Unterschied Sein/Seiendes?
wäre nett wenn es mir jemand mit eigenen worten erklären könnte... Danke!
10 Antworten
Hallo Angeloma!
Das „Sein“ ist nach Heidegger gerade nicht etwas Gegebenes, sondern das Gegebene, Vorhandene, Fassbare ist das Seiende. Beim Seienden unterscheidet Heidegger das bloß „Vorhandene“ im „Man“, also der Mensch, der unfrei, angepasst nur das tut, was „man“ tut, so redet, wie „man“ redet usw. Im „Man“ ist alles unecht, nur Schein. Das „Seiende“ außerhalb der „Man“-Welt ist nicht das „Sein“, sondern das „Seiende“, das existiert, das den Schritt in die Eigentlichkeit des Daseins vollzogen hat. Er wird dadurch erst wahrhaft Mensch, weil er - und jetzt kommt die rätselhafte Formulierung - in der „Lichtung des Seins“ steht. Was das „Sein“ ist, kann man nicht erklären. Wenn man aber das ‚Sein’, seine ‚Entbergung’ oder sein ‚Ankunft’, für so erstrebenswert ansieht wie Heidegger, wenn man ständig von der ‚Seinsvergessenheit’ des Menschen redet und diese kritisiert, dann muss man doch dieses ‚Sein’ auch irgendwie definieren können. Das aber tut Heidegger nicht! Ja er weist es ausdrücklich ab, unter dem Sein müsse man Gott oder einen Weltgrund verstehen. Was ist es dann aber sonst? Wenn man sagt: hinter allem Seienden steht Gott, und es ist die Aufgabe des Menschen, sich einen Zugang zu Gott zu verschaffen, auf dass dieser sich ihm offenbart, so leuchtet das ein. Heidegger aber sagt: hinter allem Seienden steht das ‚Sein’. Doch was das Sein ist, kann er nicht sagen. ‚Das Sein ist überhaupt nichts Seiendes. Man darf es sich auf keine Weise gegenständlich denken’ (Heidegger). Viele werden achselzuckend sagen: Was soll ich das Sein mitbedenken und auf das Sein hinarbeiten, wenn mir keiner sagen kann, was das ‚Sein’ ist. Also halte ich mich an das Seiende und lebe fröhlich weiter uneigentlich im „Man“, das heißt: ich richte mich im ‚Man’ auf Dauer ein, oder ich lebe „eigentlich als „Existierender“. Ich vermute, das ‚Sein’ ist nur eine Fiktion, eine Idee, ein Mythos, ein Ersatzbegriff für Gott oder das Absolute, also für etwas, das außerhalb unseres Vorstellungsvermögens liegt. Da die Existenzphilosophie Heideggers oder auch, wie er sie nennt: seine Fundamentalontologie, religiös indifferent (bzw. neutral) ist, gebraucht der Philosoph statt des Begriffs ‚Gott’ die Bezeichnung ‚Sein’. Es kommt also gar nicht auf diesen Begriff an, sondern wichtig ist allein die Analyse des ‚Daseins’, d.h. der menschlichen Existenz, denn allein der Mensch kann sich in die ‚Seinsnähe’ begeben, er allein fühlt, was das ‚Sein’ ist, er kann es, wie Heidegger meint: ‚lichten’. Was aber ist gewonnen, wenn das ‚Sein’ durch ‚Lichtung’ aufscheint? Der Mensch erfährt, dass es etwas gibt, ein Letztes, das hinter allem Seienden steht, und das kann nur Gott oder das Absolute oder die Idee des Guten oder das Nirwana sein. Manche meinen, das „Sein“ entspreche dem „Weltgeist“ Hegels. Dann könnte man auch sagen: das „Sein“ entspricht dem „Urwillen“ Schopenhauers. Dieses ‚Letzte’ ( = Gott) können wir uns nicht vorstellen; deshalb konnte Heidegger auch das ‚Sein’ nicht definieren. So verfolgt nach meiner Auffassung die Fundamentalontologie Heideggers letzten Endes ein religiöses Anliegen, sie ist nur scheinbar religiös indifferent. Aber den Sprung auf die religiöse Ebene (wie bei Kierkegaard) gibt es bei Heidegger nicht. Deshalb ist auch eine Ethik bei Heidegger nicht erkennbar, und es gibt deshalb auch keine Möglichkeit, sich von einer (moralischen) Schuld zu befreien. Es gibt nur die „Ek-sistenz“ und die „Lichtung“ des Daseins, wodurch der Mensch allerdings eine Ahnung vom Sinn des Seins bekommen kann.
Heidegger ist diesem Thema in "Sein und Zeit" ausführlich nachgegangen.
Ganz allgemein passt schon:
Existenz versus Vorhandenes.
Nach dem Unterschied von Sein als Existenz und Seiendem als Vorhandenem fragen zu lernen und dieser Frage nachzugehen, sich von ihr leiten und führen zu lassen, ist ein, wenn nicht gar das Schlüsselthema von Heidegger.
Wichtig für ihn, weil zunächst und zumeist (eine häufig verwendete Redewendung von Heidegger übrigens) ganz selbstverständlich vom Sein als etwas Gegebenen ausgegangen bzw. eben auch gesprochen wird.
