Waren die Schwarzen in Medizin und Heilkunde mal Fortschrittlicher als die Weißen?
Deswegen gibt es doch auch so viele Mohrenapotheken oder?
5 Antworten
Hi
Nein.
Die Schwarzen haben sowieso nie eine Gruppe gebildet.
Die Assoziation zwischen Mohren und Apotheke könnte auch rein von dem Exotizismus genährt worden sein, ohne dass die Medizin tatsächlich überlegen gewesen wäre- in der Tat würde ich das ohne Kenntnis einer "mohren- / Mauren-Medizin" annehmen, denn fast alle zumindest stoffliche Medizin vor ca. 1900 oder sogar 1960 war mit Vorsicht zu genießen. Oft reich an Nebenwirkungen, oder gar nicht wirksam.
Es ist eine geschichtliche Konstante, dass man sich für die medizinischen Praktiken anderer, "exotischer", evtl. zauberkundiger oder naturverbundenerer Völker interessiert. Siehe Beliebtheit von TCM heute im Westen oder wie Pflanzen aus anderen Ländern beworben werden, oder wie man früher die Juden und die Zigeuner und die Ägypter, ebenso wie die Mohren, für besonderer Medizin und verwandter "Einflussnahme" fähig gehalten hat verglichen mit den "gewöhnlichen" Einheimischen.
Apotheken hatten im 19. Jahrhundert ohnehin oft Elemente einer Wunderkammer und waren oft mit fremdländischen auffälligen Gegenständen dekoriert- viele Medikamente waren auch exotischer Herkunft und viele sicherlich wirkungslos aber aus kulturell-magischen Gründen im Sortiment.
Vielleicht ist das auch so begründet, dass man etwas zu sehr weiß was die einheimischen Ärzte tun und was einheimische Arzneien sind- das Fremde ist undurchschaubarer und eine bessere Projektionsfläche für wirkungsvolle Beeinflussungskräfte oder Technologien.
Allerdings ist es geschichtsmedizinisch ein Fakt, das sowohl Juden wie auch Moslems viel aus der ursprünglich antiken Medizin schlichtweg weitergeführt und verbessert haben
Diejenigen auf die das direkt zutrifft, sind aber wohl zu 95 (?) oder mehr % nicht schwarz gewesen.
Zudem wäre die Frage von welchem auf welches Niveau man da die Verbesserung ansieht. Es wird häufig so dargestellt als sei die fortschrittlichere Medizin der "Blütezeit des Islam" modern gewesen, aber das war sie dezidiert nicht. Sie war nicht wissenschaftlich. Fortschritte gab es in der Region sicher schneller auf dem Gebiet der Anatomie usw., aber bahnbrechende Fortschritte in Medizin sind so selten dass man wenn man darüber schreibt- äh siehe der Medicus- lieber etwas erfindet (Blinddarmoperation) als authentische damalige Behandlungsmethoden als Fortschritt zu nehmen.
so war es für den "Mohren" (und hierzu zählen übrigens nicht nur schwarze nach heutigem Verständnis, sondern eben auch durchaus Nordafrikaner und Araber)
Das passt aber nicht zu der Verwendung des Mohren-Wortes in der Neuzeit, dort ist es dezidiert ein Schwarzer, ich denke das spiegelt sich auch in der Frage. Und ein Araber ... wann war ein Araber ein Mohr?
Vor allem, was die Lehre über die Pflanzenheilkunde angeht, welche bis heute teilweise Verwendung findet.
Ich schätze 50% der Pflanzenheilkunde von Bingens ist reiner Unsinn, 49% weiß man nicht.
Erst durch die Übersetzung der Werke ibn Sinas war es ihr möglich, die Erkenntnisse und Weiterentwicklungen der griech. Röm. Medizin nicht nur zu studieren, sondern auch deren Prinzipien zu verstehen und diese mit der volksheilkunde zu kombinieren.
Aber du schreibst selber: " Heutzutage natürlich veraltet und in vielen Punkten bewiesen falsch". Ich habe keine hohe Achtung vor Volksheilkunde oder römischer Medizin.
Naja, man muss hier halt einiges in relation sehen. Die Welt war im allgemeinen viel religiöser geprägt. Was sich eben auch auf die damaligen medizinischen Kenntnisse ausgewirkt hat. Wir erinnern uns, daß Bakterien und Co (als Erreger) erst seit grad mal 150 jahren (grob geschätzt) bekannt sind. Obwohl bereits irgendwann um 16hundertund die kleinen Dinger via Mikroskop sichtbar gemacht wurden. Dennoch galt lange Zeit die miasmen oder Säfte Lehre bei Krankheiten.
