Toter Zwilling?
Ich brauche Meinungen von außenstehenden Personen. Meine Tochter ist ein alleingeborener Zwilling.
Ich war zuerst mit Zwillingen schwanger und habe ein Kind ganz am Anfang der Schwangerschaft verloren. Unsere Tochter, der „andere Zwilling“, entwickelte sich im Mutterleib aber ganz normal weiter. Die restliche Schwangerschaft verlief ohne Komplikationen und es war dann eine spontane Geburt.
Ich denke sehr oft an unser Sternenkind und muss noch verarbeiten, dass mein Kind im Mutterleib verstorben ist. Meine Tochter ist ein Kleinkind und wir haben dieses Thema ihr gegenüber natürlich nie erwähnt, weil sie es nicht verstehen würde.
Mein Freund und ich haben vereinbart, dass wir es dabei belassen und mit ihr nie darüber reden werden. Er redet generell nicht gerne über sensible, tiefgründige Themen, meidet sie eher und er litt auch nicht so sehr darunter wie ich. Und mir tut es einfach weh, wenn ich nur daran denke. Er ist der Meinung, dass wir ihr das nie erzählen sollen, also das sie ein „alleingeborener Zwilling“ ist, da es keinen großen Unterschied machen würde.
Eine Freundin meinte heute, dass meine Tochter ein Recht darauf hätte zu erfahren, dass sie ein Zwilling ist und es ein Geschwisterkind mit ihr im Mutterleib gab. Ich solle es ihr erzählen, sobald sie alt genug sei, um es zu verstehen. Ich habe 2 Kinder: meinen älteren Sohn, meine Tochter und noch ein 3. Kind, unser Sternenkind.
Ist es besser, wenn man dieses Thema totschweigt? Würde es meine Tochter später nicht belasten, wenn sie erfährt, dass sie eigentlich ein Zwillingskind ist und es einen verlorenen Zwillingsbruder oder -schwester gibt? Oder tue ich ihr Unrecht, wenn ich es ihr komplett verschweige?
Ich danke euch im Voraus für die Antworten.
10 Antworten
Es ist nie gut, aus solchen Dingen ein Geheimnis zu machen. Man denkt oft, dass die Information selbst für das Kind belastender ist. Aber wenn so eine Information verschwiegen wird, hängt sie wie eine dunkle Wolke über der Familie. Diese Wolke, auch wenn das Kind nichts davon weiß, ist viel belastender als die Information selbst. Kein Kind sollte unter solch einer Wolke aufwachsen.
Gerade bei Zwillingen ist so eine Information für das Kind wichtig: auch wenn man noch nicht erklären kann warum, alleingeborene Zwillinge haben manchmal das Gefühl, dass ihnen etwas fehlt, auch wenn sie nicht wissen, dass sie eigentlich ein Zwilling sind. Daher ist es wichtig, dass sie das erfahren.
Was für Erwachsene ein furchtbares Thema ist, ist für Kinder manchmal gar nicht so schlimm. Sie verstehen zwar die Information, aber die Hintergründe noch nicht. Sie verstehen das Ausmaß erst viel später, wodurch sie mehr als genug Zeit zum verarbeiten haben.
In meiner Familie gab es mehrere ähnliche Geschehnisse, ein paar davon wurden vor mir geheim gehalten. Mit den Geschichten, mit denen ich aufgewachsen bin, hatte ich nie Probleme. Das war immer so ein bisschen wie "die Erde ist rund, der Himmel blau, es gab ein weiteres Kind, dass gestorben ist,...". Es war für mich einfach normal und nicht irgendwie belastend. Dagegen hatte ich mit Geheimnissen, die ich erst als Teenager/Erwachsene erfahren habe, wesentlich mehr Probleme.
Wenn ihr euch bei dem Thema unsicher seit, lasst euch beraten. Generell: wenn so ein Thema zum richtigen Zeitpunkt kindgerecht besprochen wird, haben Kinder damit keine großen Probleme.
Ich kannte jemand, der hatte auch sein Zwilling im Mutterleib verloren. Ihm hatte immer etwas gefehlt, er konnte aber trotzdem damit umgehen, weil er wusste, warum das so war. In der Familie haben sie ganz offen darüber gesprochen, wieso auch nicht. Schließlich haben sie ein Kind bekommen, aber auch eines verloren. Sie haben sich über ihn als Baby gefreut, aber um seinen Zwilling getrauert.
Es ist auch sehr wichtig, dass man auch um ein Kind, was im Mutterleib gestorben ist abschiedzunehmen und auch trauern darf.
Natürlich freut ihr euch über euer gesundes Kind und das sollte auch im Vordergrund sein, aber euer Sternenkind zu verschweigen fände ich schade.
Ich glaube erstmal belastet es dich selber, dass ihr dieses Thema totschweigt und ich glaube auch, dass es für eure Tochter besser wäre, wenn sie danach fragt, altersgerecht es erklärt bekommt.
Es ist sehr schade, dass dein Freund es nicht versteht, dass du nicht nur ein Kind bekommen hast, sondern auch ein Verlust erlitten hast. Aber vielleicht hat er selber Angst sich dieser Trauer auszusetzen oder geht komplett anders mit solchen Themen um und verdrängt lieber alles. Ist schwierig mit so einem Menschen auf einen Nenner zu kommen. Du könntest höchstens zu ihm sagen, dass er nichts sagen muss, wenn er nicht möchte, aber du schon das Bedürfnis hast und es wichtig für dich ist, über euren Sternenzwilling zu reden und das du trauern möchtest.
Es tut mir sehr leid für dich, kann dir nur raten, höre auf deinen Bauch und auf dein Herz. Und lass deine Trauer zu, aber genieße trotzdem deine Kinder. Das eine schließt das Andere nicht aus.
Wünsche dir von Herzen alles Liebe❤
Ich als auch allein geborener zwilling kann ihnen versichern das ihr kind nicht so aussehen mag aber tief im inneren weiß man sowas schon sagen sie es ihrem kind ich selbst würde ihnen dass empfehlen um ihrem kind die wahrscheinlich existierenden gefühle vonwegen ,,ich fühle mich wie als währe meine andere hälfte tot" oder ,,ich fühle mich so als würde ein teil von mir fehlen'' erklären
Schön, dass du das fragst!
Das Vorhandensein eines Zwillings-Geschwisters während der Schwangerschaft ist wirklich häufig eine ganz entscheidende Angelegenheit für das Erleben des anderen, überlebenden Kindes!
Das ist in der Psychologie und den Psychotherapien lange Zeit vernachlässigt worden!
Es gibt ein sehr informatives Buch dazu von dem Therapeutenpaar Austermann: „Das Drama im Mutterleib. Der verlorene Zwilling.“
Betroffene erleben später oft eine sehr, sehr starke Sehnsucht (und darüber hinaus auch andere emotionale Auswirkungen wie ein grundsätzliches Gefühl des Andersseins und Alleinseins), die sie sich ein Leben lang nicht erklären können, wenn das etwa ein "Geheimnis" bleibt.
Meine Zwillingsschwester ist auch ein Sternenkind und für mich war es sehr wichtig, das zu erfahren. Innerhalb meiner Familie wurde das Thema anfangs auch totgeschwiegen, was keine gute Lösung war.
Ich würde euch raten, euch professionelle Hilfe im Umgang mit diesem Thema zu suchen. Damals wussten meine Angehörigen nicht, wie sie es mir vermitteln sollen. Das hat den Umgang mit diesem Thema zusätzlich erschwert.
Guter Beitrag, finde ich!