Sollte ich meinen Ausbildungsbetrieb wechseln?
(Anonym, da ich keinen Throwaway Account erstellen will).
Guten Morgen liebe Mit-Azubis und / oder Ex-Azubis.
Erst einmal zu mir:
19 Jahre Alt, Azubi zweites Lehrjahr in einem Kleinunternehmen (~40 Mitarbeiter, kein Betriebsrat) als Fachinformatiker im Bereich Systemintegration.
Die Ausbildung habe ich nicht mit den Gründen "Ich muss ja irgendetwas nach der Schule machen" gewählt. Es gab damals leider einige Gründe, warum ich mein Abitur schlussendlich nicht absolviert habe. Trotzdem habe ich ernste Absichten im IT-Bereich (bin mit diesem Account hier auch viel in dieser Rubrik unterwegs) und will diese Ausbildung sozusagen als „Sprungbrett“ nutzen, um später mehr erreichen zu können und / oder danach zu studieren, falls sich die Option für mich bietet.
Zu meiner Situation:
Meine Arbeit besteht hauptsächlich aus Telefon- / Ticket Support, Installation von Mobilgeräten und co. sowie auch dem Konfigurieren und anschließendem Versenden von Hardware, die unsere Kunden ordern. So weit, so monoton. Etwas Abwechslung ist natürlich immer gegeben, jedoch auch nur bedingt.
Leider gibt es in meiner Firma auch ein paar rote Flaggen, die schon von Anfang an mir hätten auffallen sollen, um rückwärts wieder aus der Firma heraus zu gehen... Nein, eigentlich sogar Rennen.
Als Beispiel: Mein "Ausbilder" ist nur der Ausbilder auf dem Papier. Er interessiert sich so rein gar nicht für die Azubis, was er mir bei einem kleinen Gespräch am Mittagstisch erzählt hat. Meine Ausbildung übernehmen die (Alt)Gesseln, welche uns zum Teil eingearbeitet haben. Diese sind sozusagen auch unsere Ansprechpartner, wenn wir Probleme haben, etwas wissen wollen etc.
Das hat sich schon in der Hinsicht gezeigt, dass wir nie wirklich "Möglichkeiten" hatten, etwas von ihnen zu lernen. Die Gesellen sind leider oft mit ihrer eigenen Arbeit beschäftigt und haben immer nur kurz Zeit uns etwas beizubringen. Daher heißt es oft: "Probier mal selber aus, bis es klappt". Finde ich grundsätzlich nicht schlecht. Nur fehlt eben die Person, die einem auch mal über die Schultern guckt und einen in dem, was man tut, bestätigt. Aber damit kann ich noch leben. Troubleshooting gehört ja zum Job dazu.
Womit ich inzwischen nicht mehr leben kann (und auch der Grund ist, warum ich diesen Post hier formuliere) ist die Tatsache, dass ich seit Sommer 2023 nicht mehr in dieser Tätigkeit aktiv bin.
Als wir uns mitten in unserem Sommerloch befunden haben, kam die Anweisung, dass ich doch mal zu unseren Systemelektronikern in's Werk der Firma XYZ gehen sollte um denen "Auszuhelfen". Gesagt, getan. Nur ist dieses bis heute kein "Aushelfen" mehr, sondern ein "Ich arbeite jetzt hier". Meine Aktivitäten bestehen seit dem primär daraus, Netzwerkkabel durch ein dreckiges Werk zu ziehen.
Meiner Meinung nach hat das schon lange nichts mehr mit meiner Ausbildung zu tun. Ich bin kein guter Handwerker, das gebe ich ehrlich zu. Meine Stärke liegt im Troubleshooting von IT-Problemen sowie dem Planen und Umsetzen von Konzepten und nicht darin, einen Bohrer zu bedienen.
Das habe ich dem Vorarbeiter (sozusagen mein Chef / Ansprechpartner dort) auch so gesagt. Dieser kommt mir jedoch immer zurück à la "Ja wir haben halt zu wenig Leute hier" und "hier lernst du doch auch etwas". Ich habe das jetzt seit dem mitgemacht, da ich (trotz alledem) ein guter Azubi sein will.
Nur verhärtet sich immer mehr der Gedanke in meinem Kopf, dass ich im Endeffekt einfach nur als billige Arbeitskraft ausgebeutet werde.
