War Wagner wirklich "Antisemit"?

3 Antworten

Aber nehmen wir mal an, es handele sich hier um temperamentvolle Entgleisungen.

Eine umfangreiche gedruckte Broschüre würde ich nicht nur "temperamentvolle Entgleisung" nennen.

https://de.wikisource.org/wiki/Das_Judenthum_in_der_Musik_(1869)

Er hat wohl die Überzeugung gehabt, dass die jüdische Musik nicht so tief geht wie die deutsche, wenn ich es richtig verstehe. Aber kann er das nicht einfach als sachliche Meinung gehabt haben

Antisemitismus als "sachliche Meinung"? Und was soll in diesem Zusammenhang überhaupt "jüdische Musik" sein? Soll Mendelssohns Musik "jüdisch" sein und weniger "tief" als z. B. die Musik Schumanns? Die behaupteten musikalischen Unterschiede konnten die Antisemiten damals schon nicht erklären.

ohne damit auch einen Hass auf Juden zu verbinden?

Wagner richtet sich an die Juden mit diesen Worten:

Nehmt rücksichtslos an diesem, durch Selbstvernichtung wiedergebärenden Erlösungswerke theil, so sind wir einig und ununterschieden! Aber bedenkt, daß nur Eines eure Erlösung von dem auf euch lastenden Fluche sein kann: die Erlösung Ahasvers, – der Untergang!

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Er hat ja auch mit Juden zusammengearbeitet.

Das ist die typische Inkonsequenz vieler Antisemiten und anderer Rassisten. Wer ihnen nützt, ist von der Feindseligkeit ausgenommen. Insofern war er in seinen Texten wohl radikaler als im Handeln. Hässlich bleibt es trotzdem und auch bitter, dass einer der bedeutendsten Komponisten so etwas von sich gegeben hat.


JanHatEineFr227 
Beitragsersteller
 22.05.2024, 14:33

Aber das ist doch eher oberflächlich interpretiert: Wagner meinte damit nicht die physische Vernichtung, sondern das Aufgehen im Christentum. Und ja, man kann das als sachliche Meinung haben, das ist kein Antisemitismus, denn Antisemitismus richtet sich gegen die Menschen, nicht gegen deren Überzeugungen. Ich hasse ja auch nicht die Menschen, nur weil sie CDU, SPD, AfD oder was weiß ich wählen; dennoch kann ich mit deren Überzeugung / Religion tiefgreifend uneinig sein.

Wie gesagt, es mag inhaltlich großer Unsinn sein, oder auch großer Unsinn gepaart mit einzelnen Wahrheiten (ich weiß es wirklich nicht, habe diese Schrift nicht gelesen), aber das macht einen ja nicht gleich zum "Hasser". Mir ist diese begriffliche Unterscheidung sehr wichtig.

Wiederum, wenn Wagner so Sachen sagt wie, er wolle die Juden brennen sehen bei einer seiner Aufführungen, dann ist das eine starke temperamentvolle Entgleisung oder vielleicht sogar ernst gemeint (?) und dann zweifelsohne schlimmer Antisemitismus....

Sangallo  22.05.2024, 14:51
@JanHatEineFr227

Ich glaube eher, du nimmst seine Aussagen zu sehr in Schutz. Eine geforderte "Selbstvernichtung" und "Untergang" einfach als Bekehrung auszulegen halte ich für ziemlich verharmlosend bis zynisch. Und doch, den Hintergrund solcher Aussagen nennt man Hass. In Wagners Fall auch verbunden mit klassischen Verschwörungstheorien. An seinem Antisemitismus gibt es in der Forschung gar keinen Zweifel. Einzuräumen ist nur, dass seine Haltung im Lauf des Lebens schwankte.

https://de.wikipedia.org/wiki/Richard_Wagner_und_der_Antisemitismus

JanHatEineFr227 
Beitragsersteller
 22.05.2024, 17:11
@Sangallo

Ja, die Wissenschaftler scheinen zu überwiegender Mehrheit der Meinung zu sein, ehrlich gesagt glaube ich aber auch nicht, dass man es sich als Wissenschaftler leisten könnte, eine andere Meinung zu vertreten.

Mag natürlich sein, dass ich Wagner zu sehr in Schutz nehme. Ich habe mich zu wenig mit ihm beschäftigt, aber solche Wörter wie du sie nennst hat man damals sehr viel unbedarfter in den Mund genommen. In den meisten Fällen sicherlich aus Hass-Gründen, aber bei Wagner weiß ich nicht... er differenziert ja, soweit ich weiß, zwischen Mensch und Religion. Und dann kann man ja eigentlich kein Antisemit sein, wenn man da differenziert.

