Hatte ich eine schlechte Kindheit oder bilde ich mir das nur ein?
Hallo,
ich bin 15 und weiblich und manchmal frage ich mich, ob ich eine gute oder eine schlechte Kindheit hatte, die eventuell noch heute Folgen in mir gelassen hat. In meiner Kindheit war es so, dass wir einigermaßen Geld ausgegeben hatten, wir haben halt reich auf andere gewirkt, haben auch ein relativ großes Haus gehabt. Ich wurde früher (von 8-12) oft von meinem Vater geschlagen, weil ich recht frech war. Meistens auf den Hintern, auch auf den nackten Hintern, sodass ich geweint habe und er relativ rot bzw. einmal sogar etwas bläulich war. Meine Mutter hat sich oft für mich eingesetzt und mich beschützt, auch wenn mein Vater wieder mal meine kleine Schwester bevorzugt hat. Sie wurde nie geschlagen, sein Motto war immer "Erst die Kleinen, damit sie lachen und nicht weinen". Mir blieb nichts anderes übrig, als meiner kleinen Schwester gegenüber immer nachzugeben. Er war auch sehr streng, was die Schule anging; ich sollte immer gut sein. Das wollte ich auch, weil ich ihn stolz machen wollte, deswegen lernte ich sehr viel mit ihm, wobei es auch oft zu Streit kam, wenn ich nicht lernen wollte und lieber mit meinen Freunden spielen wollte, denn bei ihm gab es in der Schulzeit oft nur kleine Lernpausen. Aber ansonsten war er der beste Vater der Welt, andere beneideten mich um ihn. Er war ansonsten gar nicht streng, im Gegenteil: Er war eher locker z.B. mit lange wegbleiben oder was unternehmen, in den Urlaub fahren, Tiere geschenkt bekommen, bei Freundinnen übernachten etc. Da war meine Mutter eher die, die alles verboten hat. Ich merkte schon früher, dass sich meine Eltern nicht mehr so verstehen und mein Vater oft über meine Mutter gelästert hat, weil sie es nicht schaffe, sich um uns zu kümmern, da sie zu der Zeit einen Burn-out hatte und somit nicht mehr gearbeitet hat und oft unter starken Kopfschmerzen litt. Ich habe bei meiner Mutter auch mal ein Buch gefunden, das hieß "Wenn Frauen zu stark leiden" oder so ähnlich. Nach einiger Zeit kam ich dann auf ein Gymnasium. 3 Jahre später trennten sich meine Eltern, es fing damit an, dass meine Mum nächtelang unten auf dem Sofa schlief. Meine Schwester und ich wollten immer, dass sie versprechen sich nicht zu trennen. Für meinen Vater war das kein Problem, doch meine Mum konnte es nie wirklich versprechen. Sie hat meinem Vater gesagt, er solle gehen, doch er ging nicht. Und so packte sie seine Sachen in Mülltüten, stellte sie in die Garage, nahm ihm die Autoschlüssel weg und tauschte das Schloss der Haustür aus. Heute lebt meine Vater in einer anderen Wohnung, jedoch noch in unserer Siedlung. Meine Mutter sagte mir nie den Grund für die Trennung, sie sagte, ich sei zu jung und das sei was unter Erwachsenen. Ich leide noch heute und heule gerade schon wieder... Seit der Trennung meiner Eltern fühle ich mich zudem nicht mehr zu Männern hingezogen, so wie früher, sondern verstärkt zu Frauen hingezogen, die sogar manchmal in einem Alter zwischen 20 und 34 sind. Was ist mit mir los? Was sagt ihr dazu?
5 Antworten
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Erstmal finde ich es überhaupt nicht schlimm, wenn man seine Kindheit kritisch sieht. Im Gegenteil, ich habe eher das Gefühl, dass viel zu viele Menschen ihre Kindheit idealisieren und ihre Eltern vergöttern. Es ist vollkommen in Ordnung und auch für unsere Psyche viel besser, wenn wir erkennen, dass auch Dinge falsch gelaufen sind und dass auch unsere Eltern Fehler gemacht haben.
Deine Kindheit war tatsächlich nicht perfekt. Wenn man ein Kind schlägt, demütigt man es, egal wie stark die Schläge sind. Kinder, die geschlagen werden, fühlen sich klein und wertlos. Außerdem macht es Kindern (evolutionär bedingt) große Angst, wenn sie Ablehnung von ihren Eltern erfahren (weil in der Frühgeschichte der Menschheit Kinder, die von ihren Eltern abgelehnt und verstoßen wurden, nicht überleben konnten). Sie versuchen also, die Liebe und Anerkennung ihrer Eltern um jeden Preis zurück zu gewinnen... indem sie sich anpassen, unterordnen und all das, was ihre Eltern stört, an sich selbst ablehnen und unterdrücken. Es tut natürlich weh, wenn wir einen Teil unserer selbst verleugnen und uns als die Menschen, die wir sind, nicht wertvoll und liebenswert finden, sondern glauben, nur dann Liebe verdient zu haben, wenn wir so sind, wie unsere Eltern uns gerne hätten. Noch dazu kommt bei dir die Scheidung und auch die ist bei Kindern oft mit Schuldgefühlen verbunden. Sehr viele Kinder glauben, bewusst oder unbewusst, dass sie für die Trennung der Eltern verantwortlich sind. Es kommen Gedanken auf wie "wenn ich eine bessere Tochter gewesen wäre, dann hätte Mama es leichter gehabt", "wenn ich nicht so anstrengend gewesen wäre, dann hätten meine Eltern ihre Streits überwunden" etc. Das sind Wunden, die auch Jahre später noch ihre Wunden hinterlassen. Glaubenssätze wie "ich bin nur liebenswert, wenn ich Leistung erbringe" oder "ich darf anderen nicht zur Last fallen" begleiten uns unbewusst oft ein Leben lang und immer, wenn wir uns nicht an sie halten können, leiden wir darunter. Es geht uns allen so und es gibt auch viele andere Kinder, die geschlagen werden und deren Eltern sich trennen. Damit will ich das nicht verharmlosen, sondern eher sagen: Du bist nicht alleine. Es gibt viele, die noch an den Schmerzen ihrer Kindheit leiden.
