Stoa oder Epikureismus?

Das Ergebnis basiert auf 4 Abstimmungen

Stoa 50%
Epikureismus 50%

3 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet
Epikureismus

Ich habe mich hier ja schon des öfteren als Neo-Epikureer zu erkennen gegeben. Inhaltlich will ich nicht wiederholen, was ich alles schon geschrieben habe. Mit der Suchfunktion und "Berkersheim - Epikur" kann man da sicher einiges finden. Da Epikur wegen seiner Leugnung eines Lebens nach dem Tod geradezu der Erzfeind der Christen war, wurden nicht nur die zahlreichen Werke Epikurs und führender Epikureer vernichtet (allein Epikur soll 400 Bücher geschrieben haben, von denen keines erhalten ist), er ist in der Darstellung bis heute als Glücksphilosoph und Hädonist verzerrt. Das erste - der Glücksphilosoph - ist eine falsche Ehre, denn alle antiken Philosophen, auch die Stoa, haben eine Lebensphilosophie vorgelegt, in der es um die Frage ging, wie man aktuell ein gutes Leben führen kann.

Das hat erst das Christentum abgebrochen und das aktuelle Erdenleben als Gefängnis und Bewährung auf ein ewiges Leben umgemünzt, dessen Garant die Kirche war. Da Epikur schon früh vor den Angstmachern gewarnt hat, die Angst benutzen, um Menschen ihrer Freiheit und Selbstbestimmung zu berauben, war er der natürliche Todfeind der herrschsüchtigen Kirchenoberen. Darum haben sie den Philosophen Giordano Bruno öffentlich verbrannt, um ein Zeichen zu setzen, dass sich ja niemand gegen ihren Machtanspruch erhebt. Nietzsche hat das sehr klar gesehen. Aber unter dem Einfluss der Kirche sind ihm und anderen Empirikern (auch David Hume in England oder den franz. Aufklärern) die Professorenstühle versagt geblieben.

Der wesentliche Unterschied zwischen Stoa und Epikureismus ist, dass die Stoa ein geschlossenes Weltbild vertritt, in dem durch den göttlichen Logos alles von vornherein festgelegt ist, man nur vertrauend den Fügungen des Logos folgen sollte. Die Unerschütterlichkeit der Stoiker ist eine gehorsame Ergebenheit. Der Epikureismus hat ein offenes Weltbild, eine vernetzte Welt zwar, in der es aber für die Entscheidungen des Menschen immer genügend Spielraum gibt und die Erfahrung guter Erkenntnis durch Aufklärung und Wissenschaft und richtigen Handelns gibt dem Epikureer die Gelassenheit, mit der Welt gestalterisch klar zu kommen. Freiheit und Autarkie sind Epikurs höchste Werte, darin hat er die konsequenten Kyniker bewundert, und die waren nicht gerade dem Wohlleben zugeneigt. Letzlich achten darum die Epikureer die Entscheidungen der Menschen, was Nietzsche schwer gefallen ist. Darum war er letztlich doch kein Epikureer. Wenn würde ich heute Karl Popper als Philosophen im epikureischen Geist sehen.


carthagesucks 
Beitragsersteller
 26.03.2017, 22:38

An Epikurs Lehre stört mich immer das vita contemplativa am meisten.
Obwohl es stimmt, dass der Epikureismus eine gewisse Freiheit von äußeren Zwängen wie Götter und ähnliche Mächte bietet, ist auch der Stoiker an sich frei.
Als Stoiker ist die Vorherbestimmung zwar durchaus präsent, aber die ultima ratio des Suizids existiert immer.

Auch das vita activa der Stoa ist am Ende wertvoller für die Gesellschaft, als das Zurückgezogene der Epikureer, womit der Allgemeinheit am besten gedient werden kann.

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berkersheim  27.03.2017, 10:48
@carthagesucks

Das sehe ich anders. Das Lebensprinzip der Stoiker ist erst ein Horschen auf den Willen des Logos und dann ein Handeln mit ständiger Rückkoppelung, ob das nun die Wege des Logos verfolgt. Die römische Stoa hat das allerdings etwas - wie man bei Seneca nachlesen kann, durchaus inspiriert vom Epikureismus - aus der Passivität genommen und aus der Passivität eher eine Sensibilität für die Reaktionen des Umfelds gemacht. Dabei allerdings kommen sich Stoa und Epikureismus sehr nahe, denn auch der Epikureer sucht seinen Lebensweg, indem er versucht, Signale der Umwelt einzubeziehen. Epikur ist kein Hau-Ruck-Gestalter, aber auch die sog. Zurückgezogenheit ist ein Missverständnis eines einzelnen Spruchs, dessen Bedeutung gerade Seneca am Ende seiner Laufbahn aufgegangen ist.

Epikur denkt nicht statisch und in Dualismen, sondern in Verläufen. Freiheit und Autarkie sind dann am sichersten, wenn man weder in falschen Ängsten und Natur- wie Göttervorstellungen gefangen ist noch - und das wird oft übersehen - nach der anderen Seite der Skala in falschen Süchten, in Gier jeder Art gefangen ist. Zu den Gefangenheiten der Machtgier gehört die Gier, im politischen Machtspiel mitzumischen in der falschen Erwartung, sich Anerkennung und Sicherheit zu verschaffen. Da warnt Epikur, dass wer sich in den Wind stellt, auch vom Sturm umgeblasen werden kann. Und genau das ist ja Seneca passiert. Er hat doch in Wirklichkeit nicht das "bescheidene Leben" des Stoikers geführt sondern seine Sonderstellung am Hofe Neros ausgereizt, bis er ins eigene Messer gelaufen ist. Spätestens da wusste Seneca, dass Epikur Recht hatte, aber da war es zu spät.

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Stoa

Mir gefällt sehr, was der Stoiker Mark Aurel schreibt. Epikur enthält auch viel Wichtiges, aber sein Hedonismus kann leicht ins Negative kippen. 


carthagesucks 
Beitragsersteller
 26.03.2017, 21:54

Obwohl anzumerken ist, dass der Hedonismus nie so von Epikur beabsichtigt war. Der Hedonismus ist wohl mehr eine Mutation des Epikureismus und verzerrt die alten Werte zu sehr, um als echter Nachfolger zu gelten.

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Weder noch. Ich wäre damals wohl Neoplatoniker gewesen.