Sangallo  22.05.2024, 18:44
@JanHatEineFr227
Ich habe mich zu wenig mit ihm beschäftigt

Aber meinst trotzdem, seine antisemitischen Ausfälle leugnen zu müssen.

er differenziert ja, soweit ich weiß, zwischen Mensch und Religion.

Das hast du dir selber aus den Fingern gezogen. Wagner schreibt 1881, dass er "die jüdische Race für den geborenen Feind der reinen Menschheit und alles Edlen in ihr halte: dass namentlich wir Deutschen an ihnen zu Grunde gehen werden, ist gewiss"

https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/160065/richard-wagners-antisemitismus/

Auch der Übertritt von Felix Mendelssohn zum Christentum interessiert ihn nicht.

https://www.sueddeutsche.de/politik/judenhasser-und-komponist-der-paranoia-fall-richard-wagner-1.1678112

Ich habe an dieser Stelle keine Lust mehr auf weitere Diskussion, da du hier offensichtlich Geschichtsklitterung betreiben willst, obwohl der Fall klar ist. Das zeigt auch deine wissenschaftsfeindliche Bemerkung.

ehrlich gesagt glaube ich aber auch nicht, dass man es sich als Wissenschaftler leisten könnte, eine andere Meinung zu vertreten.
JanHatEineFr227 
Beitragsersteller
 22.05.2024, 20:08
@Sangallo

"Aber meinst trotzdem, seine antisemitischen Ausfälle leugnen zu müssen." Du hast wohl eine politische Mission, oder warum gehst du mich hier gleich so an?

Wenn du das als "wissenschaftsfeindlich" betitelst, bist du offenbar nicht in der Lage, überhaupt Argumente anderer nachzuvollziehen und zu verstehen, worin Wissenschaft eigentlich besteht. (Nicht in einem kollektiven psychologischen Druck oder Recht der Mehrheit!)

Ich habe auch keine Lust mehr auf dich, dann passt's ja. Viel Spaß mit deiner "Geschichtsklitterung".

Und nein, natürlich unterschreibe ich nicht das Zitat von Wagner, was du da genannt hast. Aber auch so ein Zitat muss man im Kontext lesen können und nicht gleich auf die Palme springen.

JanHatEineFr227 
Beitragsersteller
 22.05.2024, 20:13
@JanHatEineFr227

Übrigens ist dieser Tropus bei Wagner der gleiche, den selbsternannte Kämpfer gegen das Patriarchat, die Nazis, das Gendern etc. pp. verwenden. Man ordnet irgendeine Gruppe als das erklärte Feindbild ein. Warum ist das in manchen Fällen dann aber erlaubt, weil "moralisch integer", und manchmal nicht? Aus heutiger Sicht ist Wagners Sicht nicht in Ordnung, dafür aber darf man "Deutschland vor den Nazis retten". Was jeweils genau damit gemeint ist, DARAUF kommt es nicht an. Nicht auf den Tropus als solchen.

Sangallo  22.05.2024, 21:39
@JanHatEineFr227

Da hab ich ja offenbar voll ins Schwarze getroffen, so wie du jetzt an die Decke gehst.

worin Wissenschaft eigentlich besteht. (Nicht in einem kollektiven psychologischen Druck oder Recht der Mehrheit!)

Dazu gehört zu allererst die Akzeptanz von Tatsachen. Dabei hast du selbst deine Unkenntnis zugegeben:

Ich habe mich zu wenig mit ihm beschäftigt

Ich schätze Wagner als Komponist und habe keinen Grund, ihn schlecht zu reden. Aber an seiner Haltung gibt es nichts zu beschönigen, auch in anderen Bereichen nicht.

Was jeweils genau damit gemeint ist, DARAUF kommt es nicht an. Nicht auf den Tropus als solchen.

Du meinst also, dass vielfach wiederholte, seitenlange und auch gedruckte antisemitische Ausführungen nicht antisemitisch gemeint seien. Wagner war ein sehr erfolgreicher Karrieretyp und kein armer Kerl, dem so etwas aus Frust einfach mal rausrutschen kann.

JanHatEineFr227 
Beitragsersteller
 22.05.2024, 21:51
@Sangallo

"Da hab ich ja offenbar voll ins Schwarze getroffen"

Dann ist Leute aufregen mit doofen empathielosen Kommentaren also deine Mission hier?

