Warum ist das Orbitalmodell besser als das Bohrsche Atommodell und das Heisenbergsche Modell?

3 Antworten

Moin,

in den folgenden Ausführungen habe ich versucht, alles möglichst anschaulich darzustellen. Dabei musste ich hier und da bestimmte Vereinfachungen des Themas vornehmen. Bitte nimm es mir also nicht übel, wenn dir bestimmte Aspekte zu stark vereinfacht erscheinen, ich legte eben mehr Wert auf Anschaulichkeit...

Das Bohrsche Atommodell geht davon aus, dass Elektronen kleine negativ geladene Teilchen sind, die auf "erlaubten Bahnen" um den Atomkern kreisen. Dabei wird, so die Modellvorstellung weiter, die Anziehungskraft zwischen dem positiv geladenen Kern und den negativ geladenen Elektronen durch die Fliehkraft aufgehoben, die durch die Bewegung der Elektronen auftritt. Unter "erlaubt" versteht man dabei, was Bohr einfach postuliert (als unumstößliche Annahme vorausgesetzt) hat, nämlich dass sich die Elektronen auf diesen Bahnen strahlungsfrei bewegen können. Das musste Bohr als gegeben voraussetzen, weil zum Zeitpunkt der Erstellung des Modells längst bekannt war, dass die Bewegung von Ladungsträgern immer mit einem Energieverlust verbunden ist. Wenn aber ein kreisendes Elektron durch seine Bewegung ständig Energie verliert, dann müsste es auch ständig langsamer werden. Wenn es aber ständig langsamer würde, müsste auch die Fliehkraft immer kleiner werden, so dass die Anziehungskraft des Kerns stärker auf das Elektron einwirken würde. Doch das hieße am Ende, dass die Elektronen auf immer enger werdenden Spiralbahnen in den Kern stürzen müssten. Da dies offenbar nicht geschieht, müssen die Elektronen - so Bohrs Argument - auf bestimmten Bahnen kreisen können, ohne dabei Energie zu verlieren. Diese Bahnen sind dann die "erlaubten" Bahnen.
Alle Physiker (und Leute mit naturwissenschaftlicher Ahnung) hätten Bohr und seine Modellvorstellung wahrscheinlich einfach ausgelacht, wenn Bohr mit seinem Modell nicht in der Lage gewesen wäre, dem kompletten Wasserstoffspektrum eine ziemlich exakt berechenbare Grundlage zu geben. Da er das konnte (also sämtliche Übergänge von Elektronen im Wasserstoffatom mathematisch berechnen zu können), konnte man Bohrs Atomvorstellung nicht einfach von der Hand weisen (bzw. auslachen).
Hinzu kam noch, dass man mit den "erlaubten" Bahnen auch erklären konnte, warum Elektronen Energie immer nur in bestimmten Portionen (Quanten) aufnehmen oder abgeben können, dies also nicht kontinuierlich geschehen kann.
Natürlich gab es nicht nur wegen des Bohrschen Postulats, das der physikalischen Beobachtung vom Energieverlust bewegter Ladungsträger offenkundig widersprach, Einwände gegen seine Modellvorstellung. Ein Hauptargument war außerdem, dass das Modell streng genommen nur das Spektrum von Wasserstoff exakt beschreiben konnte. In jedem anderen Mehrelektronensystem (also für alle Atome der anderen Elemente) versagte es. Zwar versuchte Sommerfeld, das Bohrsche Atommodell dadurch zu verbessern, dass er nicht nur Kreisbahnen, sondern auch Ellipsenbahnen als "erlaubt" hinzufügte, so dass die Berechnungen in Mehrelektronensystemen besser den Beobachtungen ihrer Spektrallinien angenähert werden konnten, aber die beiden Hauptprobleme blieben: erstens benötigte auch das Bohr-Sommerfeld-Modell die Annahme, dass es "erlaubte" Bahnen geben müsse (also Bahnen, auf denen Elektronen strahlungsfrei kreisen können), und zweitens waren die Berechnungen mit Ellipsenbahnen zwar besser, aber eben auch nicht exakt.

Von Heisenberg gibt es kein eigenes spezielles Atommodell (soweit ich weiß). Heisenberg hatte lediglich (aber immerhin) nachgewiesen, dass es unmöglich ist, für ein Elektron dessen Aufenthaltsort und seinen Impuls (also seinen Energiegehalt) gleichzeitig in einem Atom exakt anzugeben. Oder vereinfacht gesagt, man kann entweder den Ort genau eingrenzen, erhält dann aber für den Energiegehalt einen völlig unsicheren Wert. Oder man kann den Energiegehalt bestimmen, aber dann wäre keine exakte Ortsangabe mehr möglich.
Stell dir das so vor, dass du durch das Messverfahren zum Beispiel den Ort genau festlegst, aber dann für die Energie eine Angabe erhältst, die etwa besagt 1 Joule plus/minus 10.000 Joule (Zahlenwerte stimmen nicht; sie sollen nur das Problem verdeutlichen!) Oder du ermittelst den Energiewert, aber dann bewirkt deine Messmethode für die Ortsangabe eine Aussage 1 mm plus/minus 10 km (auch hier stimmen die Zahlen natürlich so nicht...). Wenn der Fehler deiner Angabe zig-mal größer ist, als dein ermittelter Betrag, so ist die Angabe deines ermittelten Wertes vollkommen sinnlos, verstehst du?
Also wie gesagt, du kannst Ort und Impuls eines Elektrons in einem Atom nicht gleichzeitig exakt bestimmen. Diese Erkenntnis wird "Heisenbergs Unschärferelation" genannt.

