Urotropin Titration?
Meine Fragen handelt sich um Urotropin Titration.
modifizierte Vorschrift:
0,350 g Substanz werden zu 100,0 mL gelöst. 20,0 mL dieser Lösung werden mit 25,0 mL 0,1 M Salzsäure 15 min unter Rückfluss im schwachen Sieden gehalten (unter dem Abzug arbeiten). Nach dem Abkühlen und Zusatz von 0,5 mL Methylrot-Lösung R wird mit 0,1 M- Natronlauge zurücktitriert.
also meine Fragen sind:
1) warum haben wir Salzsäure hinzufügen?
2) wie lautet alle Reaktionsgleichungen bezüglich dieses Vorschrift?
3) Wie kann man Gehalt an Urotropin am Ende berechnen?
Auf eine deutliche Antwort von Ihnen wäre ich Ihnen sehr dankbar 🥹
1 Antwort
Urotropin (CH₂)₆N₄ reagiert mit Wasser unter langsamer Hydrolyse zu Methanal und Ammoniak (deshalb riecht es auch so pissig):
(CH₂)₆N₄ + 6 H₂O ⟶ 6 CH₂O + 4 NH₃
Die Reaktion ist aber langsam und unvollständig. Um das Urotropin vollständig umzusetzen, gibt man Säure dazu (verschiebt das Gleichgewicht) und kocht, bis die Reaktion fertig ist:
(CH₂)₆N₄ + 6 H₂O + 4 HCl ⟶ 6 CH₂O + 4 NH₄⁺Cl¯
Die Vorschrift funktioniert also so: Zuerst wiegt man m Gramm Urotrpoin ein (Stoffmenge ist also m/M) und läßt mit V₁ ml einer c₁ mol/l Salzsäure zu NH₄Cl reagieren. In letzterer sind c₁V₁ mol HCl enthalten, davon bleiben c₁V₁−4m/M übrig (jedes Mol Urotropin verbraucht ja 4 mol HCl). Bei der Rücktitration dieses HCl-Überschusses verbraucht man dann V₂ ml einer c₂ mol/l NaOH, also gilt
c₁V₁−4m/M = c₂V₂ ⟹ m = ¼M(c₁V₁−c₂V₂)
Das ist also die Masse Urotropin, die wirklich in Deiner Probe enthalten war. Wenn Du das noch durch die gemessene Einwaage dividierst, hast Du sofort den Massenanteil.
P.S.: Wir wollen uns also noch ansehen, wie die Titrationskurve aussieht. Wenn Du mit der Titration beginnst, schwimmen in der Lösung H₃O⁺, NH₄⁺ plus nutzlose Cl¯ herum.
- Es sieht auf den ersten Blick so aus, als ob Du nur HCl mit NaOH titrierst, aber das stimmt nur bis zum Äquivalenzpunkt, weil es da sauer ist und NH₄⁺ im Sauren nichts tut.
- Nach dem Äquivalenzpunkt sieht das aber anders aus. Da ist die Suppe basisch, und im basischen wird NH₄⁺ zu NH₃ deprotoniert. Du bekommst also eine Mischung aus NH₄⁺ und NH₃, das ist ein Puffer, und der pH bleibt lange im Bereich des pKₐ-Wertes von NH₃ (pKₐ=9.25) eingefroren, weil der Puffer den pH-Anstieg bremst.
- Langfristig wird sich der pH im Titrationskolben natürlich dem der Maßlösung (pH=13) angleichen, aber dazu würdest Du unfaßbare Mengen an Maßlösung brauchen, geschätzt gut einen Viertelliter (diese Schätzung war ziemlich falsch, siehe unten)
Deshalb dürftest Du hier auch keinen Indikator nehmen, der im Basischen umschlägt (z.B. Phenolphthalein), sondern einen, der bereits im leicht Sauren (deutlich unter 8) umschlägt, weil der Äquivalenzpunkt nicht mehr bei Neutral liegt.
Wenn ich annehme, Deine Probe bestehe zu 100% aus Urotropin, dann liegt der Umschlagpunkt wie in der Graphik bei 5.026 ml, realerweise wird das Urotropin aber vielleicht nur 98%ig sein, was einen Äquivalenzpunkt bei 5.43 ml ergeben würde, aber nicht viel an der Kurvenform ändert.
In der Graphik zeige ich Dir die Titrationskurve (dick, schwarz) und ihre erste Ableitung (weiß); die dünne schwarze Kurve ist die hypothetische Titrationskurve, die Du bekommen würdest, wenn kein NH₄⁺ anwesend wɑe (also nur starke Säure mit starker Base titriert). Die Hintergrundfarben zeigen, wieviel NH₄⁺ (rot) und NH₃ (blau) in der Lösung jeweils vorliegen — Du siehst also, daß NH₃ ab dem Äquivalenzpunkt entsteht und dann sofort einen Puffer mit dem restlichen NH₄⁺ bildet.