Im 11.jhd kam halt zum einen schlicht fehlendes Equipment, religiöse Beschränkung und damit einhergehend eben auch Trugschlusse zu Erkrankungen dazu.
Um mal auf den Blinddarm zurück zu kommen: die Erkenntnis, daß sich der fortsatz entzünden kann, und man mit einer eigentlich "simplen" appendektomie einen möglichen, tödlichen Ausgang verhindern kann, ist medizinisch gesehen ebenso ein quantensprung gewesen wie die Erkenntnis, daß Händewaschen und desinfizieren Infektionen am Patienten verhindert. Oder eben die recht späte Erkenntnis, daß Bakterien für Krankheiten verantwortlich sein können. Im Film Medici wird tatsächlich fälschlicherweise (oder aber zumindest unbelegterweise) eine solche Behandlung ausgeführt. Ich persönliche Werte das als groben Fehler, allerdings ist dies ja auch irgendwie einer der aufhänger des Films und wie du schon so schön sagst, sind Erkenntnisse in der anatomie eben nicht so spannend für den Zuschauer.... Aber das ist wie gesagt auch nur ein Film. Keine Dokumentation.
Der eigentliche, tatsächliche Unterschied und Fortschritt durch die Erkenntnisse kommen eher aus der bis dahin relativ unüblichen Überlegung, Methoden miteinander zu vergleichen. In Europa wurde anch schema f "therapiert" und gebetet. Während in anderen Teilen der Welt gelehrte teilweise bereits so etwas wie Studien an ihren Patienten durchführten, um neue Behandlungsmethoden zu testen oder alte zu verbessern. Es sind eben nicht die spektakulären Fortschritte sondern die eher subtilen Erkenntnisse und geänderte Denkweisen, welche hier die Medizin beeinflusst haben. Nenn Es meinetwegen die Vorstufe zur Grundlagenforschung.
Nur so nebenbei: aus den volksheilkunden entstand die moderne Medizin und Pharmazie, und viele Methoden (vor allem im medikamentösen Bereich) sidn konsequente Weiterentwicklungen davon ;)
"Das passt aber nicht zu der Verwendung des Mohren-Wortes in der Neuzeit, dort ist es dezidiert ein Schwarzer, ich denke das spiegelt sich auch in der Frage. Und ein Araber ... wann war ein Araber ein Mohr?"
Es muss ja auch garnich zur Verwendung in der Neuzeit passen. In dem Sinne. Fakt ist das viele heilkundige oder auch Händler mit entsprechenden Waren deutlich dunkler waren als man es in Europa kannte. Das Wort" mohr" wurde recht schnell zu einem zusammenfassenden Begriff. Neben dem "muselmann" bspw. Es galt als Qualitätssymbol einer tunkturei, eines Barbiers oder später auch Apotheke, wenn die Herrschaften von diesen Händlern einkauften, oder ihnen auch die Möglichkeit ließen, Leute in ihrem Geschäft zu behandeln. Die dunklere Hautfarbe war hier das ausschlaggebende, nicht unbedingt die tatsächliche ethnische zugehörigkeit. Ein eritraer zählt bspw. Auch noch als nord(Ost) Afrikaner in diesem Zusammenhang, durch die Ausdehnung des Islam und seiner Affinität zu Handel und Co dürfte der Araber oder Perser sicherlich ähnlich häufig angetroffen worden sein, als der maure, eritraer etc. Schau dir bspw. Mal den "sarotti Mohr" (die trad. Logos) an. Von der Klamotte her ist dieser ganz klar Morgenlandisch gekleidet, sein aussehen an sich ist aber der eines schwarzen.
In späteren Zeiten kommen halt schlicht irgendwann auch stereotype Namensgebungen dazu. Wie eben das man seine neue Apotheke als "mohrenapotheke" bezeichnet, um damit die Qualität seiner Waren und fachkundigkeit anzupreisen.
Übrigens sind genau solche Sachen wie das Wissen um Behandlungen und Medizin einer der Gründe gewesen, wieso Juden oder auch Moslems schnell mal auf den Scheiterhaufen als Hexer wanderten (neben dem Fakt, daß man bereits damals mit sowas gut Geld machen konnte)
Diesen Namen tragen fast immer sehr alte Apotheken. Er bezieht sich darauf, dass früher viele Heilkräuter und Gewürze aus dem Orient kamen, von den Mauren. Daraus wurden im Sprachwandel die "Mohren". Der Name sagte also aus, "in dieser Apotheke gibt's Arzneimittel aus fernen Ländern".