"Dazu gehört zu allererst die Akzeptanz von Tatsachen. Dabei hast du selbst deine Unkenntnis zugegeben:"

Ja, aber die musst AUCH du eingestehen, und man muss in der Lage sein, sich in Weltbilder hineinzuversetzen, die dem eigenen zuwider laufen. Diese Fähigkeit sehe ich aber nicht, wenn du partout alles abstreitest, was pro Wagner sprechen könnte in dieser Debatte.

"Du meinst also, dass vielfach wiederholte, seitenlange und auch gedruckte antisemitische Ausführungen nicht antisemitisch gemeint seien. Wagner war ein sehr erfolgreicher Karrieretyp und kein armer Kerl, dem so etwas aus Frust einfach mal rausrutschen kann."

Antisemitisch ist halt nicht gleichzusetzen mit Kritik am Judentum. Und wenn dahinter das Menschenbild so ist (wie es beileibe NICHT bei den MEISTEN ANDEREN seiner Zeit war), dass der Mensch von seiner Religion getrennt wird (UND seine "Rasse", denn dies ist auch nötig, um Gobineaus Gleichsetzung von Rasse und Religion entsprechend einzuordnen), dann ist das KEIN Antisemitismus, sondern einfach eine andere sachliche Auffassung der Welt. Der Antisemitismus wurde erst durch die biologistische (nicht-spirituelle) Weltauffassung brandgefährlich. Im Spirituellen behält der Mensch die Freiheit und Individualität, im Materialismus geht sie völlig unter (in der Rasse, Religion ,....). Wagner hingegen hatte m.W. ein sehr spirituelles christliches Weltbild.

Mein Nicht-Wissen bezieht sich darauf, dass ich nicht genau weiß, ob Wagners Weltbild tatsächlich so stringent war, dass er den Menschen von seiner Religion, Rasse etc. getrennt hat, oder ob er da Inkonsequenzen o.ä. gezeigt hat. Rudolf Steiner (der sich im Verein gegen Antisemitismus engagierte) hat über Wagner gesagt, er habe so ein Weltbild gehabt, und sei in diesem Sinne nicht als Antisemit zu bezeichnen.

JanHatEineFr227 
Beitragsersteller
 22.05.2024, 21:56
@JanHatEineFr227

Nochmal zur "Wissenschaft": Es ist sicherlich erlaubt, als Wissenschaftler ein Buch mit der Grund-These zu verfassen, das Christentum habe insgesamt der Menschheit geschadet (katholische Kirche etc., Gründe gibt es ja viele). So etwas wäre hingegen beim Judentum, Islam usw. undenkbar. Und das eben nicht aus wissenschaftlichen, sondern vorrangig psychologischen Gründen. (Ohne das Buch gelesen zu haben, wäre die Cancel Culture bereits am Werke.)

Und ich sehe halt PRINZIPIELL nichts falsch daran, so eine These über das Judentum darzulegen. Denn ich würde es auch für das Christentum akzeptieren. Die Argumente zählen dann natürlich. Aber prinzipiell kann man ja so eine Meinung haben, ohne den einzelnen Juden als individuellen Menschen zu diskriminieren. Heutzutage fühlt man sich aufgrund der kollektivistischen Verbundenheit zur Religion etc. aber gleich individuell angegriffen, wenn jemand scharfzüngige Kommentare macht. (Und ja, häufig sind diese scharfzüngigen Kommentare alles andere als scharfsinnig. Aber das muss man ja begrifflich trennen.)

Sangallo  22.05.2024, 21:58
@JanHatEineFr227
mit doofen empathielosen Kommentaren

Man könnte meinen, du fühlst dich durch Kritik an Wagner persönlich beleidigt. Ein Kommentar ist nicht "doof und empathielos", nur weil er dir nicht passt.

Und warum hältst du dich immer an der jüdischen Religion auf? Wagner spricht ausdrücklich von einer jüdischen Rasse, die er für schädlich hält. Ich hatte das oben zitiert. Was er da sagt, ist etwas anderes als Kritik an der jüdischen Religion oder Kultur.

Sangallo  22.05.2024, 22:10
@JanHatEineFr227
So etwas wäre hingegen beim Judentum, Islam usw. undenkbar.

