nach Bedarf davon gebrauch machen.

Übung macht den Meister: Am meisten habe ich durch das Vorlesen, also den Text anderen mitzuteilen gelernt: Das erfordert ein zügiges "Voraus"- Lesen, OHNE dass man das Gelesene gleich spricht. Sonst klappen die Anschlüsse in den Sätzen oder einzelnen Abschnitten des Textes nicht. Deshalb habe ich mir angewöhnt, zwischendurch immer wieder einen Blick auf den oder die Zujhörer zu werfen. "Abgeguckt" habe ich mir das von den Nachrichtensprechern der diversen Fernsehsender.

Power-Reading ist erlernbar. Vlt bietet das sogar deine Volkshochschule an.

Zum einen haben die einzelnen Menschen unterschiedliche kognitive Fähigkeiten zum anderen ist schnelles Lesen durch Übung zu beeinflussen.