Seit wann benutzen so viele das Wort „prokrastinieren“?
Ich wusste bis vor kurzem nicht, was dieses Wort bedeutet, hatte es bis dahin noch nie gehört.
Ich stelle nun aber vermehrt fest, dass das Wort immer mehr Leute verwenden, und frage mich, seit wann das so ist. Früher haben einfach alle immer „aufschieben“ oder ein ähnliches deutsches Wort dafür verwendet. Das tun auch noch genug, aber der Anteil wird weniger.
Kann jemand sagen, wieso?
5 Antworten
Hallo,
mit meinen UHU Lenzen kenne ich die Wörter prokrastinieren und Prokrastination (https://www.duden.de/rechtschreibung/prokrastinieren) schon länger.
Auch wenn du das Wort bis vor Kurzem noch nie gehört hast, hat es doch schon ein paar Jährchen auf dem Buckel. Richtig ist allerdings, dass die Nutzung in den letzten 3 Jahren deutlich zugenommen hat. Auch hier bei gf:
https://www.gutefrage.net/frage/prokrastination
https://www.gutefrage.net/frage/was-kann-man-gegen-prokrastination-tun
https://www.gutefrage.net/frage/prokrastination-bekaempfen
...
Aufschieben und Aufschieberitis dürften "Otto Normalverbraucher" bekannter und verständlicher sein als prokrastinieren und Prokrastination.
Letztere hören sich zumindest mal fürnehmer (https://www.duden.de/rechtschreibung/fuernehm) an, "machen die Sache an sich aber nicht besser".
Es kommt halt immer auch auf die Situation und das Gegenüber an - und womöglich darauf, ob man verstanden werden will.
AstridDerPu
AstridDerPu
Endlich mal jemand, der so richtig genüsslich "fürnehm" benutzt. Ich weiß nicht, wie du aussiehst, ich kenne deine Stimme nicht. Und doch sehe ich, wie du deine Lippen spitzt und mit entsprechender Mimik sowie vielleicht etwas nasalem Ton „fürnehmer" sagst. Ich benutze dieses Adjektiv sehr gern.
Ich habe es auch erstmals in meinem (abgebrochenen) Psychologiestudium gehört.
An sich ist der Begriff uralt und hat lateinische Wurzeln. Die erhöhte Verbreitung könnte damit zusammen hängen, dass es seit einiger Zeit ein eigener Forschungszweig der Psychologie geworden ist und es seitdem häufiger mal gehört wird.
Es ist auch ein wenig mehr als nur reines Aufschieben. Ganz präzise bedeutet es aufschieben von Aufgaben und Aktivitäten, obwohl man weiß, dass die Verzögerung schaden wird, speziell hinsichtlich Schule, Studium etc. Wird dann aber umgangssprachlich für alles Mögliche benutzt.
Ich war in D in den 90ern. War ein normales Wort.
Nee, nee, nee! In den letzten beiden Jahrzehnten hat die Rennerei zum Psychotherapeuten und Psychiater (übrigens gerade auch unter Jugendlichen) extrem zugenommen. Für alles, was im Leben nicht ganz rund läuft, hat man heute einen griechischen oder lateinischen Fachausdruck, dann klingt das seriöser. Für fast alles bekommt man ein Attest. Vielleicht demnächst auch fürs Prokrastinieren??? „Ich kann doch nichts dafür, dass ich immer alles auf die lange Bank schiebe. Mein Arzt hat mir das auch bescheinigt, hier ist mein Attest. Die Welt muss bitte schön Verständnis dafür haben!“
Für mich wäre die Häufung der Verwendung des Begriffs in meinem Umfeld eher ein Hinweis darauf meinen Frendeskreis zu wechseln, denn wer es nötig hat sich so verkünstelt zu artikulieren, der hat m.M. nach schwerwiegende emotionale Defizite.
Spontan hätte ich gesagt, so vor etwa 20 Jahren kam das auf.
Google Trends sagt: 2006

So ist es! Immer mehr persönliche Macken und Defizite kriegen einen akademischen Namen, und schwupps, ist man entschuldigt.