Aber: Du bist jetzt kein Kind mehr. Du bist 15 Jahre alt und damit alt genug, um deine Glaubenssätze zu hinterfragen. Du bist nicht verantwortlich für deine Eltern! Du musst dich nicht verantwortlich fühlen und es wäre ihnen gegenüber auch ungerecht, wenn du es tust. Sie sind erwachsen und wenn sie getrennt leben wollen, ist das ihre Entscheidung. Das hat mit dir nichts zu tun. Du bist auch nicht Schuld daran, dass sie sich getrennt haben. Es war ihre Entscheidung. Du hast es nie verdient, geschlagen zu werden. Dein vater hat da einen großen Fehler gemacht. Deswegen ist er aber nicht unbedingt ein schlechter Mensch... vielleicht war er nur überfordert oder aber er hat gedacht, dass es gut für dich wäre. Ich bin mir sicher, dass dein Vater dich liebt, ganz egal, welche Leistungen du in der Schule erbringst und ob du perfekt bist oder nicht. Liebe ist bedingungslos... entweder sie ist da oder sie ist es nicht, aber sie hängt nicht von Leistung, Perfektion, Angenehm-sein oder ähnlichem ab. Du bist ein wertvoller Mensch. Das musst du dir aber selbst erstmal bewusst machen. Schreib dir doch Listen mit deinen Schwächen und Stärken, das, was du an dir magst, bitte auch Freunde, dir zu schreiben, was sie an dir mögen (kannst dich ja revanchieren), schreib eine Löffelliste und verwirkliche dir Träume- dann wirst du sehen, wie stark du sein kannst, mach etwas Künstlerisches (malen, musik, schreiben) und du wirst sehen, welche Fähigkeiten du hast, schau dich im Spiegel an und erkenne, wie hübsch du bist... sag es dir auch...
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wenn du mit dem Selbstwertgefühl und den Schuldgefühlen zu kämpfen hast, kannst du auch eine Therapie machen.
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Hallo am Anfang hab ich mir noch nichts gedacht als ich deine Geschichte gelesen hab. Aber als ich dann den Schluss gelesen habe, hab ich mir schon so meine Gedanken gemacht, weil es mich stark an mich erinnert hat. Ich bin 16 und meine Eltern haben sich getrennt als ich 6 war. Und wie du dann geschrieben hast dass du dich mehr zu Frauen hingezogen fühlst habe ich mir gedacht dass das vielleicht mit deiner bzw. unserer Kindheit i-wie zusammenhängt. Denn auch ich hab mit 13 festgestellt, dass ich auf Frauen stehe. Ich fand das überhaupt nicht schlimm und für mich war das ganz normal und selbstverständlich. Aber da ich jetzt von jemandem lese dem es in gewisser Weise genau so geht und eine ähnliche Kindheit hatte, frage ich mich ob unsere Zuneigung zu Frauen eventuell damit etwas zu tun hat. Was meinst du dazu? Würde mich sehr über eine Antwort von dir freuen. Und wenn sonst i-wie redebedarf besteht, kannst du dich gern bei mir melden. (ich habe deine beiden anderen Fragen auch noch gelesen und war dann umso erstaunter als ich gelesen hab, dass du dich auch in eine Lehrerin verliebt hast. Ich nämlich auch. Würde mich echt riesig freuen mit einer zu sprechen die ähnliche Erfahrungen gemacht hat, weil mit meinen Freunden kann ich über so etwas nicht reden) LG
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Und was würde es dir nun nützen, wenn wir dir eine " schwere Kindheit" bescheinigen?! Versteckst du dich dann dein halbes leben dahinter und schiebst alles darauf?!?!
In meinen Augen hattest du es weder sonderlich schwer noch sonderlich leicht.... Also schwamm drüber und nach vorne schauen...
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Also ich würde jetzt nicht sagen, dass es nh schlechte Kindheit war. Du hast zwar mal ein Klaps auf den Po bekommen das ist jetzt aber aus meiner Sicht nicht weiter tragisch. (Hab ich selber mal bekommen haha) Tut mir leid, dass sich deine Eltern getrennt haben und es scheint Gründe dazu gegeben zu haben... Aber du hattest ja auch Spaß in deiner Kindheit, warst in keiner Isolation oder sonst was, deswegen würde ich es als eine normale Kindheit ansehen:)
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So, verarbeitest du eben die trennung, und das du auf frauen stehst, ist auch nicht schlimm, und das alter auch nicht =) bin dir in gesisser hnsicht ähnlich =)
Danke für die Antwort ! Ja das stimmt alles was du schreibst besonders mit dem Selbstwertgefühl und den Schuldgefühlen ...ich war immer sehr schüchtern zu schüchtern ich zweifelte immer an mir selbst ..auch ncoh heute ein bisschen aber es ist wesentlich besser geworden .. Danke ...