Warum ist Mitleid so schwer zu ertragen?

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Weil Mitleid oft die Anmutung "von oben herab" mit sich bringt. Jemand, der Mitleid empfindet, stellt sich oft unbewußt oder sogar bewußt über das Objekt seines Mitleides. Daher wird es oft als verletzend aufgefaßt.

Ich bevorzuge den Ausdruck "Mitgefühl", der eher auf der gleichen Ebene schwingt, und mit dem ich ausdrücken kann, daß ich mitfühle, mich in die Situation hineinversetze und die Gefühle des Gegenübers teile.


Maienblume  07.09.2012, 22:24

Dankeschön für die Auszeichnung, pennyhedron! LG!

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Es gibt verschiendene Formen von Mitleid. Ernst gemeintes und gespieltes. Dazu kommt noch, dass es immer auf den Grund ankommt, weshalb man bemitleidet wird. Deshalb ist es wieder was anderes, wenn jetzt zu Beispiel ein Elternteil von dir gestorben ist oder wenn du eine schlechte Erfahrung bei der Arbeit gemacht hast und deshalb Mitleid erntest. Zunächst einmal heißt es ja eigentlich MITleid aber (erschlagt mich)- Ich denke nicht, dass derjenige der dir sein Mitleid zuspricht wirklich mit dir leidet. Der Leidende bist du. Viele sagen doch nur, dass sie Mitleid mit dir empfinden, weil sich das so gehört. Genau deshalb (weil die Person es vielleicht so sieht) schätze ich, fühlen sich manche Menschen verletzt und weil sie sich in dieser Situation als schwach oder gar unterlegen sehen. Es erinnert einen dann meistens noch einmal an eine Situation, die man vielleicht in diesem Moment vergessen oder verdrängt hat und desto mehr Leute einen darauf ansprechen, desto mehr wird auf diese Situation entsprechend eine gewisse Aufmerksamkeit gelenkt.

Es heißt, Albert Schweitzer hätte sich bei allen Menschen, denen er geholfen hat, vorher für diese Hilfe entschuldigt - weil er mit der Hilfeleistung automatisch (wenn auch ungewollt) demonstriert hat, dass er etwas hat oder kann, was dem anderen fehlt und sich damit sozusagen über den anderen gestellt und ihm seinen Mangel vor Augen geführt hat.

Jemand, der echt mit-leidet, zeigt damit auch, dass es ihm durch das Leid des anderen selbst schlecht geht und legt damit u. U. dem Betroffenen noch eine zusätzliche Last auf ("Wenn ich XY nicht erzählt hätte, was mir passiert ist, würde es ihm jetzt nicht so unnützerweise auch noch schlecht gehen!") - kommt besonders häufig zwischen Eltern und Kindern vor.

Mitleid macht nur Sinn, wenn der Mitleidende über das reine Empfinden hinaus bereit ist, ganz praktisch das Problem des anderen auch mitzutragen (mit-aushalten, konkret helfen etc.). Daran erkennt man dann auch, ob es wirklich echt ist oder ob der andere sich einfach nur spiegelt (Dein Problem erinnert ihn an eigene ähnliche Erlebnisse, und eigentlich bemitleidet er sich mehr selbst, ist "betroffen" und meint damit, dass er diesbezüglich auch schon mal "getroffen" war.) Wenn man dies (oft unbewusst) wahrnimmt, dann ist das sehr verletzend, weil man gerade in dem Moment, in dem man wirkliche Unterstützung gebraucht hätte, auch noch Opfer einer billigen Farce geworden ist.

Die bloße Bekundung von Mitleid nimmt man nicht immer ungern entgegen; z.B. in der Form des Beileids beim Tode eines Angehörigen ist sie durchaus erwünscht. Ist man selbst in eine Position der Schwäche geraten, stellt Mitleid ein seltsam vermischtes Gefühl dar, wie Big Tumbler mit Recht gesagt hat, vermischt nicht nur bei dem Mitleid-Bekundenden, sondern auch aus der Sicht des Bemitleideten. Deshalb verzichtet letzterer gerne auf solche Mitleidsäußerungen. Das "tätige" Mitleid hingegen in der Form der (wirklich) echten Hilfe, die man einem Gestürzten gewähren möchte, nimmt dieser im allgemeinen wohl gerne entgegen, wenn er nicht allzu empfindlich ist und jede Hilfe als eine Art Bettlergroschen auffasst.

Weil einem damit die eigene Schwäche vor Augen gehalten wird.