Warum ist Claude Frollo (aus der Glöckner von Notre Dame) so geworden, wie er war - bzw. gibt es wirklich Menschen, die so sind oder waren wie er?
"Er sah Sünde überall, nur nicht im Herzen sein" - er sah sich doch als Mann Gottes, oder? Aber er handelte nicht aus Liebe... Warum ist er anders als ein Phoebus oder eine Esmeralda oder ein Quasimodo oder die Wasserspeier? Was hat er sich durch seine Taten erhofft?
Jetzt bitte nicht nur Antworten, wie: "Weil eine Story einen Bösewicht und einen Helden braucht " Im realen Leben gibt es auch solche und solche Menschen... Warum ist der eine so und der andere so???? Kann ein böser Mensch gut werden und ein guter Mensch böse? Wie verläuft der Prozess?
3 Antworten
Willst du traurige Wahrheit hören?
Weil die Story einen Bösewicht und einen Helden braucht….zumindest im Film.
Was viele nicht wissen ist, dass Der Glöckner von Notre Dame eigentlich eine Literaturverfilmung ist und das Frollo im Buch ein viel besserer Mensch ist, der einen viel komplexeren Charakter hat.
Beispiel:
Im Film tötet er Quasimodos Mutter und nimmt das Baby auf, weil der Erzdiakon ihn gesehen hat und er um seine unsterbliche Seele fürchtet. Das Baby muss in der Kirche leben weil er ihn nicht in der Nähe haben will.
Im Buch nimmt Frollo Quasimodo auf, weil er als vierjähriger vor den Toren von Notre Dame ausgesetzt wurde und sich die guten Bürger von Paris so vor dem Kleinen gefürchtet haben, dass sie ihn “beseitigen“ wollten. Sie sind dem Glöckner auch nicht so gut gestellt als dieser älter ist, auch wenn sie sich an seiner Arbeit erfreuen, so verabscheuen sie ihn.
Das Baby muss in der Kirche leben weil Frollo kein Richter sondern der Erzdiakon ist, und folglich selbst in der Kirche lebt.
Frollo gibt ihm auch nicht den Namen Quasimodo weil das unvollständig bedeutet, sondern weil er ihn am Quasimogdogeniti findet, das ist der erste Sonntag nach Ostern.
Im Buch erfährt auch viel mehr von Follos Leben und Vergangenheit. Seine Eltern starben, als er noch recht jung war worauf hin er sich um seinen kleinen Bruder gekümmert hat, der zu diesem Zeitpunkt noch ein Baby war. (es war richtig herzzerreisend zu lesen wie es war als er ihn schreiend in der Wiege gefunden hat)
Auch die Charaktäre der anderen sind viel interessanter, gut und böse ist einfach nicht so klar definiert.
Phoebus zum Beispiel ist mit einer anderen Frau verlobt und verliebt sich nicht in Esmeralda sondern begehrt sie nur. Als sie gefangen genommen wird verlässt er sie und heiratet die Andere.
Esmeralda ist so blind vor Liebe zu Phoebus, dass sie bereit ist sich für ihn voll und ganz zu verbiegen. Sie ist abergläubisch und sehr introvertiert und sie freundet sich auch nicht mit Quasimodo an. Sie erträgt nicht einmal seinen Anblick als Quasimodo sie vor der Hinrichtung rettet und in Notre Dame aufnimmt.
Die Wasserspeier kommen im Buch nicht vor, ganz im Gegensatz zu Frollos Bruder Jehan, der einfach nur lustig ist und ihm im Film bestimmt viel Menschlichkeit verliehen hätte.
btw sorry, wenn ich gerade deine Childhood buste XD
Doch zurück zu Frollo und deiner Frage. Er reagiert im Film anders, aufgrund der Erfahrungen, die er in seinem Leben gemacht hat…. Oder besser gesagt nicht gemacht hat. Frollo war setzt ein frommer Mann, dem es leicht gefallen ist die Sünde der Begierde zu verabscheuen weil er sie selbst noch nie erfahren hat.
Doch als er sich in Esmeralda verliebt bzw sie begehrt ist das ein Teil seines Wesen, den er noch nicht gekannt hat und der ihn überfordert. Er weiß sich nicht zu helfen und deswegen reagiert er über.
Auch wenn ich es nachvollziehen kann, dass man so harten Tobak dem Zielpublikum von Disney nicht unbedingt zumuten kann, so glaube ich doch, dass sie den Kids in Sachen Frollo mehr hätten zutrauen können. Aber wenn wir uns ehrlich sind, die Handlung welches Disneybösewichtes kann man den wirklich nachvollziehen?
Warum es generell so ist, dass hängt von vielen Faktoren ab. Das kann die Umwelt sein in der man lebt, die Erziehung die man genossen hat oder auch die Gene (aber nur zu einem kleinen Teil). Es kommt darauf an wie reflektiert man ist und ob man bereit ist Verantwortung für sich und sein Leben zu übernehmen. Wie Victor Hugo es im Glöckner von Notre Dame getan hat, kannst du ja versuchen das Leben und die Menschen darin nicht nur in schwarz weiß zu betrachten.
Auch wenn dein Theard schon älter ist hoffe ich doch, dass ich dir weiterhelfen konnte. Wenn du fragen hast, kannst du dich gerne an mich wenden. Es war auf jeden Fall schön über eine alte Leidenschaft zu quatschen.