Tut man das, so wird das, was unter dem Titel Sein ergründen wird, unter dem Hand zu einem Seienden, also schon Vorhandenen.
Heidegger dagegen geht es darum, "das Sein" in die Frage zu stellen, zu fragen, wie und wozu und wodurch etwas ist.
Bei seinen Antworten, die meist weitere Fragen eröffnen, bewegt er sich in die Richtung, das sogenannte Sein nicht gegenständlich, sondern prozesshaft aufzufassen.
Und sprachlich - Verben und nicht Substantive (für die Charakterisierung des Sein) zu verwenden.
"Sein und Zeit" ist auf jeden Fall ein Lese- und Denkerlebnis für sich.
Sein: bezeichnet allgemein die Existenz, das Dasein/Vorhandensein/Gegebensein an der Wirklichkeit. Zum Teil wird damit auch das der Wirklichkeit überhaupt Zugrundeliegende bezeichnet.
Seiendes ist das, was ist bzw. bezogen auf einen Sprachgebrauch das, von dem ausgesagt wird, es sei.
Das Seiende ist gegenüber dem Sein etwas konkreter, die existierenden Dinge oder Individuen. Sein besteht eben darin, überhaupt zu existieren, zur Abgrenzung vom jeweils konkret Seienden, vom Dasein und Sosein einzelner Dinge.
Um die Begriffe noch genauer bestimmen und unterscheiden zu können, ist es nötig, sich auf bestimmte Denker und philosophische Richtungen zu beziehen. Dabei können Philosophielexika und Bücher (allgemein zum Thema Sein/seiendes oder bei bestimmten Autoren) helfen.
Das Sein kann nach einer Weltanschauung z. B. die innere Einheit und Notwendigkeit alles Seienden begründen. Alles Seiende ist durch das Sein an sich seiend.
Im Mittelalter gab es z. B. die Begriffe existentia (Dasein) und essentia (Wesen). Martin Heidegger hat später daraus die ontologische Differenz zwischen Sein und Seiendem gemacht.
Als Thema ist Aristoteles eingetragen, daher eine nähere Erläuterung zu dessen Begriffen.
Michale Frede, Sein; Seiendes. I. Antike.1. Vorsokratiker, Platon, Aristoteles. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Band 9: Se – Sp. Basel : Schwabe, 1995, Spalte 170 – 180 enthält dazu zusammenfassende Informationen.
Beim Sein gibt es:
1) Entgegensetzung zwischen Sein und Schein
2) Gegensatz zwischen dem eigentlich und primären Seiendem (von Aristoteles als Frage nach der οὐσία gedeutet) und dem, was es in einem abgeleiteten und sekundären Sinn gibt
Nach Platon ist das wirklich Seiende die Idee, im Gegensatz zu gegenständlicher Erfahrung, Objekten der Wahrnehmung, der bloßen Meinung.
Nach Aristoteles besteht das Sein einer Sache eben darin, dieses oder jenes zu sein (Metaphysik V 8, 1917 b 10 – 26), das, was die Sache wesentlich ist. Zu sein heißt, οὐσία (Wesen, Wesenheit, Substanz, Seiendheit) oder eine Qualität oder eine Quantität oder anderes dergleichen zu sein (Metaphysik VI 2, 1026 a 33ff.; VII 1, 1028a10ff.). Die Substanz (οὐσία) steht prinzipiell vor allem übrigen.
Unterschieden werden:
Substanz (οὐσία) in einem primären Sinn (substantielle Formen) und Substanzen in einem abgeleiteten Sinn, nämlich konkrete Gegenstände und deren Ursachen
materielle Substanz (οὐσία ὡς ὕλη, ὑλική) und deren Formen von immateriellen Substanzen/Formen (οὐσία χωριστή)
Eine grundlegende Rolle spielt die Unterscheidung zwischen dem Seienden, das möglich ist (δυνάμει ὄν) und Seiendem, das wirklich ist (ἐνεργείᾳ ὄν).
Hellmut Flashar, Aristoteles. In: Ältere Akademie, Aristoteles, Peripatos (Grundriss der Geschichte der Philosophie. Begründet von Friedrich Ueberweg. Völlig neu bearbeitete Ausgabe. Herausgegeben von Helmut Holzhey. Die Philosophie der Antike - Band 3). Herausgegeben von Hellmut Flashar. Völlig neu bearbeitete Ausgabe. Basel ; Stuttgart : Schwabe, 2004, S. 338 – 343
In den Kategorienschriften ist Substanz das konkrete Einzelding als Träger wechselnder Eigenschaften.
Eine Definition versucht, das Sosein eines Einzeldings zu erfassen, das τὸ τί ἦν εἶναι (das, was es eigentlich ist/das, was es heißt, dies zu sein). Den Dingen wohnt eine Formbestimmung/ihr Wesen (εἶδος) inne. Die erste und höchste Wesenheit/Seiendheit/Substanz (πρώτη οὐσία) ist der göttliche Geist (νοῦς).
Das Sein ist das Sein an sich, also das, was die Existenz ausmacht.
Ein Seiendes ist etwas konkretes, das existiert.
Seiendes sind einfach Dinge, die sind und Sein ist Existenz in der Welt.