Würde ich so nicht pauschal sagen. Teilweise stimmt das aber wohl. Gegen das Judentum zu schreiben, ist wohl ein heißes Eisen, aber ich habe gerade heute noch ein Kapitel darüber gelesen, wie prominente Autorinnen des Feminismus in den 80er Jahren die Unterdruckung der Frauen bis zu ihrer heutigen Zeit auf ein uraltes "jüdisches Patriarchat" zurückführen wollen. Das steckt voller altbekannter judenfeindlicher Klischees bis hin zu Holocaust-Relativierung und das hatte keine negativen Konsequenzen für die Autorinnen.

Sangallo  22.05.2024, 22:16
@JanHatEineFr227
Der Antisemitismus wurde erst durch die biologistische (nicht-spirituelle) Weltauffassung brandgefährlich.

Es gab auch schon tödliche Judenpogrome zu anderen Zeiten. Die mittelalterliche/frühneuzeitliche Judenfeindlichkeit ist nicht das Gleiche wie der moderne Antisemitismus, hat aber trotzdem Kontinuitäten.

JanHatEineFr227 
Beitragsersteller
 22.05.2024, 22:29
@Sangallo

Ja, stimmt, das habe ich falsch formuliert. Mit "erst" meine ich nicht die historische Aussage, dass vorher eine spirituelle Weltauffassung bestanden hätte, sondern ich meinte das rein begrifflich.

Und, wie ich meinte, kann man ja auch Rasse vom Menschen trennen. Naja, muss Wagner wohl selbst nochmal lesen, um ihn zu verstehen.

Friedrich Nietzsche hat bei Wagner selbst jüdische Teilabstammung vermutet und Wagners ganzer biographischer Selbst-Inszenierung als Erneuerer der deutschen Kultur grundlegend mißtraut als er Friedrich Nietzsche hat bei Wagner selbst jüdische Teilabstammung vermutet und Wagners ganzer biographischer Selbst-Inszenierung als Erneuerer der deutschen Kultur grundlegend mißtraut als er im Fall Wagner 1888 über diesen schrieb:

Sein Vater war ein Schauspieler Namens Geyer. Ein Geyer ist beinahe schon ein Adler ... Das, was bisher als "Leben Wagner's" in Umlauf gebracht ist, ist fable convenue, wenn nicht Schlimmeres.

Nietzsche selbst hatte ja einerseits eine enge Affinität zum Jüdischen und wollte „alle Antisemiten erschießen“ lassen. Andererseits konstruierte Nietzsche in der Genealogie der Moral sowie im Antichristen selbst groß angelegte geschichtliche Verschwörungstheorien in Bezug auf die Hintergründe der Entstehung und Verbreitung der christlichen Religion in der heidnischen Welt des römischen und germanischen Altertums, die, würden sie von Deutschen verstanden werden, ebenfalls als „antisemitisch“ gebrandmarkt werden müßten.

Nietzsche also mußte es wissen. Er hatte den richtigen Riecher in Bezug auf Wagner und erkannte als einer von wenigen, dass dessen musikdramatisches Gesamtwerk nur dem äußeren Kolorit nach deutsch-germanisch, dem geistigen Gehalt nach aber rein jüdisch ist. Nietzsche fiel als einer der ersten auf, dass es bei Wagner immer um irgendeine Form von „Erlösung“ ging, was sich kaum auf Deutsche, Römer oder Germanen beziehen kann, denn wovon sollten diese „erlöst“ werden wollen (die heutigen Deutschen wohl vom westlichen Antigermanismus nach 1945, aber das konnte Nietzsche ja nicht voraussehen). Nietzsche hat das messianistische Erlösertum in Juden- und Christentum wie eben auch bei Wagner gründlich verspottet und unter der Kategorie der Psychologie des Mißratenen, An-sich-Leidenden abgehandelt.

Tatsächlich hatte Nietzsche hier Recht: Im fliegenden Holländer geht es um das Ahasveros-Motiv, also das ewig suchenden Juden, dem der verhießene Messias noch nicht erschienen ist und der daher als Ausgestoßener unter den Völkern ein ewig Ruheloses, Suchendes Dasein führt. Der Tannhäuser thematisiert die sexuelle Thematik im Judentum und im Ring des Nibelungen wiederum geht es um das Geldsystem, wobei sich der „Ring“ auf den materiellen Bund Moses mit Jahwe, dem Fürsten dieser materiellen Welt, bezog. Die Juden sind durch diesen Bund sozusagen „vermählt“ mit der diesseitigen, materiellen Welt und laut Tora (siehe 3. und 5. Buch Mose) wurde ihnen diese von Jahwe auch als Lohn für ihre Gesetzestreue versprochen (vgl. diese Metaphorik mit der wohl ident gemeinten bei Tolkien in Herr der Ringe). Im Parsifal schließlich geht es um den Juden aus rassenbiologischer Sicht - ein Thema, das inhaltlich weiter auszuführen leider in der heutigen Zeit aus Gründen der „politischen Korrektheit“ nicht mehr möglich ist. Daher nur eine Andeutung: Es ging um die Erlösung von der Mischerbigkeit durch den „reinen Tor“ (den Germanen Parsifal), womit Wagner das von dem zehn Jahre später vom Zionismusbegründer Max Nordau geforderte, rassisch aufgenordete „Muskeljudentum“ vorwegnahm, das zur Grundlage der praktische Schöpfung eines Staatswesens werden sollte. –