P.P.S.: Jetzt hat es mir keine Ruhe gelassen, und ich wollte noch der Frage nachgehen, wann der NH₃/NH₄⁺-Puffer des Kolbeninhaltes endlich bricht und der pH folglich ungehindert ansteigen kann. Dazu müssen wir einfach nur stark übertitrieren:
Das ist dieselbe Titration wie vorher, nur weiter titriert, auch die Bedeutung der ver-- schiedenen Elemente in der Graphik ist dieselbe. Bei ungefähr 25 ml ist das ganze Ammonium verbraucht (alles zu NH₃ deprotoniert), und danach kann der pH ungehindert ansteigen. Im pH-Verlauf gibt das einen zweiten, sehr wackeligen „Äquivalenzpunkt“, der allerdings so schwach ist, daß er mit einem Indikator nicht scharf detektiert werden kann; einen solchen Kurvenverlauf würdest Du auch finden, wenn Du reines NH₄Cl mit NaOH zu titrieren versuchtest; praktisch ist das aber nicht durchführbar, weil der Äquivalenzpunkt zu verwaschen ist. Die erste Ableitung der Titrationskurve zeigt ein sehr schwaches, breites Maximum (um das zu sehen, habe ich die Kurve um den Faktor 150 vergrößert).
Die dünn gezeichnete Kurve ist wieder die einer starken Säure mit einer starken Base, also ohne Ammoniak oder Ammonium in der Lösung. Du siehst deutlich, wie die Anwesenheit von NH₄⁺ im Bereich von ca. 5 ml bis 35 ml den pH erniedrigt (NH₄⁺ ist ja eine Säure).


Nein, leider nicht, weil das NH₄⁺ stört. Ich setze in ein paar Minuten eine Titrationskurve plus ausführlicher Erklärung in die Antwort (Graphiken kann man nur in die ANtwort, nicht in Kommentare, einbinden).
Leider hat das doch etwas länger gedauert, weil ich mich zuerst verrechnet hatte und dann zu allem Unglück das makedonische Internet hier Schluckauf bekam. Hoffentlich stimmt es jetzt.
Aber wie kann man pH- Wert bei Äquivalentspunkt berechnen ( also mit Formel pH=pks +lgc(base)\c(säure) kannst du das mehr erklären?
Ich habe noch ein paar Ergänzungen an der Antwort vorgenommen.
Um den pH am Äquivalenzpunkt auszurechnen, mußt Du zuerst einmal verstehen, wie die Lösung am Äquivalenzpunkt zusammengesetzt ist, und dazu müssen wir zurückgehen und uns fragen, was wir eigentlich alles in den Kolben hineingeschüttet haben, und wieviel.
Die 0.25 g Urotropin sind ca. n=m/M=2.5 mmol Urotropin und liefern bei der sauren Hydrolyse viermal soviel also 10 mmol NH₄⁺; davon nehmen wir ⅕ in den Kolben, also 2 mmol. Diese 2 mmol haben wir am Äquivalenzpunkt immer noch im Kolben, aber in insgesamt 50 ml Wasser gelöst, also c(NH₄⁺)=n/V=0.04 mol/l.
Außer dem Ammonium ist aber nichts im Kolben, was auf den pH einwirkt, denn die HCl und die NaOH haben ja genau vollständig miteinander regiert und nichts übriggelassen außer NaCl, das aber nicht pH-aktiv ist.
Also liegt am Äquivalenzpunkt einfach eine 0.04 mol/l NH₄Cl-Lösung vor (plus unwichtiges NaCl), das ist eine schwache Säure also pH=½(pKₐ−lg(c))=5.32
Urotropin Titration ist wie ASS Titration, aber die Unterschied dazwischen ( Beim pH berechnen) ist NH4+ und Ammoniak, die als Puffersystem wirkt
kannst du bitte auch bei ASS-Titration pH- berechnen erklären?
Stell eine neue Frage und zitiere dabei die Vorschrift ganz genau (so wie bei dieser Frage hier).
Deine Antworten sind immer fachlich exzellent und dennoch so verständlich geschrieben. Ich danke dir von Herzen. Und ich hoffe, dass du mir weiterhilfst
vielen Dank für ihre Antwort. Ich habe noch eine Frage, wenn ich die Titrationkurve zeichnen will, kann ich einfach wie starke Säure mit Starke Base zeichnen?