Eine deutlich nähere Inszenierung des Romans als Musical hat die King's Academy auf YouTube veröffentlicht.
Es ist eine Mischung aus der Buchvorlage und dem Disney-Film, ist ein Musical und gibt dem ganzen nochmal eine andere Richtung.
Hier ist Frollo auch ein Erzdiakon mit Jehan als Bruder. Quasimodo ist der Sohn von Jehan und einer Gipsy, und wird notgedrungen von Frollo aufgenommen und von ihm betreut, gleichzeitig aber versteckt, verachtet (Quasimodos Name kommt von seiner Deformation, nicht vom Wochentag) und abhängig gemacht (und aus heutiger Sicht wahrscheinlich auch emotional missbraucht). Die Beziehung zwischen den beiden ist hier nochmal auf einer ganz anderen Ebene.
Esmeralda und Phoebus stehen sich auch näher als in der Buchvorlage, Esmeralda mag Quasimodo jedoch auch.
Phoebus gibt zwar sein Karriere für Esmeralda (wie im Film als er das Haus anzünden soll) auf, am Ende stirbt jedoch Esmeralda auf dem Scheiterhaufen und Quasimodo daraufhin auch.
Es gibt quasi alle Lieder aus dem Film, teilweise in abgewandelt und es führt kein Gaukler durch die Show, stattdessen einzelne Mitglieder eines Chores, die alle Kutten tragen und gleichzeitig die Rollen der Wasserspeier (die als solche auch nur bedingt in der Inszenierung existieren) übernehmen.
Hier kann man, finde ich, Frollos Beweggründe noch Mal etwas anders nachvollziehen, auch durch seine etwas andere Beziehung zu Quasimodo.
Die Inszenierung ist in die Lieder unterteilt (deshalb Playlist) und dauert etwa 2h:
https://youtube.com/playlist?list=PLzvdeRjhZpVmFh6vcifi9QynlRohzN6kp
Hier das Script zum Mitlesen (es gibt nur ein paar wenige Abwandlungen um die Handlung zu kürzen):
In dem Film mit Gina Lollobrigida und Anthony Quinn tötet Frollo NICHT Quasimodos Mutter
Ja eh klar. Eine gute Story braucht einen Bösewicht und einen Helden - dann bleibt oder wird es interessant - aber im realen Leben gibt es sowas doch auch manchmal.
Für mich ist gut und böse meist sehr eindeutig aber ich bin davon überzeugt dass die Lebensumstände sehr viel ausmachen wie sich jemand entwickelt.
Vieles kann man gut verstehen - besonders wenn jemand viele Tiefschläge nacheinander einstecken musste kann es schon vorkommen dass sich das mit der Zeit immer mehr auswirkt.
Interessant dass der echte Frollo nicht halb so schlimm gewesen zu sein scheint oder sogar recht nett.
Ich nehme es mir vor das Buch eines Tages zu lesen.
Kein Problem - das mit meiner Childhood. Das Thema finde ich interessant.
Die Handlungen der Disney-Bösewichte kann ich beinahe alle nachvollziehen. Man muss sich die Figuren ja nur mal ansehen. Häufig sind sie allein und haben keinerlei Freundschaften und dann geht es meist um Geld und Macht - denn das kann dafür sorgen, dass sich deren Leben angenehmer gestalten lässt. Demnach kann man es schon nachvollziehen - wobei man ohne Freunde noch immer kein besonders schönes Leben haben wird - doch Geld macht vieles leichter.
Nun ja, man kann das gar nicht so genau sagen. Es kommt darauf an, welche Person man in den Vordergrund stellt. Und der Gegenspieler ist dann halt der "Böse". Für mich lässt sich gut und böse so erklären:
Niemand ist vollständig gut oder vollständig böse. Man ist die Hälfte das und die andere Hälfte das. Und klar, das ist ein Disneyfilm, aber im Original kommt das zum Ausdruck. Da ist er nämlich ein sehr einfühlsamer (Stief)Vater und er wird am Ende brutal ermordet, in dem er so voll im Mufasa - Style einfach mal den Turm runter geschmissen wird.
Ja, es gibt ein Buch, das erschien VIEL früher als der Film (demnach ist der Film dem Buch nachempfunden)
Im Buch von Victor Hugo wirft Quasimodo seinen Ziehvater die Kathedrale hinab weil dieser teuflisch grinst als er unten das Zigeunermädchen Esmeralda am Galgen hängen sieht..
es gibt alle moeglichen motive und gruende fuer "gute" oder "schlechtes" verhalten. generell boesartig sind die wenigsten menschen, aber es gibt freilich auch psychopathen.
der "prozess" verlaeuft natuerlich ganz verschieden. manchmal werden menschen kriminell, weil sie in einer entsprechenden umgebung aufwachsen, weil sie hilflos sind oder ihnen selbst schlimmes angetan wurde. es gibt kein festes schema wieso jemand sich so verhaelt.
aus "boesen menschen" "gute menschen" zu machen ist eine von mehreren aufgaben des strafvollzugs. funktioniert allerdings nicht so wahnsinnig gut.
Im Original? Gibt es da ein Buch dazu? Woher weißt du das?