Selbst im scheinbar reinkeltischen Tristan oder den vermeintlich reindeutschen Meistersingern finden wir die jüdische Thematik subtil verschlüsselt, doch es würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, darauf tiefer einzugehen.

Wagner war also kein platter Wald-und-Wiesen-Antisemit, der in dumpfer Pöbelmanier über die „superreichen jüdischen Ausbeuter, Wucherer und Mädchenhändler“ polterte, sondern vielmehr ein, der seelischen Tendenz nach, jüdischer Tondramatiker, der, unter der Maskerade deutsch-germanischen Erzählgutes, die tiefsten jüdischen Seelenfragen versinnbildlichte und dem messianistischen Streben im Judentum das denkbar monumentalste musikdramatische Gleichnis setzte.

Nietzsche erkannte das völlig Undeutsche, Ungermanische, Unarische in Wagners so nervenüberspannender, überreizter Musik (die in diesen Eigenschaften jüdischen Liedern deutlich näher steht als deutschen), jedoch verstand er den Parsifal noch nicht in dessen Tiefe, was wohl damit zusammenhing, dass der einsame Stubenphilologe und Alpenwanderer Nietzsche, anders als der wendige Paneuropäer Wagner, mit den Werken von Schlüsseldenkern des 19. Jhs. wie Gobineau oder Wilhelm Marr, nicht vertraut war. Somit deutete Nietzsche den Parsifal als Ausdruck „römischer“ (also katholischer) Propaganda, als Angriff auf die germanisch-deutsche Seele im Sinne einer Neochristianisierung durch den deutschfeindlichen Tschandala-Süden, in dessen Mischlingsbevölkerungen Nietzsche die ursprüngliche Gärmasse ausmacht, aus der heraus die christliche Religion und deren Kirchenapparat überhaupt erst entstanden waren (siehe dazu die Ausführungen über die Psychologie des jüdischen Priestertums in der Genealogie der Moral und vor allem die Verschwörungstheorie im Antichristen, wo Nietzsche den Niedergang der römisch-heidnischen Welt des Altertums sowie die Verhausschweinung der heroischen alten Germanen zu harmlos-sittlichen deutschen Michelspießern ausführt).

Wagners gelegentlich aufkommender ostentativ-offener „Antisemitismus“ kann nur gedeutet werden als eine Mischung aus tatsächlicher Selbstverachtung seiner eigenen jüdischen Seite und dem Versuch, sich bei einigen judenskeptischen Intellektuellen (z. B. Hans von Bülow) damals beliebt zu machen – oder eben einfach nur als eine Art weiterer Tarnung des tatsächlichen Inhalts seines ganzen Schaffens. Im Judentum in der Musik unterstellt er jüdischen Komponisten wie Meyerbeer, sie könnten arisches Tonschaffen nur kopieren und effekthascherisch erweitern, hätten aber selbst keine authentische Triebkraft, keine „Seele“, die ihrem Willen zum Schaffen zugrunde liegt. Obgleich es Derartiges in der Musikgeschichte sicherlich stets gegeben hat und vor allem heute oft gibt (siehe die Tausende weitestgehend talentlosen, aber durch Massenmedien künstlich gehypten zeitgenössischen PopmusikerInnen), so erscheint doch die ausschließliche Bezugaufnahme auf jüdische Musiker in diesem Zusammenhang sicherlich fragwürdig. Man kann mit einiger Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass Wagner an die Ausführungen in Texten wie diesem selbst nicht ganz glauben konnte. –

Natürlich war er Antisemit. Deshalb war Hitler ja auch so ein Fan von ihm.

Viele große Köpfe, von denen man es gar nicht vermuten würden, haben sich antisemitisch und auch rassistisch geäußert.

2000 Jahre christlicher Antisemitismus sind eben nicht ohne Folgen geblieben.