Zur Geschichte der Medizin kannst du gerne hier nachlesen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Medizin
Alles Gute für dich!
In früheren Zeiten war dies objektiv betrachtet tatsächlich so. Der Grund dafür war unter anderem, daß in den damaligen islamisch und jüdisch geprägten Ländern(naher Osten, Nordafrika etc.) , im Gegensatz zum christlichen Europa die heilkundigen viel freier forschen und behandeln durften. Einer der wohl berühmtesten und einflussreichsten gelehrten dieser Zeit war ibn Sina (auch: avicienna).
Jupp, in diesem Film ist der Lehrmeister übrigens ibn Sina ;)
Habe ich mir runtergeladen, und gucke es mir Monatlich an und heule mich in den schlaf mit dem Film 😅
Witziger weise hat eine Nachbarin von mir das Buch im Hausflur verschenkt :-D
Ich bin mal eine Weile ausgewandert und musste meine Bibliothek auflösen. Darunter musste ich auch den Medicus abgeben, also das Buch. Als ich wieder in Deutschland war, gehörte das zu den ersten Büchern die ich mir wieder neu gekauft habe:)
Nein. Die waren zu keinem Zeitpunkt in irgendetwas fortschrittlicher.
Falsch, in Medizin und Heilkunde waren sie im Mittelalter und der frühen Neuzeit voraus.
nein
im nahen Osten war die Medizin aber mal fortschrittlicher als in Deutschland (im Mittelalter)
Dort gab es immer gelehrte Schwarze... Und wenn in Wien seit 1300 eine Apotheke zum schwarzen Äthiopier hieß, später dann Mohrenapotheke...
Ähm naja.. Soweit ist deine Überlegung schlüssig. Allerdings ist es geschichtsmedizinisch ein Fakt, das sowohl Juden wie auch Moslems viel aus der ursprünglich antiken Medizin schlichtweg weitergeführt und verbessert haben, während in christlichen Ländern durch die kirche viele tabus eingeführt wurden was Heilverfahren angeht. Hier hat sich die Europäische Kultur tatsächlich zurückentwickelt. Erst mit dem aufkommen von lateinischen Übersetzungen aus arabischen lehrtexten der Medizin kam da wieder Schwung in die Sache.
Der buchband "Kanon der Medizin" von ibn Sina zählte Jahrhunderte lang zu DEM Standardwerk der damaligen modernen Medizin. Heutzutage natürlich veraltet und in vielen Punkten bewiesen falsch, im Verhältnis zum europäischen medizinischen Verständnis aber ein quantensprung.
Zum besseren Verständnis: avicienna lebte irgendwann um das jahr 1000 herum. Zu dieser Zeit wurde in Europa (sofern nicht von der Kirche als ketzerei dargestellt) noch mit antiken und rein geistlichen Methoden gearbeitet, während in der islamisch/jüdischen Welt sich die Techniken bereits um ein vielfaches weiterentwickelt hatten.so war es für den "Mohren" (und hierzu zählen übrigens nicht nur schwarze nach heutigem Verständnis, sondern eben auch durchaus Nordafrikaner und Araber) schon im 11.jhd kaum ein Problem, eine Operation gegen den grauen Star auszuführen, während der Europäer quasi mehr oder minder nur die Entfernung oder amputation einigermaßen beherrschten. Ebenso war zu dieser Zeit in Europa das Konzept der Anästhesie nahezu unbekannt. Erst die östlichen Kulturen brachten mit Opium und Co den Grundgedanken einer betäubung zu uns.
Hildegard von bingen, welche ebenfalls im 11.jhd lebte wurde durch eben die Werke ibn sinas extrem beeinflusst. Vor allem, was die Lehre über die Pflanzenheilkunde angeht, welche bis heute teilweise Verwendung findet. Erst durch die Übersetzung der Werke ibn Sinas war es ihr möglich, die Erkenntnisse und Weiterentwicklungen der griech. Röm. Medizin nicht nur zu studieren, sondern auch deren Prinzipien zu verstehen und diese mit der volksheilkunde zu kombinieren.
Um es ganz kurz zu machen : das "dunkle" Mittelalter ist keine phrase, sondern eine historisch abgegrenzte Zeit der hauptsahclich europäischen Geschichte, in der wir uns erstmal n ganzes Stück zurückentwickelt haben. Wissen ging verloren oder wurde verboten. Und kam erst mit der expansion des Islam wieder zurück nach Europa.