Warum gibt es so wenig Therapeuten?

6 Antworten

Guten Abend,

die Mangelsituation wird von vielen Faktoren beeinflusst. Der wichtigsten iat, dass es zu wenig Kassensitze seitens den Krankenkassen gibt, dagegen steht eine Vielzahl von potentiellen Patienten, die durch die Coronasituation noch einmal drastisch in die Höhe gestiegenen ist, was sich auch so schnell nicht ändern wird.

Meine Praxis ist bis oben hin voll. Ich nehme zum Beispiel nur komplex traumatisierte Klienten an. Die Behandlung ersteckt sich oft über mehrere Jahre. Zudem muss ich Termine freihalten für die Patienten, die über die kassenärztliche Vereinigung reinkommen, die ich sowieso ablehnen muss. Zeit die ich für dauerhafte Patienten aufbringen könnte. Zum anderen sind es nicht nur die Gespräche die geführt werden. Länger sitzt man an Anträgen und Gutachten. Die nehmen enorm viel Zeit in Anspruch. Jedoch muss man ständig angeben warum der und der Klient weitere Therapie benötigt.

Ich habe zum Beispiel, wie andere Kollegen, keine Warteliste. Aus dem einfachen Grund: ich kann sie nicht abarbeiten.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung

lulu83724 
Beitragsersteller
 15.07.2021, 19:50

Hat man Vorrang wenn man Arbeitsunfähig ist? Ich bin mit 20 leider schon Arbeitsunfähig, hab noch nie gearbeitet und gerade einmal einen Hauptschulabschluss aufgrund meiner psychischen Erkrankung. Ich habe eine gescheiterte Therapie hintermir und suche aktuell eine neue.

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Sollemnia  15.07.2021, 20:05
@lulu83724

Nein. Einerseits wäre es anderen unfair gegenüber den man ggf. schon zugesagt hat und andererseits würde man aus dem "Patienten vorziehen" nicht mehr heraus kommen.

Eine Möglichkeit für den Übergang zur Therapie wäre in einer psychiatrischen Institutzambulanz vorstellig zu werden oder einen teil- oder vollstationären Aufenthalt in Erwägung zu ziehen, da Du dem Rententräger, bzw. in Deinem Fall eher dem Sozialamt oder so, ich bin keine Sozialarbeiterin, gegenüber Deine Sorgfaltspflicht nachkommen musst.

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Es ist gesetzlich so geregelt wieviel Kassenärzte sich niederlassen dürfen. Durch Covid-19 hat sich die Situation noch weiter angespannt. Alternativ kann man aber auch durch die Kostenübernahme bei einem Privattherapeut eine Therapie machen. Aber viele von denen sind mittlerweile auch total überlaufen.

Es dauert Wochen bis Monate bis die Therapie anfängt

Es gab vor Jahren schon einen Therapeutenmangel, der sich nun durch die Pandemie noch einmal zugespitzt hat. Es ist gesetzlich geregelt wieviel Therapeuten es mit einer Kassenzulassung gibt. Die Zahl wurde zwar vor ein Paar Jahren angepasst, aber ist immer noch bei weitem zu gering.

Ein Erstgespräch muss nun zwar frühzeitig angeboten werden, aber die Wartezeiten sind dennoch weiterhin mehrere Monate.

dann sogar nur 1x die Woche

Nun, ich muss dir sagen, dass das sogar die Normalität ist. Ich habe in den letzten Monaten sogar immer öfters gehört, dass Termine nur noch alle 2-3 Wochen gehalten werden. Therapeuten können so mehr Klienten aufnehmen, aber die Zeit zwischen den Terminen wird daher länger. Aber wöchentliche Termine sind vollkommen normal.

Ich finde das hilft nicht wirklich wenn man nur ein einziges Mal pro Woche 45 Minuten sprechen kann und dann wieder solange warten muss.

Dann solltest du vielleicht überlegen, ob es nicht sinnvoll wäre eine stationäre Therapie zu machen? Weil eine ambulante Therapie soll ja extra weiter auseinander liegen, damit man Zeit hat sich damit auseinander zu setzen, es zu verarbeiten und dann neue Wege damit zu finden.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Klinische Sozialarbeit

Die Bezahlung ist eigentlich relativ gut. Die Anforderungen sind relativ hoch. Man benötigt halt ein sehr gutes Abitur. Muss danach Psychologie studieren und dann noch 1-2 Jahre in einer Klinik arbeiten bevor man zugelassen wird.

Es gibt gar nicht so wenige Therapeuten wie man denkt. Das Problem ist die schlichtweg die Nachfrage. Mittlerweile benötigt gefühlt jeder 3. irgendwann in seinem Leben mal ein paar Stunden Therapie. Kenne da leider keine genauen Zahlen.

Steigende Anforderungen, mehr Leistungsdruck in der Schule, mehr Druck bei der Arbeit, steigende Mietpreise, etc.. Sowas läuft bei vielen zwangsläufig auf zumindest temporäre psychische Probleme hinaus.

Ein weiteres Problem ist natürlich das ein voll ausgebildeter Therapeut auch meistens keine 20 Patienten am Tag empfangen kann.

Ich kann das nachvollziehen wie frustrierend das ist so lange auf einen Platz zu warten. Auch der Punkt mit nur einer Sitzung in der Woche ist frustrierend wenn man so viel mehr zu besprechen hat. Falls die Probleme zu extrem sind sollte man über einen Klinkaufenthalt nachdenken. Einige Probleme lassen sich nicht mit einer Stunde Therapie pro Woche lösen.

Viel Glück dir noch auf deinem weiteren Weg 👍

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

lulu83724 
Beitragsersteller
 15.07.2021, 17:57

Ich war bereits in mehreren Psychiatrien aber dort hat man leider ebenfalls nur 1x die Woche Zeit mit einem Therapeuten allein zu reden. Es werden zwar auch andere Therapien gemacht, wie Ergo, Musik usw. aber das hilft nicht wirklich.

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Sollemnia  15.07.2021, 18:46
@lulu83724

Die Kliniken können nur dass anbieten was die Krankenkassen auch zahlen. Die KK sehen nicht vor mehr als eine Therapie pro Woche zu zahlen.

In den meisten ambulanten Therapien muss seitens des Therapeuten individuell geschaut werden wie oft eine Sitzung nötig ist, ist es mehrmals die Woche, ist es umsetzbar usw.

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Liegt vermutlich an der erhöhten Nachfrage.

Inzwischen ist vielen klar das man wegen Psyschichen Problemen genauso zum Arzt gehen sollte wie bei körperlichen.

Vor 20 Jahren gab es da weniger Leute die das als normales Verhalten ansahen. Aber die anzahl der Medizinstudenten ist ist nicht ausreichend gewachsen.

Ist jedenfalls meine Einschätzung.