Warum können distanzlose Menschen nicht "locker" lassen?
Ich meine nicht Stalker, sondern Menschen, die "normal" angepasst und sozial integriert sind, die in Freundschaften aber dazu neigen, sich sehr schnell und sehr stark emotional an die andere Person binden. Worin begründet sich extrem Nähe suchende, wenig Distanz wahrnehmende Verhalten?
Und weiter: woran liegt es, wenn auf signalisierte oder verbal geäußerte massive Abwehr nicht oder mit noch mehr Annäherung reagiert wird? Ist das eine Verzerrung der Wahrnehmung von erwünschtem / angemessenen Verhalten? Werden Grenzen nicht gesehen, nicht akzeptiert oder nicht anerkannt? Ist der Kampf um Aufmerksamkeit dann so existenziell, dass die Ablehnung ignoriert / verdrängt wird oder wird die Ablehnung als solche nicht erkannt - und wenn ja, woran liegt es? Welche Gründe hat es, dass Menschen diesem demütigenden Teufelskreis aussetzen?
Ist die Antwort alleine in der mangelnden Kompatibilität bestimmter Bindungsstile zu suchen oder gibt es andere psychologische Erklärungen zu diesem Phänomen? (bin auch für weiterf. Literatur zu diesem Thema dankbar)
Viele Fragen in einer, ich weiß - aber es interessiert mich einfach sehr.
8 Antworten
Ich danke erstmal allen für die vielen Antworten.
An der Borderline-These, muss ich ehrlich sagen, zweifle ich. Borderline wird allzu häufig als eine meist nicht hinreichende Begründung für eine Vielzahl an Störungsbildern genannt, in diesem Falle wie so oft bin ich skeptisch. Kann auch die Symptome hier nicht zuordnen. Den Ödipuskonflikt kann ich mit der Fragestellung auch irgendwie nicht ganz in Einklang bringen. Vielleicht kannst du das etwas genauer erklären, stormking106?
@Angel84: Dass man nie nur Opfer, sondern immer mündiger Akteur seiner wahrgenommen Realität ist, dass gestörte oder schwierige soziale Beziehungen negativ interdependent sein können, ist richtig. Das habe ich in meiner Frage jedoch erst mal aussen vor gelassen - Ich muss mich hier entschuldigen, da ich womöglich meine Frage nicht deutlich genug formuliert habe. Es ging mir nicht um eine persönliche Erfahrung, für die ich einen Rat oder therapeutische Erkenntnis haben wollte, sondern die Frage war auf mögliche (wissenschaftliche) Theorien oder Thesen bezogen. Dein Einwand ist aber sicher ein wesentlicher Aspekt in der Frage nach dem "warum".
Ich denke,dass die Distanzlosigkeit vieler Menschen mit der techologisierten Medienwelt noch ein zunehmendes Problem sein wird.Sie verlernen sprichwörtlich die Fähigkeit zu kommunizieren.PC ,TV u.a.widersprechen nicht,sind immer verfügbar und wenn mir etwas nicht gefällt,stelle ich den Kasten einfach aus.Wenn mir eine 15jährige sagt,sie habe 13 Freunde und keinen kennt sie wahrhaftig,sondern nur als Internetbekanntschaft,finde ich das bedenklich.Schlimmer,dieses Mädchen verhungert seelisch.Es fällt nicht weiter auf,denn es ist angepasst.Wenn sich dann plötzlich jemand ernsthaft interessiert,wird er wichtg,überlebenswichtig.So oder so ähnlich passiert es ständig.Sicher nicht immer so heftig,aber in abgeschwächter Form ist es durchaus nicht selten.Aber man muss nicht zum "Opfer" werden.Freundliche Distanz heißt hier wohl das Zauberwort und das mit aller Konsequenz.
Sicher ist der Medienkonsum in einer gesunden Sozialisation keine Risikogröße,sondern durchaus eine Bereicherung.In funktionierenden Strukturen gibt es diese Sprachlosigkeit nicht.Aber immer dort,wo das nicht funktioniert,fällt es leichter in eine Scheinwelt abzutauchen.Die Kinder bspw.fallen gar nicht auf,weil sie leise sind und niemanden stören.Wenn ihre Seele stibt,fallen sie niemandem auf.Die Ursache liegt nicht in den Medien,aber sie sind leider oft Mittel zum Zweck.
Vielleicht ist das Gewohnheit. Ich frühstücke zB auch nicht mit meiner Familie und die Freundin besteht dann unbedingt auf ein gemeinsames Frühstück. Ist ja im Kindergarten schon so, die klammern einfach auf übelste Weise, obwohl sie dich gerade mal paar Tage kennen. Manche scheinen das mit ins hohe Alter zu tragen. Bin Zivi in einem Kindergarten, ich spreche aus (leidiger) Erfahrung
vielleicht sollte man es doch mit der person selbst ausdiskutieren. Vielleicht hatte die Person irgendwas falsches in das Verhalten des anderen reininterpretiert. Vielleicht ist es auch eine Art von Rache, die sich letztendlich doch nur gegen die Person selbst richtet. Chuck Spezzano "von ganzem Herzen lieben" ist ein psychologisches Buch das sich mit Verhaltensweisen in Beziehungen auseinandersetzt, und dem "gebrochenen Herzen". Falls dich das Thema wirklich interressiert. Die Person fühlt sich offensichtlich verletzt, muß natürlich selbst damit zurechtkommen, da kannst du auch nix machen. Trotzdem versuchen nicht den Respekt zu verlieren, vielleicht ist das die beste Lösung und führt dazu das du in Ruhe gelassen wirst.
... ich fange einmal an in meinem Psychologischen "Wissensspeicher" zu suchen^^, schon mal was vom König Ödipus gehört? Ich würde dir mal empfehlen sich diese schon "fast" faszinierende Geschichte durchzulesen... Der Ödipus Komplex der bei diesen Menschen häufig vorkommt kann in 2 oder sogar mehr Richtungen "aufgespalten" sein. Zum einem so wie du es gesagt hast das Leute enorme Bedingungsbeziehungen aufzubauen versuchen und zum anderen sich absolut bindungsängstlich verhalten... Take a look on our cool uncle Charlie... (Die Trennung von der Mutter ist nicht völlig abgeschlossen) Ich habe das jetzt aber nur ganz kurz umrandet, hoffe ich konnte ein wenig behilflich sein...^^
Das ist eine interessante Hypothese. Zumindest wenn Medienrezeption zu einer Risikogröße wird, was es im Rahmen einer gesunden Sozialisation nicht sein muss.