Bevor jetzt einer kommt mit "Aber als Azubi macht man doch sowieso fast nichts". Ich versuche trotz alledem aktiv mitzuhelfen, weil das einfach meine Person ausmacht. Sprich: Ich bin nicht immer nur am Handy oder stehe irgendwo herum, sondern aktiv am Helfen.
Zu meiner Frage:
Ich hätte die Möglichkeit, mich bei dem Unternehmen eines Freundes welchen ich in der Berufsschule kennengelernt habe für das dritte Lehrjahr zu bewerben, wo ich tatsächlich in dem ausgebildet werden würde, was diesen Beruf ausmacht. Laut ihm würden die mich sofort nehmen.
Sollte ich jetzt also den Stress auf mich nehmen und das ganze bis hin zum Aufhebungsvertrag eskalieren? Oder sollte ich die Dinge so weiter laufen lassen?
Sorry für den Wall-Of-Text. Ich hoffe jemand, der eine ähnliche Erfahrung hat / hatte, kann mir hierzu etwas Input geben.
4 Antworten
Ich mache hier als erstes darauf aufmerksam das ein "Ich wechsel jetzt einfach mal den Lehrbetrieb" rechtlich garnicht möglich ist.
Dafür benötigst du in jedem Fall die Zustimmung deiner Kammer UND deines jetzigen Ausbilders.
KÜNDIGEN kannst du natürlich jederzeit, aber dann kannst du die Ausbildng nicht fortsetzen. AUFHEBUNGSVERTRÄGE kann man auch jederzeit machen, dann wäre ein Wechsel möglich. Allerdings bezweifle ich das dein jetziger BEtrieb das macht.
Ich würde mich an deiner Stelle an deinen Ausbilder wenden und ihn darauf aufmerksam machen das du seit Monaten Ausbildungsferne Tätigkeiten machst, und das nicht weiter machen möchtest.
Sollte das nicht fruchten kannst du dich an den Lehrlingswart deiner Kammer wenden. Dort wird man dann vermitteln oder dir bei einem Wechsel des Lehrbetriebes helfen.
In jedem Fall solltest du aktiv werden. SO wie es jetzt ist kann es nicht bleiben.
Alles Gute Dir
Das sind in der Tat unzumutbare Zustände.
Ich empfehle dir folgende Schritte:
- Geh zu deiner zuständigen Industrie- und Handelskammer. Dort gibt es Ausbildungsberater, die dir helfen können.
- Informiere dabei über die Zustände in deinem Ausbildungsbetrieb und begründe damit deinen Wunsch, den Ausbildungsbetrieb zu wechseln. Eigentlich müsstest du ja sowas wie einen Ausbildungsnachweis geführt haben, das könntest du dann zum Beweis vorlegen. Ansonsten schreib aus dem Gedächtsnis auf, was du wann gemacht hast.
- Ein Wechsel des Ausbildungsbetriebes ist nur unter Mitwirkung der Handelskammer möglich. Kündigen kannst du nur, wenn du die Ausbildung komplett aufgibst, aber du willst ja weitermachen.
- Sag dem Ausbildunsgberater, dass du schon einen Betrieb hast, der dich aufnehmen würde, dann sollte ein Wechsel ganz schnell möglich sein.
Wünsche dir viel Erfolg!
Du solltest auf jeden Fall wechseln und dieses Verhalten deiner Firma unbedingt bei der IHK melden. Das geht gar nicht und ist auch nicht erlaubt
Als Azubi hast du das Recht, in dem von dir gewählten Ausbildungsberuf zu arbeiten. Du darfst keinesfalls für längere Zeit andernweitig eingesetzt werden in einem völlig anderen Beruf. Es ist nicht dein Problem, wenn in diesem Bereich Leute fehlen.
Du hast dir das schon viel zu lange gefallen lassen. Es geht um deine Zukunft. Wie willst du die Abschlussprüfung schaffen wenn du weiter in dieser Firma bleibst? Und selbst, wenn du so gerade bestehst hast du es mit einem schlechten Abschluss später schwer, eine neue Stelle zu finden bzw. wirst eventuell in der Probezeit gekündigt weil du aufgrund deiner schlechten Ausbildung deine Arbeit nicht ordentlich machen kannst.
Wechseln und vor allem die Missstände der IHK melden!