Testosteron starten?

2 Antworten

Eigentlich heißt es immer, dass man diesen "Alltagstest" bestehen muss, also ein Jahr lang komplett als das gewünschte Geschlecht leben muss. Allerdings hab ich da selbst die Erfahrung gemacht und auch von anderen gehört, dass viele das nicht so streng sehen. Unter 18 brauchst du darüber hinaus natürlich noch die Einverständniserklärung deiner Erziehungsberechtigten und so oder so die Diagnose. Am besten redest du da also mit deiner Psychologin, die wird dir alles erklären. Die Hormone an sich bekommst du dann von der Endokrinologie.

Ich fang grade den Prozess der Personenstandsänderung an und mir wurde gesagt, dass man zwei Gutachten von zwei unabhängigen Psychologen braucht und die kosten eben Geld. Auch da fragst du mal am besten deine Psychologin mit dem du dich da bei dir in der Nähe in Kontakt setzen kannst

Hallo.

Zur Hormonbehandlung: allgemein gesagt solltest du den Alltagstest seit einem Jahr durchführen und die Diagnose Transsexualität von deinem Psychotherapeuten oder Psychologen schriftlich bestätigen lassen, ehe du eine Hormonbehandlung beginnen kannst. Der Alltagstest meint ein Leben in der zukünftigen Geschlechterrolle, was meist über Kleidung und Namen geschieht. Da du deine Mitmenschen jedoch nicht zwingen kannst dich Tom statt Pauline zu nennen und es selbst mit weiblichen Genitalien vollkommen legitim ist Hosen und T-Shirts zu tragen, ist das jedoch recht simpel. Ich konnte damals den Zeitraum seit meinem Outing als Alltagstest angeben.

Die Hormonbehandlung kann prinzipiell von jedem Arzt durchgeführt werden, der berechtigt ist Hormone zu verschreiben und zu verabreichen. Das kann ein Gynäkologe (sicherlich nicht deine Option der Wahl), Urologe, Internist oder Allgemeinmediziner (auch Hausarzt) sein. In deinem Interesse sollte es ein Arzt sein, der Erfahrung auf dem Gebiet der Hormonbehandlung (und vorzugsweise speziell die Hormonbehandlung bei Transsexuellen) hat. Spezialisten dafür wären Endokrinologen, die auf die Hormonbehandlung von Transsexuellen spezialisiert sind. Diese sind jedoch rar, aber in Großstädten gut zu finden (z.B. in Berlin). In aller Kürze: Ja, es gibt viele Ärzte, die dir die Hormone verschreiben und verabreichen können, jedoch wollen sich diese absichern (daher die Diagnose vom Psychologen) und sollten erfahren sein. Der leichteste und schnellste Weg ist selten der sicherste.

Zur Vornamensänderung: Ich nehme an, dass du mit "Notfall" meinst, dass du das Ganze nicht aus Spaß, sondern als Maßnahme deiner Transition machst. Ein Notfall und schneller und billiger ist es aber deswegen leider nicht. Für die Vornamensänderung musste ich 18 Monate Alltagstest, die Diagnose meines Psychologen sowie zwei unabhängige Gutachten (eines konnte von meinem Therapeuten erstellt werden) vorlegen. Die Gutachter können vom Amtsgericht bestimmt werden, die Termine zu machen obliegt jedoch dir.

Zu den Kosten: Bei mir wurden damals 2000€ Prozesskosten in Rechnung gestellt. Da ich jedoch zu dieser Zeit noch Schüler war und kein richtiges Einkommen, keine Rücklagen, keine größeren Wertgegenstände (Auto, Sparbuch) hatte, konnte ich Prozesskostenhilfe beantragen. Falls dir diese Option nicht bei der ersten Beratung im Amtsgericht genannt wird, sprich sie gezielt an. Bei Bewilligung werden dir die Kosten erlassen und nur fällig, falls sich deine wirtschaftliche Lage in den 4 Jahren nach Prozessende ändert.

Ich hoffe, dir hilft das weiter.

Alles Gute.


MishaJoan 
Beitragsersteller
 20.02.2017, 22:31

Vielen Dank für deine aufschlussreiche Nachricht. Müsste ich mich in dem Falle (Alltagstest-Jahr) auch vor der Klasse und Lehrern komplett outen? Ich stehe kurz vor dem Abitur und meine Mum möchte, dass ich dort ohne weiteren Stress (mobbing etc.) durch komme.

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sangreazul  21.02.2017, 00:24
@MishaJoan

Soweit ich weiß, kann und darf dich niemand zu einem Outing zwingen. Ich konnte die Hormonbehandlung ohne Outing vor der ganzen Welt beginnen, ebenso konnte ich dann auch schon den Antrag auf Vornamens- und Personenstandsänderung stellen. Erst, als der Beschluss (der Namensänderung) in Aussicht stand, habe ich mit einem Brief ins Lehrerzimmer die Lehrer quasi vor vollendete Tatsachen gestellt, da ich 3 Monate später das Recht hatte nicht mehr auf den falschen Vornamen hören zu müssen ;). War übrigens auch mein Abijahr, aber weil ich so offen den Lehrern gegenüber war, hatte ich auch von der Seite her einen gewissen Schutz.

Also: Meiner Meinung nach musst du dich nicht outen. Falls dein Therapeut oder Gutachter danach fragen, würde ich sie auf die streckenweise mangelnde Toleranz gegenüber Transsexuellen aufmerksam machen (und die damit verbundene Gefahr für dich) und klar stellen, dass es deine Privatsache ist und du nicht etwas anprangern musst, was rechtlich ohnehin noch keinen Halt hat.

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