Warum ist Volvox im Vergleich zu Eudorina und Gonium ein einfacher Vielzeller?
Hi, mich interessiert das Thema sehr, ich habe mich rangesetzt und wollte erforschen, was genau Volvox zu einem Vielzeller macht. Da bin ich auf die Frage gestoßen. Daher wollte ich euch fragen: Ein Merkmal von einem Vielzeller ist doch, dass bei vegetativer Fortpflanzung die Tochterzellen nicht getrennt werden. Aber bei Volvox trennen sich doch die Tochterkugeln, wenn sie von der Mutter freigelassen werden?
Und außerdem habe ich gelesen, dass es typsich Vielzeller ist, dass die Mutter stirbt, wenn Tochterzellen kommen. Was hat es damit auf sich?
1 Antwort
Hi,
diese kleinen Grünalgen zeigen praktisch als Modellorganismen Übergangsstadien vom Einzeller zum Vielzeller. Indem sie heute noch so leben, können wir diese Entwicklung besser verstehen, da wir sie als Anschauungsobjekt nehmen.
Gonium ist nicht mehr einzellig lebend, sondern zeigt erste Ansätze zur Vielzelligkeit. Es bildet tafelförmige Kolonien aus 16 Zellen, die durch eine Gallerthülle verbunden sind. Jede dieser Zellen kann durch 4 Teilungsschritte eine neue Kolonie bilden.
Gonium. Bild: https://meinstein.ch/biologie/von-chlamydomonas-bis-volvox/
Gonium zeigt einen Entwicklungsschritt von einer einzelligen Lebensform zum Vielzeller, auf einem noch einfachen Niveau einer Zellkolonie. Ebenso Eudorina, die Kolonien von 32 in einer Hohlkugel verbundenen Zellen ausbildet.
Eudorina. Bild: University of New Hampshire, Durham USA, link: http://cfb.unh.edu/phycokey/Choices/Chlorophyceae/colonies/colonies_flagellated/EUDORINA/Eudorina_Image_page.html
Diesen Zellkolonien ist gemeinsam, dass die Einzelzellen noch alles können, also sie könnten auch bei Bedarf von sich aus eine neue Kolonie bilden oder Keimzellen bilden.
Volvox bildet kugelförmige Kolonien aus bis zu tausenden Zellen, die in einer hohlen Gallertkugel zusammengehalten werden und durch Plasmabrücken miteinander verbunden sind und erreicht dabei eine neue Organisationsstufe.
Volvox. Bildquelle: Wikipedia, credits: Frank Fox, Lizenz: CC BY-SA 3.0 de, link: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=20240900
Volvox zeigt nämlich eine Tendenz dahin, dass nicht mehr alle Zellen alles können. Die Kugel zeigt eine Schwimmrichtung und beginnt eine Polarität zu entwickeln. Es gibt vorne und hinten. Die vorderen Zellen sind z.B. lichtempfindlicher als andere. Auf der hinteren Seite der Kugel finden sich Zellen, die sich ungeschlechtlich fortpflanzen können und Tochterkugeln erzeugen können. Wenn diese neue Kugeln freigesetzt werden, stirbt der sie freisetzende Mutterorganismus ab. Einige Zellen können sich auch geschlechtlich fortpflanzen.
Volvox hat das Zusammenleben der Zellen, im Vergleich zu Gonium oder Eudorina, weiterentwickelt. Nicht mehr alle Zellen können alles. Sie haben die Fähigkeit alles zu können oder man sagt auch ihre Totipotenz verloren. Nicht jede Zelle ist noch an der Fortpflanzung beteiligt, sondern nur noch wenige. Sie bringen sich nicht mehr in die nächste Generation ein und so kommt es, dass der Rest des Verbandes, der nicht an der Fortpflanzung beteiligt ist, abstirbt.
Das ist etwas, was wir auch kennen. Der Großteil unseres Körpers, der nicht mehr an der Fortpflanzung beteiligt ist und das sind alle Zellen, außer Spermien oder Eizellen, die es geschafft haben, einen neuen Organismus zu begründen und sich damit in die nächste Generation einbringen konnten, endet als "Leiche".
Die Kugel zeigt also erste Schritte in Richtung einer Arbeitsteilung von Zellen, in Richtung auf eine nur noch eingeschränkte Entwicklungspotenz und Befähigung von Zellen (Zelldifferenzierung) und zum Sterben von Zellen, die vom Verband übrig bleiben. Die "Erfindung der Leiche" durch den Schritt vom Einzeller zum Vielzeller, wie du schon angedeutet hast.
Das sind ganz typische Charakteristika von Vielzellern, die Volvox für sich ansatzweise vollzogen hat und daher wird die Volvoxkugel nicht mehr als vielzellige Kolonie angesehen, sondern als Vielzeller aufgefasst. LG


