Warum hat Kant seinen Heimatsort Königsberg nie in seinem Leben verlassen?

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Immanuel Kant hat seinen Heimatort Königsberg verlassen, allerdings nicht oft. 1748 – 1754 (oder 1755) war Immanuel Kant Hauslehrer/Hofmeister, beim Pfarrer Daniel Andersch in Judtschen nahe bei Königsberg, dann auf dem Landgut des preußischen Rittergutsbesitzes Bernhard Friedrich von Hülsen bei Arnsdorf, etwa 100 Kilometer südwestlich von Königsberg, schließlich wohl bei der Familie des Reichsgrafen Heinrich Christian von Keyserling.

Gerd Irrlitz, Kant-Handbuch : Leben und Werk. Stuttgart ; Weimar : Metzler, 2002; S. 1:
„Immanuel Kant wurde am 22. April 1724 in Königsberg geboren und starb dort am 12. Februar 1804. Er hat Königsberg Zeit seines Lebens nicht verlassen, mit Ausnahme der Jahre als Hauslehrer, die er erst im Pfarrhaus im Litauischen, dann bei einem Rittergutsbesitzer im Bezirk Danzig, vielleicht zuletzt noch im Haus des Grafen Kayserling bei Tilsit verbrachte.“

Kleinere Reisen/Ausflüge innerhalb des Herzogtums Ostpreußen hat Kant in jüngeren Jahren unternommen, zum Beispiel zum Städtchen Goldap, wohin ihn Daniel Friedrich von Lossow eingeladen hatte.

Die Frage ist genauer, warum er Königsberg selten verlassen hat.

Anfangs hatte Kant kaum finanzielle Mittel. Königsberg hatte eine Universität. Daher konnte er dort auch studieren. In der Nähe gab es keine weitere.

Später war Kant in Königsberg stark eingelebt und hatte eine Reihe von Bekannten dort. Kants körperliche Konstitution war schwach. Er litt an einer leichten Form von Skoliose oder Rückgratverkrümmung.

Längere Reisen mit einer Kutsche, bei dem es oft über Stock und Stein ging, wären strapaziös gewesen.

Im Alter hielt sich Kant stark an Gewohnheiten mit festem Tagesablauf.

Wahrscheinlich ist das im Vergleich zu Zeitgenossen in ähnlicher sozialer Lage geringe Unternehmen von Reisen auch im Temperament und der Mentalität begründet.

Biographien bieten eine Möglichkeit, der Frage nachzugehen:

Otfried Höffe, Immanuel Kant. Originalausgabe. 7., überarbeitete Auflage. München : Beck, 2007. Beck'sche Reihe : Denker ; 506), S. 27: „Trotz seiner großen wissenschaftlichen und pädagogischen Erfolge muß Kant bis 1770, also dem Alter von 46 Jahren, warten, um die ersehnte Professur für Logik und Metaphysik zu erlangen. Allerdings hat er im Herbst des Jahres vorher sowohl eine Berufung an die Universität Erlangen als auch eine Anfrage der Universität Jena mit dem Hinweis auf seine Verbundenheit mit der Heimat, seinen ausgedehnten Bekannten- und Freundeskreis sowie auf seine schwache Gesundheit abgelehnt. Und mit Bezug auf das im Jahr 1778 erfolgende Angebot seines Gönners, des preußischen Ministers Karl Abraham von Zedlitz, die Philosophieprofessur in Halle mit 800 Talern Jahresgehalt und der Aussicht auf den Hofratstitel zu übernehmen (Briefe 117/75 und 120/77), schreibt Kant an Markus Herz »Gewinn und Aufsehen auf einer großen Bühne habe, wie sie wissen, wenig Antrieb für mich« (Briefe 121/79).“

Manfred Kühn, Kant : eine Biographie. Aus dem Englischen von Martin Pfeiffer. Ungekürzte Ausgabe. München : Deutscher Taschenbuch-Verlag, 2007 (dtv ; 34394), S. 191 – 121 und S. 183

Arnulf Zitelmann, Nur dass ich ein Mensch sei : die Lebensgeschichte des Immanuel Kant. Vom Autor überarbeitete und aktualisierte Neuausgabe. Weinheim ; Basel : Beltz & Gelberg, 2009, S. 51 – 64 und S. 112

S. 112: „Ja, der Magister kam ganz schön im Land herum, das kann man schon den wenigen uns verbliebenen Dokumenten entnehmen. Allein über die Grenzen des Herzogtums Ostpreußen ist er nie hinausgekommen. Vielleicht wollte er seiner schwachen körperlichen Konstitution die Strapazen ausgedehnter Reisen nicht zumuten. Der von ihm hochgeschätzte Pope hat von der Welt auch kaum mehr mitbekommen als seine kleine Heimatstadt Twickenham bei London. Wie Kant litt er an einer Rückgratkrümmung. […].

Nein Kant war einfach ein Reisemuffel. Unter anderem hatte ihn sein Freund Ruhnke in die Niederlande eingeladen, auch einen Besuch Englands in Aussicht gestellt; Moses Mendelssohn hätte Kant gerne in Berlin begrüßt, sein Bruder Johann Heinrich bat ihn, nach Kurland zu kommen. Doch Kant schützte jedes Mal seine heikle Gesundheit vor.“


Bigmac040 
Beitragsersteller
 05.01.2012, 15:11

Hört sich plausibel an. Wird wahrscheinlich richtig sein was du mir erzählt hast.

Ich hatte mir eher eine philosophische Antwort erhofft aber du hast Recht. Ich danke dir. Hier hast du einen Stern ;)

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Reisen war damals noch sehr unbequem und vielleicht ist ihm in der Kutsche immer schlecht bei dem Geruckel....? Oder er hat all sein Geld in ein eigenes Haus und nicht ins Reisen investiert? Scheint jedenfalls richtig und klug gewesen zu sein, er ist 80 geworden, das ist für damals ein hohes Alter.


Bigmac040 
Beitragsersteller
 24.11.2011, 10:17

Kann man das vielleicht auch philosophisch interpretieren? Ich bin mir nicht sicher ob das der einzige Grund war warum er Königsberg selten verlassen hat.

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schwabinggirl  24.11.2011, 10:51
@Bigmac040

nein, glaube ich nicht. Das hat keinen philosophischen Hintergrund, warum auch? Das, was ein Mensch schreibt, ist sein Beruf - aber nicht sein Leben, sein Alltag. Ich kenne viele Autoren und auch Professoren - das sind auch nur Menschen.

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thofou  24.11.2011, 12:32
@schwabinggirl

Das, was ein Mensch schreibt, ist sein Beruf - aber nicht sein Leben.

Das trifft vielleicht auf Autoren historischer Romane zu, aber nicht auf Philosophen.

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Diese Frage kommt über 200 Jahre zu spät. Um 1800 hättest du (bzw. ein Vorgänger) Kant noch fragen können. Hat aber niemand gemacht. Also hat Kant dieses Geheimnis mit ins Grab genommen.


Bigmac040 
Beitragsersteller
 24.11.2011, 10:16

Was soll daran nicht stimmen? Ich hab jetzt danach gegoogelt und überall finde ich das Kant Königsberg SELTEN verlassen hat. Trotzdem bleibt ja die Frage jetzt gleich.

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