Das Problem mit Bohrs Atommodell ist in diesem Zusammenhang nun, dass es keinerlei Hinweis darauf gibt, warum man Ort und Impuls eines Elektrons in einem Atom nicht gleichzeitig exakt angeben können sollte?! Man kann die Bahn berechnen und man kann den Energiegehalt des Elektrons mit Hilfe von Bohrs Modell berechnen. Warum sollte es also nicht möglich sein, beides gleichzeitig zu tun...? Und dennoch gibt es keine Möglichkeit, beides gleichzeitig anzugeben, weil - wie gesagt - die Messmethode die Messung derart beeinflusst, dass immer für einen der beiden Aspekte eine vollkommen wertlose Angabe herauskommt.

Im Orbitalmodell geht man dagegen von einer völlig anderen Grundvorstellung über Elektronen aus. Nach dem sogenannten Welle-Teilchen-Dualismus (de Broglie) hat jedes Objekt korpuskuläre Eigenschaften (also Eigenschaften eines Teilchens) und Eigenschaften einer stehenden Welle. Letzteres ist nur schwer zu veranschaulichen. Sehr stark vereinfacht gesagt, ist jedes Objekt gleichzeitig Teilchen und eine hin und her schwingende Welle.
In der makroskopischen Welt (also in der realen Welt deiner Wohnung zum Beispiel) hast du einen offenbar klar umgrenzten Körper. Das ist deine "Teilcheneigenschaft". Aber gleichzeitig bist du auch eine stehende Welle, das heißt, du schwingst eigentlich ständig hin und her. Deine Wellenlänge ist dabei jedoch so klein, dass man sie nicht wahrnehmen kann. Darum erscheinst du wie ein Teilchen, weil deine Teilcheneigenschaften deine Welleneigenschaften mehr als deutlich überragen.
Aber auf dem Größen-Niveau von Atomen ist das nicht so. Hier haben der Teilchencharakter und der Wellencharakter der Bestandteile praktisch gleich große Bedeutung. Das Elektron ist also eher kein negativ geladenes Teilchen, das um den Atomkern kreist, sondern eine Teilchen, das gleichzeitig als stehende Welle in der Nähe eines Atomkern anzutreffen ist. Immer wenn sich die stehende Welle gerade komplett um den Kern anordnen kann, ist der Zustand stabil (das entspricht den "erlaubten" Bahnen in Bohrs Atommodell). Jedenfalls kannst du für solche stehenden Wellen eine Wellenfunktion aufstellen. Jede Lösung dieser Wellenfunktion entspricht einem möglichen Zustand des Elektrons. Die Wellenfunktionen hat Schrödinger "ausgeknobelt" (Schrödinger-Gleichung). Und jetzt kommt der Clou: Wenn du die Wellenfunktionen Schrödingers quadrierst (also hoch zwei nimmst), dann ergeben sich Räume. Diese Räume haben verschiedene Gestalten. Es gibt kugelsymmetrische Räume, doppelhantelförmige Räume, keulenförmige Räume und ein paar recht bizarr gestaltete Räume. Diese Räume bezeichnet man als "Orbitale". Zwar gilt auch im Orbitalmodell Heisenbergs Unschärferelation, aber durch die Ermittlung der Orbitalformen ergeben sich Räume, in denen ein Elektron eines bestimmten Energiegehaltes mit einer mehr als 90%-igen Wahrscheinlichkeit anzutreffen ist. Mit "anzutreffen" ist in diesem Falle gemeint, dass sich das Elektron als stehende Welle um den Atomkern in dem Orbital aufhält.
Durch diese andere Interpretation des Elektrons entfällt die Vorstellung, dass sich das Elektron als Teilchen um den Kern bewegt. Dadurch entfällt sofort die Notwendigkeit erklären zu müssen, warum das Elektron nicht ständig Energie verliert, denn wenn es sich nicht bewegt, verliert es logischerweise auch keine Energie. Außerdem bleibt verständlich, warum Elektronen nicht kontinuierlich Energie aufnehmen oder abgeben können, sondern dies stets in bestimmten Portionen tun, denn sie können nicht überall um den Atomkern sein, sondern nur in bestimmten Orbitalen als Zustand existieren.

Im Zusammenhang mit dem Orbitalmodell ergaben sich noch weitere wichtige Aspekte, zum Beispiel die Besetzung der Orbitale. Diese gehorcht folgenden Regeln: 1. die Energieregel; 2. die Hundsche Regel; 3. das Pauli-Verbot; 4. die Regel der halbbesetzten Orbitale.
Das Orbitalmodell erlaubt das Verstehen des Aufbaus von Atomen (und stellt somit ein hervorragendes Werkzeug dar, zum Beispiel den Aufbau des Periodensystems zu verstehen), gibt Erklärungen für Phänomene wie Spektroskopie, chemische Bindungen, chemische Grundgesetze usw. Es ist zurzeit das genaueste Modell zur Beschreibung von Atomen. Aber man sollte nicht vergessen, auch das Orbitalmodell ist ein Modell, also ein Versuch, die Realität zu veranschaulichen. Es ist nicht die Wirklichkeit selbst...

So, ich hoffe, du kannst mit dieser Darstellung etwas anfangen. Sorry, es ist ein bisschen umfangreich geworden, aber ich werde beim Thema Atommodelle immer von meiner Begeisterung mitgerissen...

LG von der Waterkant.


juju12623 
Beitragsersteller
 24.11.2016, 06:43

Ich danke dir. Ehrlich gesagt hast du es viel besser und einfacher erklärt als meine Lehrerin . 

LG juju12623

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Es löst beispielsweise das Problem, dass die Elektronen im bohrschen Modell irgendwann zwangsläufig in den Kern reinfliegen müssen.

Weil es Antworten auf Fragen gibt, welche die beiden anderen Modelle nicht geben können. Bsp. Mesomerie eines Benzolrings.